Macron will Rente mit 65 und mehr Unabhängigkeit für Frankreich

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Dreieinhalb Wochen vor der Präsidentschaftswahl hat Amtsinhaber Emmanuel Macron erstmals seine Pläne für den Fall einer Wiederwahl vorgestellt. In den Umfragen liegt Macron so stabil vorn, dass er bislang nur Wahlkampf auf Sparflamme betrieben hat. „Eine unabhängigere Nation in einem stärkeren Europa“, soll demnach das Leitthema seiner möglichen zweiten Amtszeit sein. Bei seiner vierstündigen Pressekonferenz kündigte er zudem zahlreiche Wahlgeschenke an.
Die Rentenreform, die Macron wegen der Pandemie nicht mehr weiter verfolgt hatte, will er nun erneut angehen. „Es wird eine andere Reform, da sich die Bedingungen geändert haben“, sagte der französische Präsident. Das Rentenalter soll von 62 auf 65 Jahre angehoben werden. Ziel sei ein „gerechtes System“, das auf individuelle Umstände und bestimmte Berufsgruppen Rücksicht nehme, erklärte er. Derzeit gibt es in Frankreich über 40 verschiedene Rentensysteme. 
Eine größere Unabhängigkeit Frankreichs sei vor allem bei der Verteidigung, aber auch bei der Energieversorgung und in wichtigen industriellen Sektoren nötig, sagte Macron – alles Themen, die er auch auf europäischer Ebene voranbringen will. 
Vor dem Hintergrund der Pandemie und des Ukraine-Kriegs will Macron künftig die „Widerstandsfähigkeit“ seines Landes verbessern. Dazu will er den Staatsbürgerdienst für junge Menschen ausweiten und die Zahl der Reservisten der Streitkräfte verdoppeln. Zur Vorbereitung auf mögliche Notfälle sollten sich Freiwillige mit ihren jeweiligen Kompetenzen registrieren lassen können, sagte Macron. 
Auch das Schulsystem soll nach dem Willen des 44-Jährigen gründlich reformiert werden. Grundschulkinder sollen demnach künftig eine halbe Stunde täglich Sport machen. Die in Frankreich vergleichsweise schlecht bezahlten Lehrer sollen höhere Gehälter bekommen und die Schulen mehr Autonomie. 
Zu den angekündigten Wohltaten zählen mehr Geld und eine bessere Kinderbetreuung für Alleinerziehende, finanzielle Hilfen für einen seniorengerechten Umbau von Wohnungen, die Reduzierung der Erbschaftssteuer und der Wegfall der Fernsehgebühren. Sein Programm werde jährlich etwa 50 Milliarden Euro kosten, rechnete Macron vor. Haushalte und Unternehmen sollten je zur Hälfte 15 Milliarden Euro weniger Steuern zahlen. 
Auch Vollbeschäftigung in den nächsten fünf Jahren und die Verringerung des Defizits auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2027 hält Kandidat Macron für machbar. Dass sein Programm in Teilen dem seiner rechtskonservativen Konkurrentin Valérie Pécresse ähnele, sei ihm „herzlich egal“, sagte er. 
Den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bezeichnete Macron als einen „Elektroschock“, der die Nato „aufgeweckt“ habe. Er stehe zu seiner Aussage von 2019, dass die Nato den „Hirntod“ erlitten habe, sagte er weiter. Es sei nötig gewesen, die Strategie der Nato zu präzisieren, und das geschehe nun. Parallel dazu müsse die europäische Verteidigung weiter ausgebaut werden.
Macron warf dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vor, ein „Brudervolk“ anzugreifen, von denen viele die Sprache, die Religion und die Erinnerungen teilten. „Ich bin zutiefst überzeugt, dass das russische Volk das nicht will“, sagte er. „Es steht unter dem Joch der Unterdrückung und der Falschnachrichten“.
Bei seiner Pressekonferenz wollte der französische Staatschef mehr Journalistenfragen beantworten, als sein Presseteam es zulassen wollte. Die Veranstaltung endete erst, als Macron ein Telefonat mit dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau führen müsste. 
Die Präsidentschaftswahl findet am 10. und 24. April statt. In den Umfragen ist Macron seit Monaten Favorit. Er liegt derzeit bei etwa 30 Prozent. Die Rechtspopulistin Marine Le Pen kommt auf knapp 20 Prozent und könnte wie bereits 2017 in die Stichwahl gegen Macron einziehen.
kol/ans

© Agence France-Presse