Alles nur ein „Missverständnis“? Peng trifft Bach – Zweifel bleiben

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In einem Interview mit L’Equipe erklärt Peng Shuai die weltweite Aufregung um sie zu einem „großen Missverständnis“. In Peking traf sie Thomas Bach.
Peking (SID) Die Frage erlangte Weltruhm, eine Antwort kam am dritten Tag der Olympischen Spiele – doch die Zweifel bleiben. „Wo ist Peng Shuai?“ Beim Curling, beim Ski-Freestyle oder beim Abendessen mit Thomas Bach, wie Peng selbst in einem Interview mit der französischen Sportzeitung L’Equipe sagte. Ihre Missbrauchsvorwürfe gegen einen hochrangigen chinesischen Politiker seien ein „großes Missverständnis“, auch sei sie „nie verschwunden“ gewesen.
Die Antwort des chinesischen Künstlers Ai Weiwei fällt anders aus. „Wo ist Peng Shuai?“ Sie sei „in sicheren Händen der Kommunistischen Partei“, sagte der Dissident ebenfalls am Montag dem britischen Guardian. Das Regime werde „dafür sorgen“, dass sie sich „genau“ auf Parteilinie bewege: „Sie ist eine andere Person geworden, und was immer sie dir sagt, ist nicht wahr.“
Diese „andere Person“ war einmal die beste Doppelspielerin der Tenniswelt, Wimbledonsiegerin 2013. Heute ist Peng im Westen ein Symbol für die Unterdrückung der Meinungsfreiheit in China – und gleichzeitig Beleg, wie sich das Internationale Olympische Komitee für die Propaganda der Olympia-Gastgeber einspannen lässt. Sie selbst sagte: „Ich bin ein ganz normales Mädchen.“
Normal? Nachdem sie in einem Eintrag im Sozialen Netzwerk Weibo am 2. November den früheren Vizepremier Zhang Gaoli des sexuellen Missbrauchs beschuldigt hatte, überschlugen sich die Ereignisse. Peng war für viele Weggefährten über Wochen nicht zu erreichen, die Vereinigung der Profitennisspielerinnen WTA kündigte an, ihre Turniere aus China abzuziehen, die Vereinten Nationen und die EU forderten Aufklärung. Der Hashtag „#WhereIsPengShuai“ raste um die Welt.
Ihre Aussage sei missverstanden worden, sagte Peng nun: „Ich möchte nicht, dass die Bedeutung dieses Posts weiter verdreht wird. Und ich will keinen weiteren Medienrummel darum.“ Sie selbst habe den Eintrag nach 30 Minuten gelöscht, „meine Liebesprobleme, mein Privatleben dürfen nicht mit Sport und Politik vermischt werden, denn das bedeutet meist eine Abkehr vom olympischen Geist und geht gegen den Willen der Sportwelt und der Athleten.“
Pengs Aussagen klingen nach Partei-Rhetorik. Sie trug beim L’Equipe-Interview ein Trikot des chinesischen Olympia-Eishockeyteams, der Stabschef des Nationalen Olympischen Komitees COC war dabei und übersetzte Pengs in Landessprache gegebenen Antworten für die Journalisten – obwohl die Tennisspielerin gutes Englisch spricht. Wer stutzig werden wollte, bekam also Futter. Zugleich aber hatte der COC-Funktionär den Franzosen nahegelegt, einen eigenen Dolmetscher hinzuzuziehen. Offene Karten für endgültige Klarheit also?
Seit drei Monaten ist Peng (36) weltweit in den Schlagzeilen, daran änderte auch ein Videocall mit IOC-Präsident Bach nichts. Der hatte sich im Gespräch nicht nach den Missbrauchsvorwürfen erkundigt, die Frage lautete ja schließlich nur: „Wo ist Peng Shuai?“ Alles weitere, sagte Bach, sollte später bei einem persönlichen Treffen geklärt werden.
Das fand am Samstag im Olympic Club statt. Es ging um olympische Erfahrungen, die Winterspiele und die Corona-Pandemie. Bach lud Peng auch nach Lausanne ein, sie sagte zu. So weit die Version, die durch das Interview, laut L’Equipe Pengs erstem Gespräch mit einer „internationalen und unabhängigen Zeitung“ über das sensible Thema, und dann über ein IOC-Statement Verbreitung fand.
Doch Zweifel blieben. Durfte Peng tatsächlich frei sprechen? „Unser Job als Sportorganisation ist es, mit ihr in Kontakt zu bleiben. Ich glaube nicht, dass wir das beurteilen sollten“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams und fügte in Richtung der Reporter hinzu: „Und ihr solltet das auch nicht tun.“ Das hatte Ai Weiwei zuvor bereits erledigt: Peng habe „Familie, Freunde und Karriere aufs Spiel gesetzt. Ihren Geist gibt es nicht mehr.“
SID cp mh

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