Neuanfang mit neuem Chef? DFB setzt Hoffnung in die Präsidenten-Wahl

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Bernd Neuendorf als haushoher Favorit, Peter Peters nur mit Außenseiterchancen: Die Rollen bei der Präsidenten-Wahl sind klar verteilt. Doch gelingt einem neuen Chef beim DFB auch der Neuanfang? 
Bonn (SID) Schon der Startort für den erhofften Neuanfang ist geschichtsträchtig. Im World Conference Center in Bonn, dort, wo der Deutsche Bundestag bis zum Umzug vor fast 23 Jahren nach Berlin noch tagte, soll für den DFB mit der Wahl von Bernd Neuendorf oder Peter Peters zum neuen Präsidenten endlich eine bessere Zeit anbrechen. Doch die Zweifel sind nach Jahren voller Skandale und Schlammschlachten groß. 
Längst scheint entschieden, dass Neuendorf (60) der Auserwählte wird, der den Deutschen Fußball-Bund (DFB) nach dem Bundestag am Freitag aus der Dauerkrise befreien soll. Der in der breiten Öffentlichkeit bislang weitgehend unbekannte Boss des Mittelrhein-Verbandes kann sich der Gunst des stimmgewaltigen Amateurlagers und des einflussreichen Strippenziehers Rainer Koch sicher sein. Das Ergebnis dürfte trotz geheimer Kampfabstimmung zu keiner Überraschung führen.
Peters (59), früherer DFB-Interimschef und Kandidat der Liga, besitzt nur Außenseiterchancen – die Blicke richten sich auf Neuendorf. Die Erwartung sei, „dass beim DFB wieder Ruhe einkehrt“, sagte der SPD-Mann. Im Wahlkampf betonte der haushohe Favorit mehrmals, den Fußball wieder in den Mittelpunkt rücken zu wollen. 
Peters dagegen sprach von einem „Glaubwürdigkeitsproblem“ des DFB bei einem Auftritt im ZDF-Sportstudio, den er alles andere als souverän hinter sich brachte. Er stehe „für Veränderungen“, versicherte der frühere Finanzchef von Schalke 04, der sich selbst seit Jahren in den höchsten Gremien des Fußballs bewegt. Seine Kompetenz wird von vielen Seiten angezweifelt, selbst im Profilager sollen die Vorbehalte wachsen.
Beide Kandidaten reisen mit ihren Teams nach Bonn, beide versprechen vollmundig einen Neuanfang. Doch es ist eine Aufgabe, an der die Präsidenten zuletzt reihenweise scheiterten. Fritz Keller musste nach einem skandalösen Nazi-Vergleich ebenso vorzeitig abtreten wie seine Vorgänger Reinhard Grindel und Wolfgang Niersbach. Sachsen-Anhalts Verbandschef Holger Stahlknecht warnte im Deutschlandfunk vor einem „Himmelfahrtskommando“.
Fest steht: Auf den neuen Chef wartet eine Mammutaufgabe. Die regelmäßigen Besuche der Staatsanwaltschaft in der Otto-Fleck-Schneise, die ominöse „Diekmann-Causa“ oder etwa der noch immer nicht vollständig aufgeklärte Sommermärchen-Skandal belasten den Verband schwer. Erst am Donnerstag berichtete die SZ erneut über irritierende Vorgänge bei der Aufklärung rund um die WM 2006.
Doch es drohen bereits neue Probleme – und das ausgerechnet auf dem Weg zum Prestigeprojekt Heim-EM 2024. Dazu sind viele Fragen ungeklärt. Wie künftig umgehen mit der Frauen-Initiative um Katja Kraus, die auf eine aus ihrer Sicht aussichtslose Kandidatur verzichtete? Wie lassen sich Brücken zur Deutschen Fußball Liga (DFL) bauen? Und was passiert mit dem „System Koch“, dessen Ende drei Ex-Präsidenten jüngst mit einem bemerkenswerten Angriff forderten?
Laut kicker sollen sich DFB und DFL immerhin bereits im Vorfeld zu gemeinsamen Satzungsänderungen durchgerungen habe. Weitere Spannungen kann schließlich niemand gebrauchen, im kommenden Jahr steht die Verhandlung über den Grundlagenvertrag an. DFL-Geschäftsführerin Donata Hopfen bewertet die Wahl als „große Chance für einen Neuanfang“.
Mehr Konfliktpotenzial steckt in der Personalie Koch. Kritiker sehen den Interimsboss, der die erste Reihe verlässt, in zahlreiche dubiose Machenschaften verstrickt. Im Gegensatz zu Peters distanzierte sich Neuendorf bislang aber nicht von ihm. Stattdessen versicherte er, dass Koch bei erfolgreicher Wahl den Posten im Exekutivkomitee der Europäischen Fußball-Union (UEFA) behalten dürfe, wie auch Peters den Platz im Council des Weltverbandes FIFA.
In Bonn tritt Koch gegen Silke Sinning aus dem Peters-Team um einen Posten im Präsidium an. Dass die Konkurrentin ausgerechnet von Kochs Bayerischem Fußball-Verband nominiert wurde, wird als bewusster Schachzug gewertet. Ob Sinning nach einer möglichen Niederlage von Peters überhaupt noch antritt, ist offen. Wie so vieles in diesen Tagen beim DFB.
SID wj as tl

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