Votum des EU-Parlaments für Verbrenner-Aus schürt neue Debatte über E-Fuels

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Nach dem Votum des EU-Parlaments für ein faktisches Aus für Autos mit Verbrennungsmotor bis 2035 zeichnet sich eine kontroverse Debatte innerhalb der Ampel-Koalition über den bestmöglichen Weg zu mehr Klimaschutz im Straßenverkehr ab. Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) sprach sich am Donnerstag dagegen aus, bestimmte Technologien wie beispielsweise synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) auszuschließen. Umweltschützer begrüßten hingegen das Votum der EU-Parlamentarier, forderten teils aber auch noch deutlich mehr Tempo bei der Verringerung klimaschädlicher CO2-Emissionen.
Das EU-Parlament hatte am Mittwoch mehrheitlich für neue Regeln für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge gestimmt, wonach bis zum Jahr 2035 die Neuwagenflotte der Autobauer 100 Prozent weniger Emissionen als 2021 ausstoßen soll. Damit folgten die Abgeordneten einem Vorschlag der EU-Kommission, die sich im Juli vergangenen Jahres im Rahmen ihres „Fit for 55“-Klimapakets für ein Verbrenner-Aus bis 2035 ausgesprochen hatte. 
Im nächsten Schritt muss in den sogenannten Trilog-Verhandlungen nun die Position von Kommission und Parlament in Einklang mit der der EU-Mitgliedstaaten gebracht werden, die sich zuvor allerdings ebenfalls verständigen müssen. Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hatte sich im März in Brüssel für die Bundesregierung hinter den Kommissionsvorschlag gestellt, ab 2035 nur noch emissionsfreie Fahrzeuge neu zuzulassen. Mit synthetischen Kraftstoffen betriebene Fahrzeuge seien „nur außerhalb der CO2-Flottengrenze eine Option“, sagte sie – also beispielsweise bei Sonderfahrzeugen wie Krankenwagen oder Bagger.
Wissing forderte am Donnerstag hingegen in Berlin, dass die Transformation „technologieoffen“ gestaltet werden müsse. „Dazu gehört, dass wir über 2035 hinaus Verbrennungsmotoren zulassen, wenn diese ausschließlich mit synthetischen Kraftstoffen klimaneutral betrieben werden“, fügte der Verkehrsminister hinzu und verwies darauf, dass dies im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP „ausdrücklich vereinbart“ worden sei.
Im Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien heißt es, dass „gemäß den Vorschlägen der Europäischen Kommission“ im Verkehrsbereich 2035 nur noch CO2-neutrale Fahrzeuge zugelassen würden – und sich dies „entsprechend früher“ in Deutschland auswirke. „Außerhalb des bestehenden Systems der Flottengrenzwerte setzen wir uns dafür ein, dass nachweisbar nur mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge neu zugelassen werden können“, heißt es dort zudem.
Synthetische Kraftstoffe, auch E-Fuels genannt, werden unter Einsatz von Strom meist aus Wasser und CO2 hergestellt. Für einen Beitrag zum Klimaschutz ist dabei relevant, woher der Strom stammt – und es stellt sich die Frage, in welchen Mengen und zu welchem Aufwand die Treibstoffe zur Verfügung stehen können. Während das Umweltbundesamt im November die Einschätzung geäußert hatte, dass „postfossile Kraftstoffe“ im Verkehr in den kommenden Jahren nur eine nachgeordnete Rolle spielen würden, verweist die Industrie auf Potenziale, die sich unter anderem auch aus Skaleneffekten ergeben könnten – also daraus, dass größer werdende Nachfragemengen die Technik zunehmend attraktiver machen.
Der ADAC forderte, nötig sei eine „Perspektive für den klimaneutral betankten Verbrennungsmotor“, wie der Technikpräsident des Automobilclubs, Karsten Schulze, den Zeitungen der Funke Mediengruppe sagte. Auch die Bundesregierung als „wichtige Stimme in Europa“ solle ihre Verhandlungsposition in diesem Sinne überdenken, forderte er. 
Der Verband der Automobilindustrie (VDA) forderte nach dem Parlamentsvotum, der Weg für technologieoffene Lösungen solle grundsätzlich immer offen gehalten werden. „Um die Klimaziele zu erreichen, braucht es auch E-Fuels“, erklärte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. „Denn sie ermöglichen, den Fahrzeugbestand zu adressieren und entsprechend klimaneutral zu betreiben.“
Die Umweltschutzorganisation Greenpeace begrüßte hingegen, dass das EU-Parlament „utopische Hoffnungen“ beendet habe, synthetische Kraftstoffe könnten das „Siechtum“ des Verbrennungsmotors verlängern. 
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) forderte unterdessen, beim Klimaschutz im Verkehr müsse es angesichts der eskalierenden Klimakrise noch deutlich schneller vorangehen. Bereits ab 2030 sollten in Europa keine neuen Verbrenner mehr zugelassen werden dürfen. 
jm/bk

© Agence France-Presse