Spanische Geheimdienst-Chefin im Skandal um ausgespähte Handys entlassen

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Im Skandal um ausgespähte Mobiltelefone von Regierungsmitgliedern und katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern ist in Spanien die Chefin des Geheimdienstes entlassen worden. Obwohl der Geheimdienst CNI „gesetzeskonform“ gehandelt habe, habe es „Versäumnisse“ und „Fehler“ im Umgang mit der Angelegenheit gegeben, sagte Verteidigungsministerin Margarita Robles am Dienstag in Madrid. Paz Estebán war 2020 als erste Frau an die Spitze des CNI berufen worden. Ersetzt im Amt wird sie durch Verteidigungs-Staatssekretärin Esperanza Casteleiro Llamazares.
Vor rund einer Woche hatte die spanische Regierung bekannt gegeben, dass die Handys des sozialistischen Ministerpräsidenten Pedro Sánchez und von Verteidigungsministerin Robles im Mai und Juni 2021 mit Hilfe der israelischen Spionage-Software Pegasus angezapft worden waren. 
Wie eine Regierungssprecherin nach Auswertung der Handys aller Kabinettsmitglieder nun am Dienstag mitteilte, war auch das Handy von Innenminister Fernando Grande-Marlaska betroffen. Das Mobiltelefon von Landwirtschaftsminister Luis Planas sei zudem Ziel eines Spionageversuchs gewesen.
Die Regierung verfügt nach eigenen Angaben über keinerlei Hinweise auf die Verantwortlichen hinter der Abhöraktion. In spanischen Medien wurde spekuliert, Marokko könnte dahinter stecken. Die beiden Länder waren zu jenem Zeitpunkt wegen der Zukunft der von Marokko kontrollierten Westsahara zerstritten. Nach dem Einlenken Spaniens hatten sich die Beziehungen wieder normalisiert.
Bereits Mitte April hatte zudem die kanadische Forschungsgruppe Citizen Lab einen Bericht veröffentlicht, wonach die Mobiltelefone von mehr als 60 katalanischen Unabhängigkeitsbefürwortern in den Jahren 2017 bis 2020 mit der Software Pegasus ausgespäht wurden.
Geheimdienst-Chefin Estebán hatte in der vergangenen Woche vor einem Parlamentsausschuss eingeräumt, dass ihre Behörde 18 katalanische Unabhängigkeitsbefürworter, darunter auch der heutige Regionalpräsident Pere Aragonès, ausgespäht hat. Dies sei allerdings mit gerichtlicher Genehmigung geschehen und damit legal gewesen. Spanische Medien zitierten am Dienstag dazu Regierungskreise, wonach die Regierung über den Schritt nicht informiert worden sei.
Der Vorsitzende der konservativen Oppositionspartei PP, Alberto Núñez Feijóo, warf Sánchez am Dienstag vor, den katalanischen Separatisten „den Kopf der Geheimdienst-Chefin serviert“ zu haben, um sein eigenes „Überleben zu sichern“. Die katalanische Regionalregierung erklärte, Estebáns Entlassung „reicht nicht aus“. Sie forderte „überzeugende Erklärungen“, wer die Abhöraktion angeordnet habe, wer sie zugelassen habe und „wer davon gewusst hat“.
Der Skandal belastet die Beziehungen zwischen Sánchez‘ Minderheitsregierung und der Separatisten-Partei ERC. Sánchez‘ Koalition ist im Parlament auf die Stimmen der ERC angewiesen.
Die Pegasus-Software des israelischen Herstellers NSO ist in der Lage, sämtliche Daten von damit angegriffenen Mobiltelefonen auszulesen. Außerdem kann Pegasus unbemerkt Kamera und Mikrofon des jeweiligen Gerätes anschalten. NSO gibt an, die Software nur an Regierungsbehörden für den Einsatz bei Ermittlungen gegen Kriminelle und Terroristen zu verkaufen.
Sánchez ist der erste amtierende Regierungschef, der bekanntermaßen mit der umstrittenen Spionage-Software bespitzelt wurde.
noe/jes

© Agence France-Presse