Zensur von Video über Lockdown-Probleme in Shanghai sorgt für Ärger

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Ein sechsminütiges Video über die Auswirkungen des anhaltenden Corona-Lockdowns auf die Bewohner von Shanghai hat die chinesische Zensur auf den Plan gerufen. Dass das Video am Samstag gelöscht wurde, sorgte für Wut im Internet.
Seit Anfang April dürfen die 25 Millionen Einwohner der chinesischen Wirtschaftsmetropole ihre Wohnungen so gut wie nicht mehr verlassen. Die Behörden wollen auf diese Weise den schwersten Corona-Ausbruch seit Beginn der Pandemie eindämmen.
Dabei gelingt es den Behörden jedoch kaum, die Konsequenzen für die Eingeschlossenen abzufedern: Die Stadt hat Mühe, ihre Bewohner mit frischen Lebensmitteln zu versorgen oder ärztlich betreuen zu lassen, weil das Gesundheitswesen in erster Linie für Corona-Tests und -Behandlungen gebraucht wird. 
Das von einem anonymen Konto veröffentlichte Video greift auf geschickte Weise diese Probleme auf: Einfache Schwarz-Weiß-Luftaufnahmen vom menschenleeren Shanghai sind zunächst unterlegt mit Presseerklärungen, in denen die Behörden zu Beginn des Ausbruchs im März noch versichern, dass sie einen Lockdown in der Metropole wegen der wirtschaftlichen Auswirkungen ablehnen. 
Es folgen Tonaufnahmen von Klagen eines Mannes, dessen kranker Vater in keinem Krankenhaus behandelt wird, von einer Frau, die nach einer Chemotherapie im Krankenhaus nicht nach Hause zurückkehren darf oder von einer Mutter, die ihre Nachbarn mitten in der Nacht um fiebersenkende Mittel für ihr Baby anbettelt.
Die Zensoren brauchten am Samstag Stunden, um das Video aus den Onlinenetzwerken zu löschen, weil es von Nutzern immer wieder von neuem auf verschiedene Cloud-Server hochgeladen wurde. 
Nutzer reagierten dann empört auf die Löschung: „Das Video zeigt nur nackte Tatsachen. Es gibt nichts Provokantes“, kritisierte einer von ihnen. „Der Inhalt ist nicht neu – aber die Tatsache, dass sogar das zensiert wird, beunruhigt mich“, schrieb ein anderer.
Am Samstagnachmittag war das Video mit dem Titel „Stimme des April“ zwar weiterhin auf YouTube zu sehen, aber auf keiner der großen chinesischen Online-Plattformen mehr. Aus Protest teilten Internetnutzer im Kurzbotschaftendienst WeChat Musikvideos der Songs „Do You Hear the People Sing?“ und „Another Brick In The Wall“: Das erste Lied aus dem Musical „Les Misérables“ ruft zur Rebellion auf, während sich Pink Floyds Klassiker unter anderem gegen „Gedankenkontrolle“ wendet.
ans/dja

© Agence France-Presse