Bundesregierung will Putins Dekret zur Bezahlung von Gas „gründlich prüfen“

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Seit Freitag sind Gas-Käufer in Europa verpflichtet, Rubel-Konten in Russland zu führen – die neuen Vorgaben sorgen jedoch weiter für Verwirrung. Die Bundesregierung werde das von Präsident Wladimir Putin unterzeichnete Dekret „gründlich prüfen“ und bewerten, sagte eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums. „Grundlage“ der Vertragsbeziehungen sei weiterhin die Zahlung in Euro oder Dollar. Unterdessen warnten deutsche Firmen erneut vor einem Stopp russischer Energielieferungen.
Putin hatte am Donnerstag ein Dekret unterzeichnet, wonach für Gaslieferungen in EU-Länder nun Rubel-Konten bei der russischen Gazprom-Bank notwendig sind. Über diese Konten müsse das Gas bezahlt werden. Die Gazprom-Bank unterliegt anders als viele andere russische Banken nicht den europäischen Sanktionen wegen des Angriffskriegs in der Ukraine. Dem Dekret zufolge können Einzahlungen in Fremdwährungen erfolgen und die Bank, eine Tochter des staatlichen Energiekonzerns Gazprom, wandelt diese in Rubel um.
„Die Bundesregierung prüft derzeit dieses Dekret auf die konkreten Auswirkungen hin“, sagte die Ministeriumssprecherin in Berlin. Sie wies auch auf einen Passus in dem Dokument hin, wonach die Gazprom-Bank nun zehn Tage Zeit habe, um „das Prozedere zu erläutern“. Dies werde sich die Bundesregierung dann ebenfalls „genau anschauen“ und sich auch europäisch abstimmen.
Die meisten mit russischen Firmen abgeschlossenen Gaslieferverträge sähen Zahlungen in Euro oder Dollar vor – dies sei aus Sicht der Bundesregierung „die Grundlage“ der Vertragsbeziehungen, fuhr die Sprecherin fort. „Deutschland zahlt weiter in Euro.“ Ob deutsche Firmen womöglich bereits die geforderten Konten bei der Gazprom-Bank eingerichtet haben, wusste sie nicht.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte bereits am Donnerstag gesagt, er habe Putin „klargemacht“, dass Gaslieferungen in Euro oder Dollar gezahlt würden und „dass das auch so bleiben wird“. Für die Unternehmen gelte „auf alle Fälle“, dass sie in Euro zahlen „wollen, können und werden“. 
Zuletzt waren auch immer wieder Forderungen laut geworden, wegen des Ukraine-Kriegs ein Embargo gegen russische Energielieferungen zu verhängen – zudem besteht die Sorge, dass Moskau den Gashahn im Streit um die Bezahlung zudrehen könnte. Die beiden Unternehmen BASF und Siemens Energy warnten am Freitag erneut vor drastischen wirtschaftlichen Schäden im Fall eines sofortigen Ausstiegs.
BASF-Chef Martin Brudermüller sagte der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“, ein Stopp oder längerer Ausfall russischer Gas- und Ölimporte „könnte die deutsche Volkswirtschaft in ihre schwerste Krise seit Ende des Zweiten Weltkriegs bringen“. Vor allem für viele kleine und mittelständische Unternehmen wäre dies existenzbedrohend, warnte der Chef des Chemiekonzerns.
Ein vollständiger Verzicht auf russische Erdgasimporte sei etwa erst mittelfristig möglich, sagte Brudermüller. „Wenn wir uns beeilen, dann können wir das in vier bis fünf Jahren hinbekommen.“
Der Chef des Elektronikunternehmens Siemens Energy, Christian Bruch, warnte ebenfalls vor „dramatischen Auswirkungen“ bei einem sofortigen Ausstieg aus russischem Gas. Er sagte dem „Handelsblatt“, bei einem kurzfristigen Boykott seien die negativen Auswirkungen für Deutschland größer als der Effekt auf Russland. Kurzfristig sei die Menge aus Russland nicht ersetzbar.
Habeck hatte am Mittwoch die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen – in letzter Konsequenz entscheidet dabei der Staat über die Zuteilung von Gas. Die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft (BdEW), Kerstin Andreae, forderte eine „Positivliste“ für den Fall einer Gasknappheit. Diese müsse „berücksichtigen, welche Branchen auf alle Fälle weiter mit Gas versorgt werden müssen“, sagte sie der „Wirtschaftswoche“. Gasnetzbetreiber und Gasversorgungsunternehmen „brauchen Rechtssicherheit für den Fall, dass Lieferungen ausbleiben und sie Kunden abschalten müssen“.
hcy/ilo

© Agence France-Presse