BRK Memmingen | Kripo ermittelt wegen verschwundener Betäubungsmittel (BtM) – Wie ist der Umgang im Rettungsdienst mit den Drogen

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Foto: Jean-Michel Feinen

Fehlbestände von Betäubungsmitteln (BtM) beim Bayerischen Roten Kreuz (BRK), Kreisverband Unterallgäu, in der Rettungswache Memmingen. Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei Memmingen richten sich gegen den 35-jährigen Wachleiter des BRK in Memmingen. Er soll die Schmerzmittel (Fentanyl) und andere Medikamente entwendet haben und die Aufzeichnungen über den Verbrauch manipuliert, bzw. Verordnungen gefälscht haben. 

BRK Memmingen | Ermittlungen gegen einen Mitarbeiter – Verdacht des Missbrauchs von Betäubungsmitteln

Für die Beschaffung, Lagerung, Aufbewahrung, Ausgabe und die Dokumentation von Betäumungsmitteln (BtM) wie Fentanyl und Morphium gibt es strenge Weisungen, die im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) geregelt sind. Bei dem Vorfall in Memmingen sind wohl auch andere Medikamente abhanden gekommen, die nicht unter das BtMG fallen, aber auch hier gilt es Vorschriften einzuhalten.

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Foto: Zwiebler/Symbolbild

Auf nahezu jedem Rettungswagen (RTW) und Notarzteinsatzfahrzeug (NEF) werden Betäubungsmittel mitgeführt. Sie werden benötigt um Patienten von starken Schmerzen zu befreien u.a. In den Fahrzeugen sind diese Betäubungsmittel in kleineren Mengen vorhanden und werden in Stahlkassetten aufbewahrt, die verschlossen sind und nur mit einem entsprechenden Spezialschlüssel aus der Fahrzeughalterung entnommen werden können. Den Schlüssel trägt der Notfallsanitäter bzw. der Rettungsassisten/Rettungssanitäter am Mann. Alles was an der Einsatzstelle an Medikamenten aus dieser Box verbraucht wird, muss durch eine ärztliche Verordnung des Notarztes dokumentiert werden. Der Verbrauch wird dann wieder an der Rettungswache ersetzt.

In der Rettungswache in Memmingen sind die Auffüllmaterialien in einem separaten Raum. Der Zutritt ist durch eine elektronische Schließanlage gesichert. Jeder Mitarbeiter hat einen Chip, der ihm Zugang zu definierten Bereichen erlaubt. In diesem Raum sind die normalen Ersatzmittel wie Binden, Infusionen, Tupfer etc. gelagert. In einem Schrank, der nochmals separat gesichert ist, lagern die Notfallmedikamente und der BtM-Tresor. Den Schlüssel für den BtM-Safe hat ebenfalls der zweite Mann vom Rettungswagen in der Regel. Über den Verbrauch und auch den Ein- und Ausgang von Betäubungsmitteln müssen Nachweise in amtlicher Form geführt werden.

 

Betäubungsmittelbestandsübersicht – MUSTER

Muss nun nach einem Notarzteinsatz ein Betäubungsmittel im Fahrzeug ersetzt werden, so nimmt der Verantwortliche das Rezept trägt den Verbrauch in die Verwendungsübersicht ein und legt als Quittung die ärztliche Verordnung des Notarztes in den Safe.

Innerhalb von 24 Stunden wird der gesamte Medikamentenbestand zwei Mal geprüft. Die Besatzung des ersten Rettungswagen ist hierfür beim BRK Memmingen verantwortlich. Morgens um 6.00 Uhr bei Schichtbeginn prüft die Fahrzeugbesatzung (Beifahrer und Fahrer) den Bestand. Auch am Abend, wenn die Nachtschicht den Rettungswagen übernimmt, werden sowohl die Bestände im Lager und auf dem Rettungsmittel RTW oder auch NEF überprüft. Die Möglichkeiten des Missbrauchs sind dadurch fast unmöglich.

Sollte einmal eine Ampulle eines Betäubungsmittels zu Bruch gehen, was in der Hektik schon einmal passieren kann, so muss ein Protokoll darüber erstellt werden, das von dem Verantwortlichen für den Bruch und einer zweiten Person, die das zerbrochene BtM wahrgenommen hat, gezeichnet werden. Auch ein solcher Vorfall muss in das Betäubungsmittelbuch/-übersicht eingetragen und das Protokoll wie ein Rezept behandelt werden.

Symbolbild

Nun gehen aber auch einmal die Bestände auf der Rettungswache zu neige und müssen aufgefüllt werden. Das Betäubungsmittelgesetz (BtMVV §6) regelt auch dies. Der Rettungsdienstträger, hier das BRK Unterallgäu, muss einen Versorgungsvertrag mit einer Apotheke abschließen, im Fall Memmingen mit der Krankenhausapotheke des Klinikums. Die Betäubungsmittel müssen durch einen beauftragten Arzt verschrieben werden. Dies erfolgt

Betäubungsmittelanforderungsschein – MUSTER –

nicht auf einem Betäubungsmittelrezept, sondern Betäubungsmittelanforderungsschein (§10 (1) BtMVV). Dabei handelt es sich um fortlaufend nummerierte amtliche Vordrucke mit zwei Durchschlägen, die der verschreibende Arzt beim BFArM bestellen muss. Diese Anforderungsscheine sind ausgestellt für die Einrichtung des Rettungsdienstes, für die die Betäubungsmittel sind. Das Original des Anforderungsscheines bleibt bei der Apotheke, der andere Durchschlag wird vom ausstellenden Arzt aufbewahrt (Aufbewahrungsfrist drei Jahre).

Der Apotheker der Versorgungsapotheke hat mindestens alle sechs Monate alle auf den Rettungswachen und in den Fahrzeugen gelagerten Betäubungsmittel persönlich zu prüfen und diese Prüfung zu dokumentieren; entsprechende Regelungen müssen Gegenstand des Versorgungsvertrages zwischen Apotheke und Rettungsdienstträger nach §6 (3) BtMVV sein.

Für die Ermittler gilt es nun, all diese Schnittstellen zu überprüfen. Was wurde wann und wie dokumentiert. Sämtliche Anforderungen an die Klinik-Apotheke müssen geprüft werden und auch, ob diese im BtM-Verzeichnis beim BRK Memmingen eingetragen wurden. Sind die Kontrollen ordnungsgemäß durchgeführt worden oder liegen Aufsichtsverletzungen vor. Die Redaktion hat die Pressestelle der Staatsanwaltschaft Memmingen am 21.01.2020 angefragt, ob es neben dem Hauptbeschuldigten noch weitere Ermittlungen gegen beteiligte Personen gibt. Bis zur Veröffentlichung des Beitrages gab es hierzu keine Rückmeldung. Entsprechend wurde auch der Kreisverband des Bayerischen Roten Kreuzes angefragt. Hierzu kam eine umgehende Rückmeldung, dass man die Ermittlungsbehörden vollumfassend unterstützt, man aber derzeit keine Presseanfragen zu der Thematik aufgrund des laufenden Ermittlungsverfahrens beantwortet.