BWTEX 2019 | Attentäter schlagen in der Fußgängerzone von Konstanz zu – Polizei, Bundeswehr, Rettungskräfte üben den Ernstfall

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Dr. Tobias Lorch – Spezialkräfte (SEK/MEK) werden aus Göppingen in die Konstanzer Innenstadt geflogen, um die Attentäter auszuschalten.

 

Vom 17. bis 19. Oktober 2019 fand schwerpunktmäßig auf dem Truppenübungsplatz Heuberg der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt die Baden-Württembergische Terrorismus Exercise (BWTEX) 2019, eine Übung der Polizei Baden-Württemberg mit der Bundeswehr sowie nicht-polizeilichen BOS (Feuerwehr, Rettungsdienst, THW u.a.) aus dem Bereich des Bevölkerungsschutzes, statt.

Foto: Pöppel/Symbolbild

Neben einer öffentlich zugänglichen Ausstellung von Fahrzeugen und Ausstattungsgegenständen der Bundeswehr, des Bevölkerungsschutzes und der Polizei am Donnerstag, 17.10.2019 sowie einer nichtöffentlichen Stabsrahmenübung aller beteiligten Behörden und Organisationen am 18.10.2019, fand die BWTEX 2019 am Samstag, 19.10.2019, mit einer gemeinsamen Vollübung ihren Höhepunkt. Mit rund 2.500 Übungsbeteiligten stellte diese eine der größten Übungen in der jüngeren Geschichte der Bundesrepublik Deutschland und die größte Übung, die die Polizei Baden-Württemberg je durchgeführt hat, dar. (Bilder siehe hier)

Auf Seiten der Polizei waren neben Einsatzkräften des für den fiktiven Tatort örtlich zuständigen Polizeipräsidiums Konstanz, eine Vielzahl weiterer Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten – u.a. in den Führungsstäben der mitübenden Polizeipräsidien, Einsatzkräfte der Bereitschaftspolizei, der Hubschrauberstaffel, der Spezialeinheiten (MEK/SEK), Ermittlerinnen und Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) Baden-Württemberg sowie Beamtinnen und Beamten zur Gewährleistung der technischen Infrastruktur – auf den Übungsgelände eingesetzt. Auf Grund der Tatsache, dass die Übungslage fiktiv im Bereich der Stadt Konstanz und damit im deutsch-schweizerischen Grenzgebiet spielte, wurden zur Lagebewältigung zudem auch Einheiten der eidgenössischen Polizei eingesetzt.

Bei den im Rahmen der Vollübung agierenden „Tätern“ handelte es sich um 30 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte des Landes Rheinland-Pfalz.

Durch die Bundeswehr wurden die Einsatzmaßnahmen am Vollübungstag u.a. in folgenden Bereichen unterstützt:

– Crashrettung Verletzter mit gepanzerten Fahrzeugen

– Beseitigung von militärischen Sprengstoffen

– Absicherung einer Verletztensammelstelle mit Soldaten

– Lufttransport von Verletzten

– medizinische Beratung durch Bundeswehrärzte

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Rettungshubschrauber und Besatzung des ADAC. – Foto: Pöppel

Darüber hinaus beteiligten sich die nichtpolizeilichen Behörden Organisationen aus dem Bereich Bevölkerungsschutz u.a. mit einer Vielzahl von Einsatzkräften, einer Verletztensammelstelle auf dem Übungsgelände sowie Transportkapazitäten, mittels derer die im Übungsszenario fiktiv verletzten Personen auf Land- und Luftweg in mitübende Kliniken verbracht wurden. Hierbei stellte die DRF Luftrettung und die ADAC Luftrettung je einen Rettungshubschrauber zur Verfügung, die Kliniken in Friedrichshafen, Konstanz und Sigmaringen beteiligten sich durch eine Patientenaufnahme und -behandlung an der Vollübung.

 

Inhalte der Übung

Attentäter mit Langwaffen rennen in Richtung Biomarkt. – Foto: Pöppel

Im Rahmen der Übung wurde die gesamte Interventions- und Bearbeitungskette auf den Prüfstand gestellt. Ziel war es, alle Abläufe, vom „ersten Schuss“ – über die Intervention – die Rettung von Verletzten – den Witertransport in Kliniken – bis hin zur Behandlung in mitübenden kliniken, zu erproben. Darüber hinaus stellten die Durchführung von kriminalpolizeilichen Ermittlungen – u.a. durch das LKA BW – sowie die Zusammenarbeit aller Beteiligten auf Stabseben wesentliche Übungsteile dar.

 

Übungsszenario

Wie bereits der Name der Übung verdeutlicht, wurde – unter Wahrung des verfassungsrechtlichen Rahmens für einen Einsatz der Bundeswehr im Innern – ein polizeiliches Einsatzszenario mit terroristischen Hintergrund entwickelt, zu dessen Bewältigung Unterstützungskräfte der Bundeswehr benötigt wurden und aus dem sich Einsatzanlässe für die Einheiten des Bevölkerungsschutzes ergaben. Bei dem inszenierten Terroranschlag, wurden von getrennt agierenden Tätergruppierungen an verschiedenen Örtlichkeiten mit Schuss- und Sprengmitteln Anschlagsszenarien aus geführt, die es von den eingesetzten Kräften zu bewältigen galt.

 

Nachgestellt wurde eine Explosion einer Autobombe in der Konstanzer Innenstadt. Ein lauter Knall Rauch steigt aus dem Pkw auf. Schreibe und Hilferufe sind zu hören. Menschen rennen in Panik umher und versuchen sich irgendwie in Sicherheit zu bringen. Zahlreiche Notrufe gehen bei der Integrieten Leitstelle und bei der Polizeieinsatzzentrale in Konstanz ein. Eine Brandmeldeanlage (BMA) eines Kaufhauses schlägt an und läuft ebenfalls als Alarm in der ILS ein.

Umgehend wird ein Löschzug zur ausgelösten Brandmeldeanlage entsendet. Rettungswagen und Notärzte alarmiert. Weitere Feuerwehrkräfte werden zum brennenden Pkw entsandt. Die Lage in der Anfangsphase „chaotisch“. In der Polizeieinsatzzentrale werden die Meldungen analysiert und geordnet. Polizeikräfte aus Konstanz und aus dem Umland fahren in Richtung Fußgängerzone. Polizei und Feuerwehr, Rettungsdienst treffen ziemlich zeitgleich nach wenigen Minunten ein. Die erste Lage wird vor Ort abgesetzt. Plötzlich fallen Schüsse, die Einsatzkräfte von Feuerwehr und Rettungsdienst müssen sich zum Eigenschutz zurückziehen. Die Polizeikräfte legen ihre Schutzkleidung an und beginnen nach ihrem Terrorkonzept zu arbeiten. Parallel dazu hat die Polizeieinsatzzentrale Spezialkräfte (MEK/SEK) angefordert. Ein bereitstehender Polizeihubschrauber in Göppingen verlegt die ersten Kräfte per Lufttransport nach Konstanz. Ein Polizeihubschrauber fliegt zwischen 210 – 240 km/h. Weitere Spezialkräfte werden über den Landweg nachgeführt.

Das Lagebild in „Konstanz“ – Schwerverletzte liegen auf den Straßen. Menschen rennen umher, stehen unter Schock, sind verwirrt. Andere versuchen sich in Sicherheit zu bringen. Attentäter laufen mit Langwaffen umher und schießen. Beim Eintreffen der ersten Polizeikräfte verschanzt sich eine Gruppe der Täter in einem Bioladen.

Die Rettungskräfte von DRK und Feuerwehr können die herumliegenden Schwerverletzten nicht versorgen, weil sie sich dadurch selbst in Gefahr bringen würden. Von der Bundeswehr in Stetten am kalten Markt werden gepanzerte Fahrzeuge angefordert. Hier der Sanitätspanzer „Boxer“, der speziell gepanzert ist und eine sichere Aufnahme der Verletzten durch die Heckklappe sicherstellen kann. Mit dem Panzer „Fuchs“ können mobile Personen aus dem Gefahrenbereich evakuiert werden.

Polizeibeamte in der persönlichen Schutzausrüstung ür Amok- und Terrorlagen

Für die Polizeibeamten, die mittlerweile ihre persönliche Schutzausrüstung für Amok- und Terrorlagen angelegt haben geht es nun in den Gefahrenbereich (Rote Zone). Als die Polizeibeamten von den verstörten Bürgerinnen und Bürger erkannt werden, rennen sie auf sie zu. Dies ist für die eingesetzten Beamten eine akute Gefährdung, denn es könnten sich auch unter diese Menschen gezielt Attentäter mischen.

Die ersten Spezialkräfte (MEK/SEK), die vom Hubschrauber abgeseilt wurden, versuchen sich einen Überblick zu schaffen. Sie können eine Gruppe von Attentätern im Bioladen ausmachen und sichern diese. Auch hier gibt es Tote und Verletzte. Nach wie vor ist nicht klar wie viele Attentäter noch im Bereich sind. Immer wieder Schüsse.

Weitere Kräfte der Spezialkräfte treffen vor Ort ein, ebenso die Bundeswehr mit ihren Panzern. Im Schutz der Panzer werden Betroffene evakuiert. Sie werden von den Kräften der Polizei und Bundeswehr in einen sicheren Bereich Bereich verbracht und dann den Rettungskräften übergeben und an die Verletztensammelstelle verbracht, die mittlerweile eingerichtet worden ist. Die Bundeswehr schützt diese Stelle, um zu verhindern, dass Attentäter dort einen Zweitschlag durchführen können. In der Konstanzer-Fußgängerzone wird weiter nach Attentätern und Sprengfallen gesucht. Hier kooperieren Polizei und Bundeswehr.

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Sichtungszelt in der Verletztenbehandlungsstelle. – Foto: Pöppel

In der Verletztensammelstelle werden die Betroffenen und Verletzten gesichtet und registriert und je nach Verletzungsgrad in Behandlungszelte verteilt. Hier kümmern sich Ärzte und Sanitätspersonal um die Wunden. Im Rahmen einer „Triage“ werden die Verletzten je nach der Schwere ihrer Verletzungen in sofort oder zeitversetzt in Kliniken verbracht. Für den

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Verbringung eines Patienten in den SAR-Hubschrauber. – Foto: Pöppel

Transport stehen ausreichend Rettungsmittel in Form von Rettungswagen, Krankentransportwagen und Rettungshubschraubern zur Verfügung. Werden Patienten von der Sammelstelle in Kliniken verlegt wird dies dokumentiert und das in zweifacher Weise – die Sanitätseinheit dokumentiert die Übergabe und Verlegung und auch die Polizei.

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Kriminaltechniker beginnen mit der Spurensicherung. – Foto: Pöppel

Nachdem die Konstanzer Innenstadt gesichert ist, beginnen die Arbeiten der Kriminaltechnik. Spuren an den explodierten Fahrzeugen werden gesichert. Tote müssen identifiziert werden. Eine Mammutaufgabe für die Kriminalpolizei.

 

 

 

Hier die Bilder des Tages

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Fazit des Beobachters:

Vieles der Arbeit und der Einsatzmöglichkeiten von Polizei, Bundeswehr und BOS-Einheiten blieb im Verborgenen. Man zeigte das was man zeigen wollte. Probleme gab es in ersten Statements nicht. Unter vorgehaltener Hand wurde aber berichtet es gab sie – in der elektrischen Infrastruktur und auch im Digitalfunk, mit dem die Übungsleitung arbeitete. Auch die zeitlichen Abläufe waren sehr komprimiert und hatten mit der Realität nicht viel zu tun. Aber gerade dieser Punkt ist in Übungen schwierig darzustellen. Eins dürfte nach dieser Übung klar sein, die Einsatzkräfte vor Ort sind in großer Gefahr und Eigenschutz geht vor. Auch wenn man Verletzten helfen will, in diesem Fall geht das nur, wenn die Polizei grünes Licht gibt. Ansonsten muss man von außen zuschauen und Geduld haben.