Zeugnis – Kein Kind schreibt gerne schlechte Noten

-

Print Friendly, PDF & Email

ZeugnisAnlässlich der Vergabe der Zwischenzeugnisse am vergangenen Freitag in Baden-Württemberg und diesen Freitag, 13.02.2015,in Bayern, hat der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, an alle Eltern appelliert, verständnisvoll und gelassen damit umzugehen – „auch wenn das manchmal schwer fällt.“ Wenn das Zeugnis nicht den Erwartungen entspreche, sei der Tag besonders schwierig. „Im Raum stehen die Klassenwiederholung oder gar ein Schulwechsel.“ Für viele Kinder bedeuteten schlechte Noten auch wochenlanges zusätzliches Lernen in privaten Nachhilfeinstituten. Besonders unter Druck gerieten Grundschulkinder vierter Jahrgangsstufen. „Wenn sich vermuten lässt, dass die Noten für den Besuch eines Gymnasiums nicht reichen, geraten viele Eltern in Panik“. Es sei nicht einfach, ihnen diese Ängste zu nehmen und ihnen Mut zu machen, denn sie wollten für ihr Kind nur das Beste, räumte Wenzel ein. Die in diesem Schuljahr neu eingeführten „Lernentwicklungsgespräche“ in ersten bis dritten Grundschulklassen seien eine Chance, die Situation zu entkrampfen. Lehrkräfte und Eltern hätten nun erste Erfahrungen damit gemacht. Diese gelte es, genau zu analysieren. Sinnvoll wäre es, das Angebot auf andere Schularten und Jahrgänge auszudehnen. Derzeit sind Lernentwicklungsgespräche ein freiwilliges Angebot an Grundschulen. Eines sei jetzt schon deutlich geworden: „Die Lehrerinnen und Lehrer, die solche Gespräche anbieten, brauchen erheblich mehr Zeit, denn der damit verbundene Aufwand ist enorm.“   

Lernentwicklungsgespräche könnten neue Formen des Umgangs zwischen Eltern, Schülern und Kindern ermöglichen. Deshalb hatte sie der BLLV grundsätzlich begrüßt. „Gespräche befördern zudem den Dialog. Sie können helfen, den zum Teil unerträglichen Druck, der auf Kindern und Eltern lastet, abzubauen“, sagte Wenzel. Langfristig sollten auch alle Schülerinnen und Schüler davon profitieren. Andererseits dürfte ein solches Angebot nicht dazu führen, dass Lehrerinnen und Lehrer noch mehr belastet werden.

Als punktuelle Neuerung könnten Lernentwicklungsgespräche auch nicht darüber hinweg täuschen, dass der Druck, der auf Familien und Kindern laste, unverändert groß sei: „Schulbiografien entscheiden über Partizipation und Lebenschancen. Je mehr es Müttern und Vätern gelänge, gelassen und unaufgeregt mit schlechten Noten und Bewertungen umzugehen, umso größer die Aussicht auf Erfolg. „Kinder, die wissen, dass sie unabhängig von ihren Leistungen rückhaltlos geliebt werden, können Selbstbewusstsein entwickeln“, erklärte der BLLV-Präsident. Das bedeute nicht, Lernunlust oder Nachlässigkeiten zu akzeptieren – es bedeute vielmehr, konstruktiv damit umzugehen. „Wenn Grundschulkinder die Lust am Lernen verlieren, hat dies Gründe. Jedes Kind lernt gerne und fast alle Kinder freuten sich zu Beginn der ersten Klasse auf die Schule.“ Diese Gründe müssten herausgefunden werden – am besten im gemeinsamen Gespräch mit der Lehrkraft oder auch mit anderen Eltern.

 „Eltern sollten sich vor Augen führen, dass kein Kind gerne schlechte Noten schreibt“, sagte Wenzel. Sie könnten versuchen, ihrem Kind zu helfen: „Es gibt z.B. Strategien der Stressbewältigung, die schon Kinder lernen können.“ Schülerinnen und Schüler profitierten auch sehr davon, mit Gleichaltrigen zu lernen. Manchmal erübrige sich dadurch bereits die Nachhilfe. Ein ruhiger und besonnener Umgang mit allen Angelegenheiten, die Schule betreffen, könne auch sehr hilfreich sein und aufgeregte Kinder beruhigen.

Umgekehrt dürften gute Noten im Zwischenzeugnis nicht einfach so zur Kenntnis genommen werden. „Die meisten Schülerinnen und Schüler haben hart dafür gearbeitet und freuen sich über Anerkennung und Lob.“  

Grundsätzlich jedoch müsse das Schulsystem und die Art, wie Kinder in ihm lernen müssen, kritisch hinterfragt werden. „Ein Schulsystem, das vielen Kindern Stress macht, das sie in Ängste und Blockaden treibt, kann nicht pädagogisch, es kann auch nicht kindgerecht sein.“ Schule müsse vielmehr fördern, unterstützen und ein positiv besetzter Lebensraum sein – ein Ort, an dem sich alle Kinder wohl fühlen und sich angstfrei entfalten könnten.