Wie sieht es während der Krise für die Spielbanken aus?

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Rien ne va plus, nichts geht mehr: Der wohl bekannteste Ausspruch aus der Glücksspielwelt ist während der Coronakrise mehr als zwei Monate lang für Deutschlands 65 staatliche Spielbanken zur bitteren Wahrheit geworden. Nicht nur die Roulettekugeln durften nicht mehr rollen. Doch selbst nach der Wiedereröffnung von Geschäften und Unterhaltungseinrichtungen sieht es düster aus für die einst so lukrative Glücksspielbranche, die noch im vergangenen Jahr insgesamt einen Umsatz von insgesamt 46 Milliarden Euro weltweit gemacht hat. Allein die Lotteriesteuer brachten dem deutschen Staatssäckel dabei rund 1,5 Milliarden Euro ein.

In den Casinos der Bundesrepublik, die noch zur Jahreswende zu den begehrten Eventeinrichtungen zählten, bei dem außer dem Spiel in eleganter Umgebung auch Konzerte, erstklassige Gastronomie und Feiern aller Art auf dem abwechslungsreichen Programm standen, stehen die Roulette-Kessel weiterhin still. Alle Locations der landbasierten Casinos in Deutschland kann im Internet gefunden werden. Sicherheitsabstände zwischen den Zockern haben dazu geführt, dass das Tischspiel, das nicht nur die Gäste in Niedersachsens Kurstädten zum abendlichen Vergnügen in die Casinos gelockt hat, weiterhin ausfällt.

Gespielt werden kann an den Automaten, aber die machen den Verlust an Flair in fast leeren Räumen nicht wett, vor allem, weil die Spieleauswahl im Online-Casino mindestens genauso groß ist und das ohne Anfahrt und Ansteckungsgefahr. Zudem darf nur jeder zweite Automat überhaupt in Betrieb sein. Berichtet wird von einer möglich baldigen Erscheinung eines Impfstoffs gegen Coronavirus, aber viele Händler in Stadtzentren müssen erst abwarten, bis alles dank einem Impfstoff wie gewohnt laufen kann.

Der große Unterschied zwischen den landbasierten Spielbanken und den virtuellen Casinos ist damit durch die Pandemie weggefallen. In den zwei Monaten, in denen Spieler ausschließlich privat oder online zocken konnten, haben sie zudem kennengelernt, was den Reiz beim Online-Spiel ausmacht.

Noch bewegen sich Online-Casinos in Deutschland zwar in einer legalen Grauzone, weil sie in der Bundesrepublik außer in Schleswig-Holstein verboten sind, etliche EU-Länder aber Konzessionen erteilt haben. Mit dem Inkrafttreten des neuen deutschen Glücksspielländerstaatsvertrag am 1. Juli 2021 wird sich das ändern. Dann dürfen die Deutschen ganz legal in von der Bundesregierung genehmigten Online-Casinos zocken. Zu deren Überwachung und Regulierung ist eine eigene Aufsichtsbehörde geplant. Für die Spieler bedeutet das endlich Rechtssicherheit sowie ein Augenmerk auf den Jugendschutz und die Vermeidung von Suchtgefahr, und für die Länder erschließen sich damit neue Einnahmequellen, weil die anfallenden Steuern im Online-Casino dort abgeführt werden, wo die Konzession erteilt wurde.

Für die derzeitigen staatlichen Casinos vom traditionsreichen Baden-Baden, das noch immer als eine der schönste und elegantesten Spielbanken Europas gilt, bis zum romantischen Casino Bad Zwischenahn bedeutet das noch mehr Konkurrenz.

Wie in anderen Bereichen im Alltag auch hat sich in der Coronakrise vieles in Richtung Online bewegt. Für zahlreiche Bundesbürger, denen es vorher nicht eingefallen wäre, statt zum Einzelhändler ins Internet zu gehen, sind die Einkäufe per Wischen und Klicken und das Zahlen mit Karte mittlerweile fast schon zum Standard geworden.

Die Einzelshandelsbranche hat das schmerzhaft zu spüren bekommen. Die Rückkehr der Stöberer in den Läden und Einkaufszentren hat sich in den Kassen bei weitem nicht so positiv bemerkbar gemacht wie zuvor gehofft.

Für die Casinos, deren Stammklientel von vornherein zu jenen Gruppen gehört hat, die auf Geselligkeit in stilvollem Rahmen und einen Abend in eleganter Kleidung Wert legen, kann das Umdenken in punkto Vergnügen zum echten Problem werden.

Bei einer Untersuchung aus dem Jahr 2016 war der größte Anteil bei Glücksspielern mit 41,4 Prozent in der Altersgruppe der 36- bis 45-Jährigen zu finden. Bei den 46- bis 55-Jährigen zockten 37,3 Prozent der Befragten gelegentlich oder regelmäßig. In der Altersgruppe 56 bis 70 Jahre waren es kaum weniger, nämlich 38,1 Prozent.

Unter den 18- bis 20-Jährigen und 21-25-Jährigen, die mit Online-Spielen auf dem Tablet, PC oder dem Handy groß geworden sind, waren es hingegen nur 31,9 beziehungsweise 34,8 Prozent.

Je älter die Stammgäste sind oder waren, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie an die alten Stätten zurückkehren werden, sobald diese in ihrer ursprünglichen Form wieder geöffnet sind. Doch jeder Zocker, der sich an die Bequemlichkeit und allzeitige Verfügbarkeit von Poker, Roulette, Blackjack und Slots aller Art im Online-Casino gewöhnt hat, ist mit Pech für die gebeutelten herkömmlichen Casinos verloren.

Dabei hatte die Branche bereits in den vergangenen Jahren zu kämpfen, um gegen die Flut von neuen Unterhaltungsmöglichkeiten online anzukommen. Neue Ideen, modernisierte Häuser und ein umfangreiches Unterhaltungsangebot hatten die Besucherzahlen wieder stabilisiert. Allein im vergangenen Jahr verzeichneten die deutschen Spielbanken rund 6,4 Millionen Besucher – im Vergleich zum Vorjahr ein Plus von 13,21 Prozent. Doch dann kam die Pandemie, die möglicherweise das Ende für etliche Traditionshäuser bedeutet.

Deutschlands Nachbarländer sind ebenfalls betroffen, haben aber andere Grundvoraussetzungen. In Österreich, wo Online-Casinos schon länger erlaubt sind, gehören die virtuellen Glücksspieleinrichtungen einer Tochtergesellschaft der staatlich regulierten Casino Austria Gruppe. Damit fließen sowohl die Online-Einnahmen wie auch die Umsätze aus den Landcasinos im Endeffekt in die gleiche Kasse. Auch in der Schweiz wurden die meisten Konzessionen fürs Online-Spiel an die Betreiber von landbasierten Spielbanken erteilt.

Wer in Deutschland ab dem Sommer 2021 Online-Casinos betreiben wird, steht noch in den Sternen, genau die Frage, für welches Casino es mit Pech bald endgülig heißen wird: Rien ne va plus. Nichts geht mehr.

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