Zwischen Trübsal und Delirium: FC Bayern vor dem zehnten Titel in Serie

-

Print Friendly, PDF & Email

Trostpreis Meisterschaft? Der FC Bayern kann den zehnten Titel in Serie holen, doch die große Euphorie mag in München vor dem Duell der Enttäuschten nicht aufkommen.
München (SID) Uli Hoeneß kann sich noch gut an seine Zeiten als Spieler und Manager erinnern. „Als deutscher Meister, Mann, da warst du eine Woche im Delirium!“, erzählte er. Dieser Titel sei „immer das Maß aller Dinge“ gewesen. Und jetzt? „Ich ärgere mich, dass die Meisterschaft im Außenwert so runtergekommen ist. Kein Mensch freut sich“, sagte der Ehrenpräsident des FC Bayern der SZ.
Dass sich keiner freuen wird, wenn die Münchner am Samstag (18.30 Uhr/Sky) ausgerechnet gegen Erzrivale Borussia Dortmund ihren zehnten Titel in Serie holen, ist sicher übertrieben. Doch große Euphorie mag vor dem Duell der Enttäuschten in der Tat nicht aufkommen. 
Dass die Meisterschale eine Art Trostpreis für die seit dem Champions-League-Aus schwer angeschlagenen Bayern ist, will sogar Trainer Julian Nagelsmann nicht ganz von der Hand weisen. „Die letzten zwei Wochen trüben das Stimmungsbild“, gestand Nagelsmann, es gebe „viele Dinge, die mich beschäftigen und meine Euphorie ein bisschen runterdrücken“.
Die vielen Debatten, etwa um die Vertragsverlängerungen einiger Führungsspieler, hätten Spuren hinterlassen. Seinen Stars um Torjäger Robert Lewandowski gab Nagelsmann deshalb mit, dass auch sie „einen Tick zu viel“ zu all der Unruhe beigetragen hätten.
Und dennoch: Wenn so eine Meisterschaft „Normalität“ werde, betonte der Bayern-Coach, „muss man sich einen neuen Job suchen“. Auch Vorstandschef Oliver Kahn sprach von einer „großartigen Möglichkeit. Das hat noch keine Mannschaft in Europa geschafft. Da werden wir alles reinwerfen.“
Nagelsmann kündigte „Vollgas“ an. Auf dem Platz – und auch nach dem Klassiker, wenn die riesigen Weißbier-Gläser für die Feier bereit stehen. Er sei „offen für alles, auch für eine Bierdusche“, sagte Nagelsmann und ergänzte mit einem Lächeln: „Ich habe mal gelesen, dass eine Bierkur für die Haare ganz gut sein sollte…“
Für Nagelsmann wäre es die Premiere – für die Bayern der Mindestauftrag. Zumal die hohen Ziele in Königsklasse und DFB-Pokal deutlich verfehlt wurden. Immerhin winkt ein Rekord: Noch nie wurde ein Klub in den fünf europäischen Top-Ligen zehnmal hintereinander Meister.
Diesmal ist die Gelegenheit vor 75.000 Zuschauern in der Arena und Millionen an den Bildschirmen besonders verlockend, gegen den großen Konkurrenten ein Zeichen zu setzen und die Machtverhältnisse im deutschen Fußball zu unterstreichen. Er hoffe, sagte Nagelsmann, „dass die Spieler sich darauf freuen und entsprechend motiviert sind“.
Er selbst werde auf jeden Fall „alles geben, dass es schon am Samstag gelingt. Wie groß dann die Emotionen ausfallen, ist vorher schwer zu sagen.“ Zumindest sei der „Rahmen sehr würdig“.
Auch das wohl letzte und viel beachtete Bundesliga-Duell der Top-Stürmer Lewandowski und Erling Haaland passt da gut hinein. Im direkten Vergleich liegt der Münchner mit 8:5 Toren vorne. Spektakel scheint ohnehin garantiert: Es treffen die beiden besten Sturmreihen aufeinander (89:76 Tore), in neun der jüngsten zehn Liga-Duelle fielen mindestens vier Treffer.
Das bessere Ende hatten zuletzt fast immer die Münchner. Zu Hause sowieso, wo sie die letzten sieben Klassiker bei 30:5 Toren gewannen. Am Samstag könnte zudem der achte Pflichtspielsieg in Serie folgen – Titel inklusive.
Wenn er die „Salatschüssel“ nicht holen würde, meinte Nagelsmann, „wäre ich hier nicht mehr Trainer“. Schließlich arbeite er für den stets hoch ambitionierten FC Bayern – und nicht „bei der freiwilligen Feuerwehr Süd-Giesing“.
Die insgesamt 32. deutsche Meisterschaft für die Bayern können die Dortmunder bei neun Punkten Rückstand wohl nicht mehr verhindern – Partycrasher wäre der ersatzgeschwächte BVB aber allzu gerne. Das, sagte Trainer Marco Rose, „ist die Aufgabe, das ist das Ziel“.
SID tn mm rd

© 2008-2022 Sport-Informations-Dienst