Cherson (dts Nachrichtenagentur) – Die unabhängige Ermittlungsorgansiation „Conflict Intelligence Team“ (CIT) aus Russland hält den Bruch des Kachowka-Staudamms in Cherson am Dienstag für einen Unfall. Wahrscheinlich sei der Damm nicht durch Beschuss, sondern durch „kriminelle Fahrlässigkeit der russischen Streitkräfte“ zerstört worden, heißt es in einem am Mittwochabend veröffentlichten Bericht. Die Organisation hat den Vorfall mithilfe öffentlich zugänglicher Quellen untersucht: durch den Vergleich von Sentinel-, Planet- und Maxar-Satellitenbildern seit Herbst 2022.
Diese zeigten Ende letzten Jahres zwei Portalkräne, die mehrfach umgestellt und schließlich seit dem 15. November 2022 nicht mehr bewegt worden seien. Daraus schließt die Organisation, dass die russischen Streitkräfte den Wasserstand im Stausee seit diesem Tag nicht mehr reguliert hätten. Auf einem Bild vom 28. Mai seien die Kräne in denselben Positionen zu sehen und der Wasserabfluss laufe wie schon im November. Auf diesen Bildern sei auch die zerstörte Zugangsstraße zu sehen, bis zum 4. Juni habe sich das daraufhin entstandene Erdloch ausgeweitet. So komme man zu dem Schluss, dass sich die Schäden am Damm über einen langen Zeitraum angesammelt hätten und nicht an einem einzigen Tag durch Sabotage entstanden seien. Infolge der kumulierten Schäden sei der Damm in der Nacht vom 5. auf den 6. Juni zusammengebrochen, heißt es weiter. Dies sei in mehreren Etappen geschehen: Zunächst habe das Wasser den Damm im Bereich der geöffneten Überlauftore durchbrochen, daraufhin sei ein Teil der Hauptgeneratorhalle unter dem Druck des Wasserstroms eingebrochen. Zu Beginn des Jahres kam es laut der Organisation zu einem starken Rückgang auf ein ungewöhnlich niedriges Niveau: gefolgt von einem ebenso starken Anstieg auf ein Rekordhoch im Juni 2023, was auf Frühjahrshochwasser und Regenfälle zurückzuführen sei. Bemerkenswert sei auch, dass die letzte Woche vor dem Dammbruch regnerisch gewesen sei. Auf diese Situation hätten bereits mehrere Veröffentlichungen aufmerksam gemacht. Im Februar 2023 habe das US National Public Radio (NPR) unter Berufung auf Satellitenbilder erklärt, dass Russland den Kachowka-Stausee trockenlegt, was eine Gefahr für die Sicherheit des Kernkraftwerks „Saporischschja“ sowie für die Wasserversorgung mehrerer Siedlungen und landwirtschaftlicher Betriebe darstelle. Der Wasserstand hätte den niedrigsten Stand der letzten drei Jahrzehnte erreicht, so CIT. Die russischen Behörden, die diese Städte kontrollieren, hätten das Problem ignoriert. Im April habe Roman Tkachuk, Leiter der Abteilung für kommunale Sicherheit der Kiewer Stadtverwaltung, erklärt, dass das Wasserkraftwerk Kachowka „nicht mit voller technischer Kapazität arbeitet“, was die Aufrechterhaltung des Wasserstands im Fluss Dnipro erschwere und in Verbindung mit der Schneeschmelze und starken Regenfällen zu Überschwemmungen in Kiew geführt habe. Man sei der Meinung, dass die Schuld dennoch eindeutig bei Russland liege, selbst wenn es nicht durch vorsätzliche Sabotage zum Dammbruch gekommen sei, so das CIT. Das Land sei für den Schutz der Infrastruktur des besetzten Gebiets verantwortlich. So sei der Unfall entweder durch kriminelle Untätigkeit allein (was nach russischem Strafrecht als vorsätzliche Handlung gelte) oder in Verbindung mit der Zerstörung der Straße, die durch den Damm führte, verursacht worden. Deren Schaden sei im November entstanden, als sich die russischen Streitkräfte vom rechten Ufer des Dnipro zurückzogen.
Foto: Wasser, über dts Nachrichtenagentur