Europas Linke wollen Reform des Euro-Stabilitätpakts

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Brüssel (dts Nachrichtenagentur) – Die europäische Linke sieht sich durch die Corona-Pandemie bestätigt in ihrer Forderung nach einer grundlegenden Reform des Stabilitäts- und Wachstumspakts. „Die EU-Kommission hat durch ihre Eingriffe in die Haushaltsautonomie der Mitgliedstaaten die Krise verschärft“, sagte Martin Schirdewan, Co-Chef der Linkenfraktion im Europaparlament, der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagsausgabe). Er stützt seinen Angriff auf eine 70-seitige Studie, die am Dienstag veröffentlicht wird.

Sie hält fest, dass die Kommission von den Mitgliedern der Eurozone zwischen 2011 und 2018 in den „länderspezifischen Empfehlungen“ insgesamt 63 Mal „Ausgabenkürzungen“ oder „Privatisierungen im Gesundheitswesen“ forderte. In dieser Zahl sind jedoch nicht die strengen Sparauflagen für jene Länder enthalten, die wie Griechenland, Spanien oder Portugal während der Schuldenkrise unter den Rettungsschirm schlüpfen mussten. Von Spanien und Italien, wo besonders viele Covid-19-Infektionen auftraten, hätten die EU-Beamten in jedem Jahr verlangt, „in allen Bereichen“ zu kürzen. Schirdewan sieht Europa am Scheideweg zwischen Solidarität und Austerität und fordert vor der im Juli beginnenden EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands einen Kurswechsel. „Dass die Bundeskanzlerin die Einführung von Corona-Bonds ablehnt, ist kein Ausdruck von europäischer Solidarität“, klagt er und erinnert daran, dass kein EU-Land so vom Binnenmarkt profitiere wie Deutschland. Es gelte nicht nur, europaweit ins Gesundheitswesen zu investieren, sondern auch die Folgen der Pandemie zu bewältigen, die Arme und Rentner besonders treffe. „Leider ist Deutschlands größter Exportartikel für Europa Stagnation“, sagte der Linken-Politiker. Schirdewan beklagt „eine Politik der doppelten Standards“: Für die Bewältigung der Corona-Pandemie werde der „Fetisch der schwarzen Null“ aufgegeben, den man den anderen EU-Staaten aufgezwungen habe, deren Wirtschaften unter der deutschen Exportstärke gelitten hätten. In den nächsten Monaten will sich EU-Währungskommissar Paolo Gentiloni mit den nationalen Parlamenten und Regierungen beraten. Dass der italienische Sozialdemokrat Investitionen für erneuerbare Energien, Infrastruktur oder Umweltschutz von der Berechnung der Schuldenquote ausnehmen will, freut Schirdewan. Doch er weiß, dass es vor allem auf Gentilonis Chefin ankommt: „Mir ist unklar, welchen Weg Ursula von der Leyen einschlagen will.“ Die Kommission müsse den Schalter umlegen „weg von einer Politik der irrigen Annahme, wonach Sparen zu Wachstum führe“ hin zu einer gerechteren Politik, die allen in der Gesellschaft nutze, fordert er.

EU-Parlament in Straßburg, über dts Nachrichtenagentur
Foto: EU-Parlament in Straßburg, über dts Nachrichtenagentur