Stiftung Organtransplantation kritisiert Organspende-Gesetzentwürfe

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Berlin (dts Nachrichtenagentur) – Vor der Bundestagsentscheidung über eine Neuregelung der Organspenden sieht der medizinische Vorstand der Deutschen Stiftung Organtransplantation, Axel Rahmel, bei beiden zur Wahl stehenden Gesetzentwürfen einen gravierenden Mangel. „Die Autoren berücksichtigen die konkrete Situation auf den Intensivstationen bei möglichen Organspendern nicht hinreichend“, sagte Rahmel der „Welt“ (Dienstagsausgabe). Es sei nötig, dass eine entsprechende Änderung „noch nachträglich an demjenigen Entwurf vorgenommen wird, den der Bundestag beschließt“.

Der Bundestag wird am Donnerstag in einer Abstimmung ohne Fraktionszwang über zwei Entwürfe fraktionsübergreifender Abgeordnetengruppen abstimmen. Die eine Gruppe um Grünen-Chefin Annalena Baerbock will die bisherige Zustimmungslösung beibehalten – Organspender ist man demnach nur bei ausdrücklicher Willenserklärung – aber die Anlässe zur Beschäftigung mit dem Thema stark ausbauen. Die andere Gruppe um Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) fordert eine doppelte Widerspruchslösung. Bei ihr gilt jeder zunächst als potenzieller Organspender, sofern er oder sie nicht ausdrücklich widerspricht oder die Angehörigen im Fall des Hirntods die Organentnahme nicht ausdrücklich anhand eines mutmaßlichen Patientenwillens ablehnen. Beide Entwürfe fordern die Einführung eines elektronischen Organspenderegisters, in dem die jeweiligen Willenserklärungen hinterlegt sind und bei der Entscheidung über eine Organentnahme eingesehen werden können. Aber nach Ansicht von Rahmel haben beide Entwürfe den entscheidenden Fehler, dass die Einsicht in jenes Register erst dann erfolgen soll, wenn der Hirntod des Patienten bereits festgestellt worden ist. „Das widerspricht einer Berücksichtigung der elementar wichtigen Patientenautonomie und zudem der gelebten Praxis in der Intensivmedizin“, so Rahmel. Erforderlich sei die Einsicht ins Register schon in einer früheren Phase, „wenn keine Aussicht mehr auf Heilung eines Patienten besteht und der irreversible Hirnfunktionsausfall vermutet wird oder unmittelbar bevorsteht“. Schon in dieser Phase müssten Ärzte entscheiden, ob sie die Therapie sofort beenden und den Patienten versterben lassen – etwa anhand der Patientenverfügung – oder die Beatmung bis zum tatsächlichen Hirntod und der dann möglichen Organentnahme weiterlaufen lassen. Es sei „wichtig zu wissen, dass eine Organspende zumindest eine zeitlich befristete Intensivtherapie mit Beatmung voraussetzt“. Deshalb müsse die Bereitschaft zur Organspende oder aber deren Ablehnung den Medizinern bereits vor dem Hirntod bekannt sein. Denn, so Rahmel: „Zu diesem Zeitpunkt muss entschieden werden, ob eine Weiterführung intensivmedizinischer Maßnahmen bis zur Feststellung des Todes durch den Nachweis des irreversiblen Hirnfunktionsausfalls vom Patientenwillen gedeckt ist.“ Falls es keine Patientenverfügung gebe, in der nicht schon die Entscheidung in Bezug auf eine mögliche Organspende dokumentiert ist, würde es in jener Phase nach Ansicht von Rahmel allein die Auskunft des Registers bezüglich der Organspendebereitschaft ermöglichen, den Patientenwillen zu berücksichtigen. Nur dann könne die Therapie in jener Phase so durchgeführt werden, wie es der Patient wollte. Nämlich mit Beatmung bis zum Hirntod beim Willen zur Organspende – oder aber Therapieabbruch, wenn keine Organspende gewollt wird. Daher fordert Rahmel, in die am Donnerstag zu verabschiedenden Gesetzentwürfe den früheren Einblick in das Organspenderegister noch einzufügen.

Organspendeausweis, über dts Nachrichtenagentur
Foto: Organspendeausweis, über dts Nachrichtenagentur