Schülerinnen und Schüler der Staatlichen Realschule verlegen Stolpersteine – Professor Michael von Cranach stellt Schicksale der Opfer vor
115 „Stolpersteine“ erinnern in Memminger Straßen bereits an Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft. Weitere Gedenksteine, vor allem für Opfer von „NS-Euthanasie“, also von Morden der Nationalsozialisten an Kranken, Patienten der Psychiatrie und Menschen mit Behinderung, wurden nun auf Einladung des Vereins „Stolpersteine in Memmingen“ von Schülerinnen und Schülern der Staatlichen Realschule verlegt. „Ich freue mich ganz besonders, dass junge Menschen Verantwortung übernehmen und das Gedenken an diese dunkle Zeit unserer Geschichte aufrechterhalten“, würdigte Schirmherr Oberbürgermeister Manfred Schilder. Die 7. Verlegung von Stolpersteinen in Memmingen wurde geleitet von Helmut Wolfseher, dem langjährigen Vorsitzenden des Vereins „Stolpersteine in Memmingen“.
In Professor Michael von Cranach stellte einer der wichtigsten Experten zur Euthanasie im Nationalsozialismus die Schicksale der Memmingerinnen Marie Stetter (Gedenkstein in der Herrenstraße 3) und Martha Zettler (Lindauer Str. 28) vor, die in den 1940er Jahren in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Kaufbeuren ermordet worden waren. Stand in der Krankenakte der Patienten der Kaufbeurer Anstalt „zu nichts zu gebrauchen“, kam der Eintrag einem Todesurteil gleich, erklärte Michael von Cranach. Viele wurden im so genannten „Hungerkostprogramm“ ermordet. Der Psychiater Michael von Cranach war von 1980 bis 2006 Ärztlicher Direktor des Bezirkskrankenhauses Kaufbeuren und leistete durch seine Forschungen zur Geschichte der Klinik einen erheblichen Beitrag zur Aufarbeitung der Rolle der Psychiatrie während des Nationalsozialismus in Deutschland.
Gepflegt werden die Stolpersteine, die eine in Messing eingravierte Inschrift tragen, unter anderem von Schülerinnen und Schülern der Staatlichen Realschule, die dazu eine Patenschaft übernommen haben. Schulleiter Jörg Link, Geschichtslehrer Simon Stein, die Neuntklässlerin Romy Heinrich und die Zehntklässler Kim Güthler und Niklas Reißner begleiteten die Verlegung. Die Jugendlichen versenkten den Stein in den vom Bauhof vorbereiteten Mulden im Gehsteig, sie verlasen die Lebensgeschichten der Opfer und legten Blumen nieder.
In der Ulmer Straße 17 wurde ein Gedenkstein für Anna Feiner verlegt, die 1941 ermordet worden war. Ihr Neffe, Stadtrat a.D. Erich Feiner, nahm mit Familienmitgliedern an der Verlegung teil. Auch bei der Verlegung eines Gedenksteins für Karl Metzeler, die bereits einige Tage zuvor mit OB Manfred Schilder und Staatssekretär Klaus Holetschek Im Dickenreis 11 erfolgt ist, nahmen in Familie Renz Angehörige teil. Karl Metzeler war im Alter von 28 Jahren 1940 ermordet worden. Zum Gedenken an die Opfer verlas Egon Sterzer vom Verein „Stolpersteine in Memmingen“ an jeder Verlegestelle einen Psalm. Für Josef Hirt, der 1943 wegen kleinen Diebstählen wie dem Erschwindeln einer Kleiderkarte hingerichtet worden war, wurde in der Schwesterstr. 16 ein Stolperstein verlegt.
Die einzelnen Schicksale der NS-Opfer wurden in Memmingen erforscht vom Vereinsvorsitzenden Helmuth Wolfseher sowie von Vorstandsmitglied und Geschichtslehrer am Bernhard-Strigel-Gymnasium, Dr. Thomas Epple, teilweise in Zusammenarbeit mit Schülerinnen und Schülern des BSG.