Günzburg | Legoland-Unfall abgeschlossen – Amtsgericht Günzburg erlässt Strafbefehle

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Die Staatsanwaltschaft Memmingen hat die Ermittlungen in Zusammenhang mit dem Zusammenstoß zweier Züge der Achterbahn „Feuerdrache“ im LEGOLAND Günzburg abgeschlossen. Das Amtsgericht Günzburg hat gegen einen 56-jährigen und einen 34-jährigen Angestellten des LEGOLANDs Günzburg auf Antrag der Staatsanwaltschaft Strafbefehle wegen fahrlässiger Körperverletzung in 29 tateinheitlichen Fällen erlassen. Gegen die Angeklagten wurden Geldstrafen im mittleren bzw. niedrigen vierstelligen Euro- Bereich verhängt.

Die Strafbefehle gehen dabei von folgendem Tatverdacht aus:

Am 11.08.2022 gab es im Bereich der Achterbahn „Feuerdrache“ zunächst aufgrund eines Sensorfehlers eine Betriebsstörung. Diese führte zu einem Stillstand beider Achterbahnzüge, die sich zu diesem Zeitpunkt auf der Bahn befanden. Beide Züge waren mit jeweils 19 Fahrgästen besetzt. Während der eine Zug mit der Nummer 2 kurz vor der Einfahrt in den Ein- und Ausstiegsbereich (Bahnhof) zum Stehen kam, war dies für den anderen Zug mit der Nummer 3 im Innenbereich der Anlage der Fall. In der Folge wurde die Werkstatt des LEGOLANDs über die Störung informiert.

Der 56-jährige Angeklagte war bereits seid mehreren Jahren als Mechaniker im LEGOLAND angestellt. Demgegenüber war der 34-jährige Angeklagte erst seit wenigen Tagen als Techniker dort beschäftigt.

Der 56-Jährige befand sich bei Eingang der Störungsmitteilung in der Werkstatt des LEGOLANDs und erhielt in der Folge die weitere Mitteilung, dass das zuständige Springerteam, das üblicherweise aus einem Mechaniker und einem Elektriker besteht, derzeit nicht verfügbar ist und auch kein zusätzlicher Elektriker für die Störung abberufen werden konnte. Er entschloss sich daher, sich eigenständig mit dem 34-jährigen Angeklagten der Fehlerbehebung anzunehmen.

Die beiden Angeklagten trafen wenige Minuten nach Auftreten der Störung an der Achterbahn ein. Während sich der 56-Jährige zum Hauptbedienpult im Bahnhofsbereich des „Feuerdrachen“ begab, beorderte er den 34-Jährigen als weniger erfahrenen Mitarbeiter an das Bedienpult in Block 04, das sich direkt neben dem stehenden Zug Nummer 2 befand. Die Kommunikation zwischen beiden erfolgte zu diesem Zeitpunkt ausschließlich über Funk.

Zur Beseitigung der infolge des Sensorfehlers, eines sogenannten „Blockfehlers“, eingetretenen Betriebsstörung, stellte der 56-jährige Angeklagte die Steuerung am Hauptbedienpult auf „Handbetrieb“ um, um anschließend eine Quittierung des Fehlers durchführen zu können. Da die Funk-Kommunikation mit dem 34-jährigen Angeklagten nur ungenügend war, wurde durch die beiden Angeklagten abwechselnd an den jeweiligen Bedienpulten der „Handbetrieb“ ein- und ausgeschaltet. Ein Reset des „Blockfehlers“ hätte jedoch ein gleichzeitiges Ein- und Ausschalten des „Handbetriebs“ erfordert. Erst nach mehreren Versuchen war die Steuerung sowohl am Hauptbedienpult als auch am Bedienpult in Block 04 auf „Handbetrieb“ geschaltet.

Nun betätigte der 56-jährige Angeklagte am Hauptbedienpult den Schlüsselschalter „MASTER BLOCK RESET“, während der 34-Jährige zeitgleich am Bedienpult in Block 04 die Taste „Block Reset Block 04“ drückte. So sollte ein Zurücksetzen des Blocks 04 ermöglicht werden. Dies hatte jedoch zur Folge, dass der sich in Block 04 befindliche Zug Nummer 2 aus dem Steuerungssystem gelöscht und in seiner konkreten Halteposition durch die verfügbaren Sensoren auch nicht mehr als existierender Zug auf der Achterbahnstrecke erkannt wurde.

Die Betätigung des „MASTER BLOCK RESET“ darf aufgrund der potenziellen Gefährlichkeit eines existenten, aber nicht im System erkannten sogenannten „Geisterzugs“ nicht durchgeführt werden, wenn sich Personen in den Zügen auf der Bahn befinden. All dies hätten die Angeklagten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt wissen und erkennen können und müssen.

Im Anschluss stellte der 56-jährige Angeklagte die Steuerung zurück in den „Automatikbetrieb“. Aufgrund des durch die beiden Angeklagten „gelöschten“ Zugs mit der Nummer 2, wurde die Strecke nunmehr durch das System als „frei“ erkannt, weshalb sich der Zug Nummer 3 im Innenbereich der Bahn in Bewegung setzte, während der Zug Nummer 2 weiterhin im Stillstand verblieb. In der Folge verließ der Zug Nummer 3 den Innenbereich, fuhr im Außenbereich in den Lift ein, wurde nach oben an den höchsten Punkt der Achterbahn befördert und befand sich sodann im sogenannten „Freilauf“.

Obwohl beide Angeklagte nun hätten feststellen können, dass sich nur der Zug mit der Nummer 3 in Bewegung setzte, betätigte keiner der Beiden den „Not-Halt“, was jedenfalls bis zum Eintritt des Zugs in den „Freilauf“ möglich gewesen wäre. Dies wäre beiden Angeklagten bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt möglich und zumutbar gewesen.

All dies hatte zur Folge, dass der Zug mit der Nummer 3 nach dem „Freilauf“ auf den weiterhin stehenden Zug Nummer 2 ungebremst auffuhr. Insgesamt 29 Insassen, die auf beide Züge verteilt waren, erlitten hierdurch, für die Angeklagten vorhersehbar und vermeidbar, Verletzungen, die sich im Wesentlichen auf Prellungen und Hämatome beschränkten.

Die Staatsanwaltschaft weist ausdrücklich darauf hin, dass bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung für beide Angeklagte die Unschuldsvermutung gilt.