Die Zahl weiblicher Auszubildenden in klassischen Männerberufen steigt. Doch es ist noch Luft nach oben, sagt der IHK-Ausbildungsexperte.
Als Mädchen Industriemechanikerin werden oder als Junge im Hotelfach eine Ausbildung starten – warum eigentlich nicht? Die Zahlen der IHK Schwaben belegen, dass sich Schulabgänger bei der Berufswahl immer weniger von klassischen Geschlechterrollen leiten lassen. „Längst sind Frauen in technischen oder gewerblichen Berufen keine Seltenheit mehr. Ebenso interessieren sich auch Männer verstärkt für Berufe jenseits von Rollenklischees“, berichtet Dr. Christian Fischer, Leiter des Fachbereichs Berufliche Bildung bei der IHK Schwaben. Dazu beigetragen haben auch die bundesweiten Aktionstage „Girls‘ Day & Boys‘ Day“, die am morgigen Donnerstag stattfinden.
Auch im Bereich der IHK Schwaben nehmen zahlreiche Unternehmen am „Girls‘ Day & Boys‘ Day“ teil. Ziel ist es, den Jungen und Mädchen schon ab der 5. Klasse Berufe näher zu bringen, die sie selbst möglicherweise gar nicht in Betracht ziehen – weil sie sie nicht kennen, für „Jungs- oder Mädchenberufen“ halten oder ihnen im persönlichen Umfeld schlichtweg die Vorbilder fehlen. Das soll sich ändern. Wegen der Corona-Krise finden die Angebote im Rahmen des „Girls‘ & Boys‘ Day“ in diesem Jahr ausschließlich digital statt. Unternehmen stellen Ihre Berufsbilder in den Klassen virtuell vor. „Vor allem die Mädchen können sich so untereinander und unterstützt durch weibliche Vorbilder über diverse Berufsbilder austauschen, die in ihren Köpfen vielleicht noch eher männlich geprägt sind“, berichtet Fischer. Ergänzend gibt es ein großes digitales Live-Event mit Impulsen, Interviews und Diskussionsrunden.
Anteil an weiblichen Azubis in „Männerberufen“ steigt
Die Unternehmen schätzen die Initiative des „Girls‘ & Boys‘ Day“. „Diversität hat in den Unternehmen heute einen hohen Stellenwert. Schließlich ist es für viele Betriebe ein absoluter Mehrwert, wenn unter ihren Beschäftigten verschiedene Talente und Kompetenzen vertreten sind – ganz unabhängig von deren Geschlecht“, erläutert Fischer. Was allerdings häufig fehlte, waren vor allem im technischen Bereich qualifizierte weibliche Nachwuchskräfte. In den vergangenen Jahren hat sich hier einiges getan, berichtet der Ausbildungsexperte der IHK. „Das Interesse der jungen Mädchen an diesen Berufen ist gewachsen.“ So lag beispielsweise der Anteil der weiblichen Auszubildenden 2020 unter den Bauzeichnern und Bauzeichnerinnen – einst ein klassischer Männerberuf – bei mehr als 60 Prozent. Auch unter den Auszubildenden zum Berufskraftfahrer oder Berufskraftfahrerin nimmt der Frauenanteil zu. Er liegt nun bei knapp 17 Prozent. Bei den Industriemechaniker und -mechanikerinnen machen die weiblichen Auszubildenden gut zehn Prozent aus, bei den Elektronikern und Elektronikerinnen für Geräte und Systeme sind es rund 13 Prozent.
Viele offene Ausbildungsplätze in Bayerisch-Schwaben
„Es ist noch Luft nach oben“, sagt Fischer. „Umso wichtiger ist es, dass die Aktionstage auch unter den derzeit schwierigen Bedingungen stattfinden. Unsere Unternehmen brauchen gute Bewerber.“ Im Jahr 2020 war die Zahl der geschlossenen Ausbildungsverträge um rund 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Dabei waren viele Stellen unbesetzt geblieben, da die Betriebe keine geeigneten Kandidaten fanden. Unklar ist, wie sich die Corona-Krise in diesem Jahr auswirken wird. „Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist weiterhin sehr hoch“, sagt Fischer. Aktuell gibt es fast 1500 offene Stellen, die Unternehmen aus Bayerisch-Schwaben in der IHK-Lehrstellenbörse eingetragen haben – deutlich mehr als zum gleichen Zeitpunkt im Vorjahr.