Prozess um rechtsextreme Anschlagsserie in Berlin-Neukölln beginnt Ende August

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Im Fall einer rechtsextremen Anschlagsserie im Berliner Bezirk Neukölln soll am 29. August der Prozess gegen zwei mutmaßliche Täter beginnen. Das Amtsgericht Berlin-Tiergarten ließ zwei entsprechende Anklagen der Generalstaatsanwaltschaft zu, wie eine Gerichtssprecherin am Dienstag mitteilte. Den bei Erhebung der zweiten Anklage im Mai vergangenen Jahres 35 und 38 Jahre alten Beschuldigten werden demnach unter anderem Brandstiftung, Bedrohung und Sachbeschädigung vorgeworfen.
Die Generalstaatsanwaltschaft der Hauptstadt wirft Sebastian T. und Tilo P. zur Last, Anfang Februar 2018 zwei Autos von politisch anders denkenden Menschen in Berlin-Neukölln gemeinschaftlich angezündet zu haben. Zudem sollen beide Angeschuldigte im März 2019 Hauseingänge mit politischen Parolen und Drohungen mit Schusswaffenattentaten besprüht haben, um Hausbewohner einzuschüchtern.
Laut Gericht soll in dem Verfahren über insgesamt drei Anklagen verhandelt werden – neben den Anklagen der Generalstaatsanwaltschaft vom Januar und Mai vergangenen Jahres zudem über eine der Staatsanwaltschaft aus dem Jahr 2019. Über diese verhandelte das Amtsgericht bereits im Jahr 2020. Das Verfahren wurde jedoch wegen erforderlicher Nachermittlungen ausgesetzt und soll nun gemeinsam mit den beiden anderen Anklagen verhandelt werden.
Der Angeklagte P. ist laut Gerichtsangaben derzeit haftverschont, gegen T. wurde der Haftbefehl aufgehoben. Für den Prozess wurden Verhandlungstermine bis Ende November angesetzt.
Über den Prozessbeginn berichteten zuerst der Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) und die „Berliner Morgenpost“. Der Verdacht gegen die Angeklagten erhärtete sich demnach womöglich durch eine Aussage, die P. im November vergangenen Jahres während der in einem anderem Verfahren gegen ihn angeordneten Untersuchungshaft getätigt haben soll.
Gegenüber einem ebenfalls inhaftierten Gesinnungsgenossen soll er gesagt haben, die Behörden wollten ihm „jetzt auch noch wegen den anderen Sachen was anhängen“. Er habe aber „nur Schmiere“ gestanden. Mit „den anderen Sachen“ soll P. dem Bericht zufolge mutmaßlich Taten der Neuköllner Anschlagsserie gemeint haben.
Die Äußerung, er habe „nur Schmiere“ gestanden, könnte demnach als Bekenntnis zu den ihm zur Last gelegten Taten gewertet werden. Der Inhalt des Gesprächs zwischen P. und dem Mitgefangenen wurde vom Verfassungsschutz dokumentiert.
Das Berliner Landeskriminalamt rechnet der Anschlagsserie rund 70 Straftaten zu, darunter mindestens 14 Brandstiftungen und 35 Sachbeschädigungen. Sie wurden überwiegend zwischen Juni 2016 und März 2019 in Neukölln verübt. Die Opfer waren Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. So wurde unter anderem das Auto des Linkspolitikers Ferat Kocak in Brand gesetzt.
Die Generalstaatsanwaltschaft zog 2020 die Ermittlungen zu den Anschlägen an sich – wegen des Verdachts, dass ein Staatsanwalt mit der AfD sympathisieren könnte. Bei einem Gespräch sollen zwei Verdächtige aus der rechtsextremen Szene über den Mann gesagt haben, dass er der Partei nahe stehe.
Im Mai dieses Jahres setzte das Berliner Abgeordnetenhaus zudem einen Untersuchungsausschuss zur Anschlagsserie ein. Dieser soll am Donnerstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammenkommen.
awe/cfm

© Agence France-Presse