Medien: Ermittlungsverfahren gegen VW wegen Sklavenarbeit in Brasilien

-

Print Friendly, PDF & Email

Die Vorwürfe wiegen schwer: Auf einer Rinderfarm der brasilianischen VW-Tochter Volkswagen do Brasil soll es in den 70er und 80er Jahren zu Sklavenarbeit, Menschenhandel und systematischen Menschenrechtsverletzungen in hunderten Fällen gekommen sein. NDR, SWR und „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichten eine entsprechende Recherche. Auch der VW-Vorstand in Wolfsburg soll dem Bericht zufolge von den Vorfällen gewusst haben.
Die brasilianischen Ermittlungsbehörden setzten Volkswagen Brasilien demnach in einer amtlichen Zustellung vom 19. Mai 2022 offiziell über das Verfahren in Kenntnis. Das Unternehmen sei zu einer Anhörung am 14. Juni vor dem Arbeitsgericht in der Hauptstadt Brasília vorgeladen worden.
Auf Anfrage von AFP wollte sich das Unternehmen mit Verweis auf das mögliche juristische Verfahren in Brasilien nicht äußern. VW versicherte jedoch, dass es die Vorwürfe „sehr ernst“ nehme.
Laut Bericht kaufte der VW-Konzern im Jahr 1973 insgesamt 140.000 Hektar Land im brasilianischen Bundesstaat Pará, knapp die Hälfte dieses Waldgebiets ließ der Konzern roden. Aufgebaut werden sollte die Farm Companhia Vale do Rio Cristalino, eine Rinderfarm mit Großschlachterei, Kühlhäusern und Konservenfabrik.
Von 1974 bis 1986 betrieb die brasilianische VW-Tochter laut Bericht die Farm am südlichen Rand des Amazonasbeckens. In dieser Zeit sollen die mutmaßlichen Verbrechen auf dem Farmgelände an Leiharbeitern verübt worden sein, die für Rodungsarbeiten eingesetzt worden waren. Das Projekt fiel somit in die Zeit der brasilianischem Militärdiktatur, die in dem Land von 1964 bis 1985 herrschte. 
„Die Arbeiter mussten sieben Tage die Woche arbeiten, mehr als zehn Stunden am Tag, ohne jede Bezahlung“, sagte der zuständige Staatsanwalt Rafael Garcia der „Süddeutschen Zeitung“. Den Arbeitern wurde demnach Gewalt angetan, die Farm verlassen durften sie nicht. „Das war eine Form moderner Sklaverei“, sagte Garcia weiter.
Laut Bericht wurden die Verbrechen nicht direkt von VW-Beschäftigten begangen, sondern durch Beschäftigte von Subunternehmen. Diese hätten im Auftrag von VW tausende Leiharbeiter rekrutiert und beaufsichtigt. Entstanden sei ein „System der Schuldknechtschaft“, in dem Leiharbeiter zur Arbeit gezwungen und zwischen den Subunternehmen ge- und verkauft wurden.
Staatsanwalt Garcia betonte gegenüber der „SZ“, dass die Gewalt zwar nicht direkt von VW ausgeübt, der Konzern diese aber durchaus hingenommen habe. „VW hat diese Form von Versklavung offensichtlich nicht nur akzeptiert, sondern auch befördert“, sagte Garcia. „Es war schlichtweg billige Arbeitskraft“.
Bei dem Ermittlungsverfahren handelt es sich nicht um die ersten Vorwürfe gegen VW in Brasilien. Im Juli 2017 belegten Recherchen von NDR, SWR und „SZ“, dass sich der Konzern zu Zeiten der Diktatur aktiv an der Verfolgung und Unterdrückung von Regimegegnern auf dem Werksgelände bei São Paulo beteiligt hatte. Im Jahr 2020 zahlte VW 36 Millionen Real (5,5 Millionen Euro) als Entschädigung an Familienangehörige von Mitarbeitern, die während der Militärdiktatur gefoltert und getötet worden waren. 
fho/ilo

© Agence France-Presse