Merz fährt auf der Gewinnerstraße auf viel Arbeit zu

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Friedrich Merz bleibt hinter den Kulissen. Seine CDU hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen, Merz‘ Heimatbundesland, den Hochrechnungen zufolge gewonnen, aber der Bundesparteichef lässt sich nicht blicken und überlässt die Einordnung im Fernsehen anderen Präsidiumsmitgliedern. Auf Twitter äußert sich Merz allerdings und spart nicht mit großen Worten: Es sei ein „bundespolitischer Stimmungstest“, gewesen, urteilte er: „Die CDU ist zurück.“
Der Absturz der Partei war hart – nach 16 Jahren flog sie mit der Bundestagswahl im September aus dem Kanzleramt. Nachdem Merz im Januar Parteivorsitzender und im Februar auch Unionsfraktionschef wurde, war die Aufgabe klar: die CDU wieder aufrichten und für die veränderten Zeiten neu aufstellen. Gleich im März kam ein erster Dämpfer: Die Landtagswahl im Saarland endete mit einem Debakel für die CDU, die SPD kann das Land seither allein regieren.
Glück für Merz, dass die nächsten Landtagswahlen schnell folgten: In Schleswig-Holstein holte die CDU um Ministerpräsident Daniel Günther 43,4 Prozent und damit noch mehr, als parteiintern erwartet worden war. Nur eine Woche später reichen nun etwa 35,5 Prozent in Nordrhein-Westfalen für den Sieg von CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst.
Anders als in Schleswig-Holstein ist die CDU hier aber nicht der eindeutige Gewinner, denn für die bisherige schwarz-gelbe Koalition reicht es nicht mehr. Um die Macht zu behalten, muss sie erfolgreich die Grünen umwerben, was zum konservativen Merz nicht so gut passt.
Auf Bundesebene arbeitet er parallel an der Profilbildung der CDU – und seiner eigenen. Anfang Mai reiste er nach Kiew, bevor ein Mitglied der Bundesregierung oder der Bundespräsident dies taten. Merz traf unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Dieser wiederum lud kurze Zeit später Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und die gesamte Regierung nach Kiew ein und beendete damit einen wochenlangen Konflikt.
„Ich bin Präsident Selenskyj sehr dankbar, dass er meiner Bitte um eine Einladung des Bundespräsidenten gefolgt ist“, schrieb Merz daraufhin auf Twitter – und erntete einiges an Häme. Es schien, als leuchte wieder die ihm früher regelmäßig vorgeworfene Arroganz durch.
Ungelenk wirken auch Merz‘ Ambitionen, die CDU weiblicher zu machen. Nach der Schleswig-Holstein-Wahl forderte er eine breitere personelle Aufstellung, ließ aber die Frage offen, ob er eine Frauenquote für Parteiämter befürwortet. Das Thema ist in der Partei umstritten.
Nur eine Lösung, die Merz mit voller Überzeugung vertritt, dürfte eine Chance auf Umsetzung haben. Und die Zeit drängt, denn unter anderem Generalsekretär Mario Czaja – ein Quotenbefürworter – will eine Klärung auf dem Parteitag im September. Gleichzeitig läuft die Arbeit am überfälligen neuen Grundsatzprogramm auf Hochtouren.
Schwierig ist für Merz zudem die Aufgabe, in einer Krisenlage Oppositionsarbeit zu machen, mit der die Union verantwortungsbewusst wirkt, sich aber auch klar von der Regierung abgrenzt. Bisher gelingt der Balanceakt nicht immer.
Für Irritationen sorgt etwa Merz‘ Ansage, er wolle nur so viele Unionsabgeordnete für die Grundgesetzänderung zum Sondervermögen Bundeswehr votieren lassen, wie der Koalition rechnerisch für eine Zweidrittelmehrheit fehlen. Wie er Fraktionsmitglieder dazu bringen will, gegen ihre Überzeugung zu stimmen, ist unklar.
Mittelfristig wartet noch eine weitere Herausforderung auf Merz – nämlich die Frage, wer für die Bundestagswahl 2025 Kanzlerkandidat oder Kanzlerkandidatin der Union wird. Er selbst wird dann fast 69 Jahre alt sein, die deutlich liberaler ausgerichteten Herren Günther und Wüst, die Wahlsieger dieses Frühsommers, dagegen erst um die 50. Dass Merz aus vollem Herzen einem Jüngeren Platz macht, ist zumindest bisher schwer vorstellbar.
cne/cfm

© Agence France-Presse