Am Wahlabend bleiben in Nordrhein-Westfalen viele Fragen offen

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Unerwartet deutlicher Sieg für die CDU, historische Niederlage für die SPD – doch in Nordrhein-Westfalen bleiben nach der Landtagswahl am Sonntag zunächst viele Fragen offen. Das in Umfragen knappe Rennen zwischen CDU und SPD kann die Partei von Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) letztlich klar für sich entscheiden. Folglich wird der Westfale von tosendem Applaus durch die Vorhalle des Düsseldorfer Landtags begleitet, während er grinsend nach links und rechts grüßt.
Deutlich schlechter ist zugleich die Stimmung beim derzeitigen Koalitionspartner FDP, der zwischenzeitlich um den Wiedereinzug in den Landtag bangen muss, in Hochrechnungen aber schließlich doch über der Fünfprozenthürde liegt. Die schwarz-gelbe Regierung ist damit abgewählt. Bei der Suche nach möglichen Regierungsbündnissen fällt den Grünen, die ein Rekordergebnis einfahren, eine Schlüsselrolle zu.
Für die CDU und ihrem Spitzenkandidaten Wüst, der sich erst als seit gut einem halben Jahr als Ministerpräsident profilieren konnte, kommt der Wahlsieg einem Befreiungsschlag gleich. Mit gut 35 Prozent kann sich die Partei deutlich von der SPD absetzen und an den jüngsten Wahlerfolg der Christdemokraten in Schleswig-Holstein anschließen. „Das ist der ganz klare Auftrag, eine Regierung zu bilden und zu führen“, ruft ein sichtlich gelöster Wüst vor Parteimitgliedern in der Düsseldorfer CDU-Zentrale.
Die SPD muss mit Spitzenkandidat Thomas Kutschaty und rund 27 Prozent der Stimmen erneut ein historisches Desaster hinnehmen. Ihr bis dahin schlechtestes Ergebnis fuhren die Sozialdemokraten mit 31,2 Prozent erst bei der letzten Landtagswahl ein. „Das Ergebnis ist nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben“, sagt Kutschaty in Düsseldorf. Das Wahlziel, die schwarz-gelbe Regierung abzuwählen, sei jedoch erreicht worden.
Die Grünen um Spitzenkandidatin Mona Neubaur feiern indes ihr Rekordergebnis von rund 18 Prozent unter freiem Himmel auf der Wiese vor dem Landtag. „Was für ein Ergebnis, was für ein Vertrauensvorschuss“, ruft die 44-Jährige sichtlich bewegt. Als die ersten Hochrechnungen übertragen werden, scheint die Spitzenkandidatin ihren Augen kaum zu trauen und greift sich ungläubig an die Brust.
Als mit deutlichem Abstand drittstärkste Kraft kommt den Grünen die Rolle der Königsmacherin zu. „Wir haben das Wahlziel erreicht, das historisch stärkste Ergebnis zu erzielen, so dass kein Weg an uns vorbeiführt bei der Regierungsbildung“, sagt Neubaur.
Große Ernüchterung bis hin zu blankem Entsetzen herrscht hingegen bei der FDP um ihren Spitzenkandidaten und Vizeministerpräsidenten Joachim Stamp. Nach der letzten Wahl zum Düsseldorfer Landtag stellten die Liberalen noch mit 12,6 Prozent die drittstärkste Fraktion. Diesmal hätten die Freien Demokraten den Einzug in den Landtag fast verpasst.
„Das ist für uns heute eine bittere Niederlage“, sagt Stamp. Ein „Weiter so“ dürfe es daher nicht geben. Die FDP-Bundespolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann spricht gar von einem „grauenvollen Abend“ – und Bundesparteichef Christian Lindner nennt das Ergebnis „desaströs“.
Klar ist am Wahlabend also zunächst nur, dass es für eine Fortführung der bisher regierenden schwarz-gelben Koalition wegen des jähen Absturzes der FDP keine Mehrheit mehr gibt. Darüber hinaus ist zunächst völlig offen, welche Parteien im 18. Landtag, dem mit einem Ergebnis knapp über der Fünfprozenthürde als fünfte Fraktion auch AfD wieder angehören dürfte, die Regierung stellen werden.
Mit der FDP im Landtag wäre neben einem schwarz-grünen Bündnis den Hochrechnungen zufolge auch ein Ampelbündnis möglich. Für Rot-Grün an der Gewinner-CDU vorbei reicht es den Zahlen zufolge jedoch knapp nicht. Rechnerisch möglich wäre noch eine große Koalition aus CDU und SPD – was jedoch als unwahrscheinlichste Konstellation gilt.
ruh/cfm

© Agence France-Presse