In Frankreich rückt der Regierungswechsel näher

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In Frankreich rückt der von Präsident Emmanuel Macron angekündigte Regierungswechsel näher. Premierminister Jean Castex hat für Donnerstagabend alle Regierungsmitglieder mit ihren Partnern und Partnerinnen zu einer Abschiedsfeier in den eleganten Garten seines Amtssitzes eingeladen. Bei der vermutlich letzten Kabinettssitzung am Mittwoch hatte Macron ausdrücklich alle Anwesenden für ihre Arbeit gelobt.
Macrons Amtszeit endet offiziell am Freitag um Mitternacht. Der Regierungswechsel ist davon jedoch unabhängig. Der Präsident will seine Mannschaft vor allem mit Blick auf die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni neu aufstellen. Außerdem soll die Ernennung einer Premierministerin – es wäre die zweite überhaupt in Frankreich – Symbol eines Neubeginns sein. 
Für den Posten sind viele Namen im Gespräch, aber es ist gut möglich, dass Macron am Ende eine Überraschungskandidatin vorstellt. Castex war vor seiner Ernennung ein weitgehend unbekannter Bürgermeister einer Kleinstadt in den Pyrenäen. Seine Nachfolgerin soll auch die großen Linien der Umwelt- und Klimapolitik mitbestimmen – eine Geste Macrons an die Anhänger der Grünen, die von seiner Klimapolitik während des ersten Mandats enttäuscht waren. 
Neben Arbeitsministerin Elisabeth Borne werden auch die Unesco-Chefin Audrey Azoulay, Umweltministerin Barbara Pompili und Industrieministerin Agnès Pannier-Runacher als mögliche Premierministerinnen genannt. Macron werde auch darauf achten, dass die nächste Amtsinhaberin ihm keine Konkurrenz mache, sagte ein Abgeordneter, der nicht genannt werden wollte. Das war bei Castex‘ Vorgänger Edouard Philippe der Fall gewesen, der am Ende beliebter war als der Präsident und inzwischen seine eigene Partei gegründet hat. 
Es ist bislang nicht bekannt, wer von den bisherigen Ministern im Amt bleiben soll. Verteidigungsministerin Florence Parly und Außenminister Jean-Yves Le Drian haben wegen des Ukraine-Kriegs gute Aussichten, ihre Posten zu behalten. Die Transparenz-Behörde, die die Eigentumsverhältnisse und Steuererklärungen der Kandidaten prüft, hat laut einem Regierungsberater bereits etwa zehn Namen erhalten. 
Castex wird am Sonntag im Vatikan erwartet, wo der französische Ordensgründer Charles de Foucauld heiliggesprochen werden soll. Dies könnte seine letzte Reise als Premierminister oder auch seine erste als Ex-Premierminister sein. Er hat bereits durchblicken lassen, dass er sich aus der nationalen Politik zurückziehen will.
Unterdessen bringen sich die Parteien für die Parlamentswahl in Stellung. Die meisten Kandidaten für die 577 Wahlkreise sind bereits gefunden. Neben zahlreichen Regierungsmitgliedern treten auch die gescheiterten Präsidentschaftskandidaten Marine Le Pen und Eric Zemmour an. Letzterer lässt sich nach Informationen aus seinem Umfeld im südfranzösischen Saint-Tropez aufstellen. Le Pens Nichte Marion Maréchal verzichtet auf eine Kandidatur, weil sie im Juni ihr zweites Kind erwartet. 
Nach Umfragen liegt die Regierungsmehrheit vorn, dicht gefolgt von dem neuen Linksbündnis NUPES. Die Rechtspopulisten könnten es erstmals seit 1986 schaffen, eine eigene Fraktion (mit mehr als 15 Abgeordneten) zu bilden.
kol /cp

© Agence France-Presse