Weitere Tote nach russischen Angriffen im Großraum Kiew

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Trotz des internationalen Drucks nach den mutmaßlichen Gräueltaten von Butscha hat Russland seine Angriffe auf die ukrainische Hauptstadtregion fortgesetzt. In den Dörfern Welyka Dymerka und Bogdanikowa sind laut Angaben der ukrainischen Generalstaatsanwaltschaft vom Dienstag zwölf Menschen durch Artillerie getötet worden. Auch in der Region Lwiw im Westen der Ukraine haben sich am Dienstagabend mehrere Explosionen ereignet. 
„Alle müssen in den Schutzräumen bleiben“, schrieb Gouverneur Maksym Kosytsky im Onlinedienst Telegram und verwies auf Explosionen nahe Radechiw, einer rund 70 Kilometer nordöstlich von Lwiw gelegenen Stadt, die bislang von Angriffen weitgehend verschont geblieben war. Später schrieb er, bislang gebe es keine Berichte über Opfer.
In Butscha gingen unterdessen die Aufräumarbeiten weiter. Bei einem Ortsbesuch sagte der ukrainische Innenminister Denys Monastyrsky, dass in den Wohnungen und Wäldern noch „dutzende Leichen“ lägen.
Zuvor hatte bereits der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einer eindringlichen Rede vor dem UN-Sicherheitsrat mutmaßliche russische Kriegsverbrechen in Butscha geschildert. Die ukrainischen Behörden haben dort laut eigenen Angaben 280 Menschen in „Massengräbern“ beerdigt, Selenskyj zeigte bei der Videoschalte in New York Fotos. In einer späteren Rede vor dem spanischen Parlament verglich Selenskyj das russische Vorgehen mit den Kriegsverbrechen der Nationalsozialisten im Spanischen Bürgerkrieg 1937 in Guernica.
Russland hat die ukrainischen Vorwürfe entschieden zurückgewiesen und die Bilder als „Fälschungen“ bezeichnet. Satellitenbilder schienen die Angaben der Ukraine, wonach die Leichen von Zivilisten dort teils wochenlang auf den Straßen lagen, zu bestätigen. Der Westen hat angesichts der mutmaßlichen Kriegsverbrechen jedoch weitere Sanktionen gegen Russland angekündigt.
Selenskyj warnte auch, dass die Lage in anderen Dörfern wie Borodjanka noch schlimmer sei als in Butscha. Der Präsidentenberater Oleksij Arestowitsch bekräftigte in einem Video auf Youtube: „Jeder, der einmal in Borodjanka war, sagt, dass es dort noch schlimmer ist.“ AFP-Reporter, die das Gebiet kurz besucht hatten, sahen keine Leichen auf den Straßen, doch berichteten Einheimische von vielen Toten.
Die russische Armee teilte unterdessen am Dienstagabend mit, sie habe im belagerten Mariupol zwei ukrainische Hubschrauber abgeschossen. Diese seien geschickt worden, um Anführer eines nationalistischen ukrainischen Bataillons, das die Stadt verteidigt, auszufliegen.
In New York sagte die UN-Untergeneralsekretärin Rosemary DiCarlo indessen, sie habe „glaubwürdige“ Informationen erhalten, wonach Russland seit Beginn der Invasion Ende Februar „mindestens 24 Mal Streumunition in bewohnten Gebieten eingesetzt“ habe. „Die Behauptungen, dass die ukrainischen Streitkräfte solche Waffen eingesetzt haben, werden ebenfalls untersucht“, fügte sie hinzu. 
Solche Waffen sind nach einer UN-Konvention von 2008 verboten. Da beim Einsatz dieser Munition Dutzende kleine Bomben über ein großes Gebiet verteilt werden, besteht die Gefahr, dass auch Zivilisten getroffen werden. Allerdings haben weder Russland noch die Ukraine die Konvention unterzeichnet.
fml

© Agence France-Presse