Fußball zeigt Putins Russland die Rote Karte: WM-Play-offs werden boykottiert, Gazprom-Deal vor dem Aus

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Der Fußball wendet sich weiter von Russland ab: Polen, Schweden und Tschechien wollen nicht gegen das russische Team um die WM-Teilnahme spielen – und die UEFA wird wohl den millionenschweren Gazprom-Deal aufkündigen.
Köln (SID) Der europäische Fußball zeigt in großer Einmütigkeit Russland und dem Aggressor Wladimir Putin die Rote Karte: Voran ging mit seiner klaren Haltung Weltfußballer Robert Lewandowski. „Russlands Fußballer und Fans“ seien „nicht verantwortlich“ für die Kriegstreiberei Putins, teilte der Torjäger von Bayern München via Twitter mit: „Aber wir können nicht so tun, als ob nichts passiert ist.“
Deshalb ist es für den Kapitän der polnischen Nationalmannschaft selbstverständlich, dass sein Team in den WM-Play-offs am 24. März nicht gegen Russland antreten wird. „Genug der Worte, es ist Zeit zu handeln“, teilte Polens Verbandspräsident Cezary Kulesza mit: „Aufgrund der Aggression Russlands in der Ukraine plant Polen nicht, gegen die russische Mannschaft anzutreten. Das ist die einzig richtige Entscheidung.“ Auch Schweden und Tschechien kündigten am Wochenende einen Boykott der möglichen Partie gegen die Russen an.
In fast allen Stadien in Europa demonstrierten Spieler und Fans gegen Putins Angriffskrieg und bekundeten Solidarität mit der Ukraine – auch in Deutschland. In Fürth versammelten sich Spieler der Gastgeber und des 1. FC Köln hinter einem blau-gelben Plakat mit der Aufschrift „Stop War – wir gegen Krieg“. Ähnliche Szenen waren in vielen Arenen zu sehen.
Die Schweigeminute vor den Spielen im deutschen Profifußball dürfte vor allem Danilo Sikan von Hansa Rostock, einziger ukrainischer Spieler im deutschen Profifußball, sehr nahe gegangen sein. Er wurde von Hansa-Coach Jens Härtel gegen den 1. FC Nürnberg (0:2) von Anfang an aufgeboten: „Das hilft ihm, die Situation ein Stück weit auszublenden.“
Der Fußball zeigt aber nicht nur Solidarität, sondern wendet sich immer mehr von Russland ab, während Putins Truppen in der Ukraine weiter vorrücken. Im Hintergrund scheint die UEFA bereits an einer großen Entscheidung zu arbeiten, während sich der Weltverband FIFA auffallend zurückhält. 
Die Europäische Fußball-Union ist offenbar gewillt, die Trennung vom russischen Großsponsor Gazprom durchzuziehen. Nach Informationen der englischen Times wird an einer Auflösung des millionenschweren Vertrags gearbeitet. 
Die UEFA dementierte den Bericht auf SID-Anfrage nicht, teilte lediglich mit: „Weitere Sitzungen des Exekutiv-Komitees werden in Kürze stattfinden“, bei diesen würden „zusätzliche Angelegenheiten“ behandelt. Schon am Freitag hatte der europäische Dachverband das Champions-League-Finale am 28. Mai von St. Petersburg ins Stade de France nach St. Denis verlegt.
Die UEFA würde mit der Trennung von Gazprom wirtschaftlich durchaus ein großes Opfer bringen. Die seit zehn Jahren bestehende Zusammenarbeit läuft noch bis 2024, die EM-Endrunde in Deutschland eingeschlossen. Schätzungen zufolge kassierte die UEFA bislang zwischen 40 und 48 Millionen Euro pro Jahr von dem Gaskonzern. 
Zweitligist Schalke 04 hatte schon am Donnerstag entschieden, den Schriftzug des Großsponsors Gazprom vom Trikot der Königsblauen zu entfernen. Beim 1:1 in Karlsruhe traten die Knappen stattdessen mit „Schalke 04“ auf der Brust an.
Möglicherweise gibt es sogar eine Finanzhilfe von der Liga für die Königsblauen, um den Verlust auszugleichen. DFB-Interims-Präsident Hans-Joachim Watzke, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen Fußball Liga (DFL) und Klubchef von Borussia Dortmund, hatte im Aktuellen Sportstudio des ZDF eine Unterstützung der anderen Klubs für Schalke ins Gespräch gebracht. 
Er sei sehr froh, betonte Watzke, dass die neue Schalker Führung „jetzt klar Haltung beweist“. Diese könne „am Ende nur darin münden, denke ich mal, dass man dieses Sponsoring beendet“.
Der einstige DFL-Geschäftsführer Andreas Rettig brachte unterdessen eine „Demokratie- und Friedensabgabe“ des deutschen Profifußballs ins Gespräch. „Angesichts der schwindenden gesellschaftlichen Akzeptanz des Fußballs wäre das aus meiner Sicht ein guter Schritt, um ein Zeichen zu setzen“, sagte der 58-Jährige dem SID.
DFB-Präsidentschaftskandidat Peter Peters verlieh indes der Forderung nach einem Ausschluss russischer Fußballteams aus sämtlichen Wettbewerben Nachdruck. „Ich kann mit nicht vorstellen, dass irgendeiner ein Spiel gegen eine russische Mannschaft spielen kann“, sagte der 59-Jährige im Sportstudio. 
Dies sei „weder vermittel- noch verantwortbar. Die Dinge haben sich so verändert. Es kann nicht so weitergehen.“ Dabei könnte ein Bundesligist in Kürze selbst davon betroffen sein, denn RB Leipzig wurde in der Europa League im Achtelfinale (10. und 17. März) dem russischen Vertreter Spartak Moskau zugelost. Dass das Duell wirklich stattfindet, wird offensichtlich von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.
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