Lindau (Bodensee) | Tödlicher Badeunfall: Die Wasserwacht erklärt den Ablauf eines Wasserrettungseinsatzes

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Am Mittwochnachmittag, 19.08.2020, gegen 15:20 Uhr, befand sich ein mit acht Personen besetztes Boot in der Reutiner Bucht in Lindau (Bodensee) und stoppte dort zu einem Badeaufenthalt.

Ein 73-jähriger und ein 70-jähriger Gast gingen ins Wasser um zu schwimmen. Dabei traten bei dem 73-Jährigen offensichtlich gesundheitliche Probleme auf, woraufhin der 71-jährige Bootsführer ebenfalls in Wasser sprang. Der 73-Jährige konnte einen Rettungsring greifen und zum Boot geschleppt werden. Gleichzeitig bekam auch der Bootsführer Probleme im Wasser. Er konnte zum Boot gebracht werden, musste aber durch Ersthelfer reanimiert werden und verstarb schließlich im Krankenhaus Lindau. Der 70-Jährige ging während des Vorfalls ebenfalls unter und konnte bislang trotz umfangreicher Suchmaßnahmen, an denen neben vier Hubschraubern auch 17 Einsatzboote aus Bayern, Baden-Württemberg und Österreich beteiligt waren, bislang nicht wieder aufgefunden werden. Die Suchmaßnahmen wurden wegen Einbruch der Dunkelheit am Mittwochabend unterbrochen, wurden jedoch am Donnerstag fortgesetzt.

Die weitere Sachbearbeitung wird, wie bei tödlichen Badeunfällen üblich, zuständigkeitshalber durch die Kriminalpolizei Lindau (Bodensee) übernommen.

Foto: Wasserwacht (BRK) Lindau (Bodensee)

Soweit der Sachstand zu einem tragischen Unglück. Unsere Redaktion hat nun bei der Wasserwacht des Bayerischen Roten Kreuzes (BRK) in Lindau (Bodensee) nachgefragt. Wir wollten wissen wie einer solcher Einsatz den abläuft und wer da alles dran beteiligt ist. Aber auch die Frage nach dem „wie geht man mit einem solchen Einsatz um“ wollten wir wissen.

Benjamin Rädler, Einsatzleiter Wasserrettung bei der Wasserwacht Lindau (Bodensee)

Freundlicherweise hat sich Benjamin Rädler, Einsatzleiter Wasserrettung für den Landkreis Lindau (Bodensee) aus Weiler-Simmerberg unseren Fragen gestellt. Er war am Mittwoch der diensthabende Einsatzleiter und führte den Einsatz.

♦Die BRK-Wasserwacht aus dem Kreis Lindau (Bodensee) wurde durch die Integrierte Leitstelle Allgäu zu dem Seenoteinsatz alarmiert. Mit was sind sie ausgerückt und wie lange dauerte es bis sie an der Einsatzstelle eintrafen?

Um 15:22 Uhr wurden von der ILS Allgäu beide Boote von der Wasserwacht (Nonnenhorn und Lindau) sowie die Feuerwehrboot aus Lindau und Wasserburg alarmiert.

Des Weiteren wurde der Einsatzleiter Wasserrettung, Einsatzleiter Rettungsdienst, Wasserschutzpolizei (WSP) Lindau, Rettungshubschrauber „Christoph 17“ aus Kempten und Rettungs- und Notarztwagen aus Lindau alarmiert.

Wir sind mit unserem Mannschaftstransportwagen (MTW) um 15:30 Uhr mit drei Mann besetzt Richtung Lindau aufgebrochen. Darunter der Einsatzleiter Wasserrettungsdienst und zwei Assistenten für den Einsatzleiter. Diese besetzten zusätzlich dann noch die zwei Funkarbeitsplätze in der Einsatzzentrale.

♦Wer übernimmt bei einem solchen Wasserrettungseinsatz die Führung, sprich Einsatzleitung, wie sprechen sich hier Wasserwacht, Polizei, Feuerwehr und THW ab. Gibt es hier Regelungen?

Bei einem solchen Einsatz hat der Einsatzleiter Wasserrettung die Einsatzleitung.

Alle Führungskräfte der verschiedenen Blaulichtorganisationen (BOS) treffen sich bei solch einer Lage in der gemeinsamen Einsatzleitung im Wasserschutzpolizei (WSP) in Lindau und hier werden dann die Absprachen getroffen. Die Lage wird von dort aus geführt.

♦Mit wie viel Einsatzkräften und welchen Material war die Wasserwacht an dem Einsatz beteiligt?

  • Wasserwacht Lindau mit fünf Mann, zwei Booten
  • Wasserwacht Nonnenhorn mit vier Mann, einem Boot und HvO (Helfer vor Ort)
  • Wasserwacht Wasserburg mit zwei Mann
  • Wasserwacht Weiler mit zehn Mann, drei Fahrzeuge und einem Boot
  • Einsatzleiter Wasserrettung Weiler mit vier Mann

♦Gibt es Spezialgerät, dass sie bei Vermisstensuchen auf dem Bodensee einsetzen können, wenn ja, was und wie funktioniert es?

Ja es gibt Spezialgeräte hierfür. Wir haben auf zwei Booten ein Sidescan, welcher den Boden abscannt und in 3D dieses auf einem Display anzeigt. Des Weiteren sind wir seit letztem Jahr in Besitz einer Unterwasserdrohne. Hier werden dann die markierten Stellen überprüft was bei der Sonarfahrt als mögliches Objekt sich herausgestellt hat.

Die WSP Lindau besitzt auf ihrem großen Einsatzboot „HECHT“ auch ein Sidescan und hat noch einen ROV (Ferngesteuertes Unterwasserfahrzeug).

♦Wie hilfreich sind Hubschrauber bei einem solchen Einsatz? Zeitweise waren am Mittwoch bis zu vier Hubschrauber im Einsatz.

Ein Hubschrauber ist immer sehr hilfreich, da er die Wasseroberfläche von oben einsehen kann. Allerdings sind die Hubschrauber schwer zu bekommen, da sie auch im täglichen Geschäft des Rettungsdienstes sehr gefragt sind. Auch die Einsatzzeit ist immer sehr beschränkt wegen der Treibstoffversorgung.

♦Wie lange hat der Sucheinsatz angedauert?

Die Suche wurde bei Sonnenuntergang um 20:30 Uhr am Mittwochabend erfolglos abgebrochen und der Einsatz an Kriminalpolizei Lindau (Bodensee) übergeben.

♦Wenn man wegen Dunkelheit einen solchen Einsatz abbrechen muss, mit welchen Gefühl geht man nach Hause als Rettungskraft und Ehrenamtlicher?

Naja, es ist sehr schwer für alle, weil man ja ausgebildet wurde zu helfen. Aber hier muss man sich nach der langen Suchzeit im Klaren sein, dass man nicht mehr von einer Rettung spricht, sondern von einem Bergungseinsatz. Dieser ist nicht mehr zeitkritisch und wird in den meisten Fällen dann von der Polizei weiter fortgesetzt.

♦Werden die Einsatzkräfte nach einem solchen belastenden Einsatz auch im Auge behalten, wie sie persönlich damit umgehen, bzw. ob sie mit der Belastung umgehen können?

Ja unsere Einsatzkräfte werden nach jedem Einsatz im Auge behalten. Sollten sie Probleme haben werden sie von unserem PSNV-Teams (Psychosoziale Notfallversorgung) betreut.

Das Wichtigste nach solch einem Einsatz ist, eine kleine Nachbesprechung damit alle beim Einsatz beteiligten Personen mit dem gleichen Wissensstand nach Hause gehen können.

♦Nach so einem Einsatz muss das Material umgehend wieder einsatzklar gemacht werden. Wie lange dauert das und gibt es eine Zeit, wo die Wasserretter Status 6 sind?

Nach jedem Einsatz muss das Material gereinigt und speziell in der Covid-Zeit noch aufwändiger  desinfiziert werden. Wir sind in der glücklichen Lage in den meisten Fällen einsatzklar zu bleiben, da ausreichend Material vorhanden, das wir entsprechend austauschen können.

♦Wer bezahlt denn einen solchen Einsatz? Erhält die Wasserwacht und die anderen Einheiten eine Entschädigung? Oder lebt die Wasserwacht nur von Spenden?

Dieser Einsatz wird von der Allgemeinheit getragen. Die Wasserwacht lebt von Spenden und diese sind auch sehr wichtig, um Einsatzmaterial und Sondergeräte anschaffen zu können. Wir werden zwar vom Freistaat Bayern unterstützt, aber nur bei Beschaffungen von Fahrzeugen, Booten und Kleinmaterial. In einem Einsatzfahrzeug stecken jedoch zum Beispiel für über 70.000 Euro an Ausrüstung und Ausstattung, die vom BRK selbst finanziert werden muss.

Wir wollten in deisem Jahr ein Mobiles Sidescan kaufen, aber durch die Corona-Zeit ist dieses leider finanziell nicht möglich. Das Gerät kostet 5.000 Euro, die uns nicht zur Verfügung stehen. Zudem benötigen wir für unseren Einsatzleiter Wasserrettung ein eigenes Einsatzfahrzeug, um schneller an die entsprechenden Einsatzstellen zu gelangen. Damit nicht immer ein Einsatzfahrzeug aus der Wasserwacht, den Einsatzleiter zubringen muss, um dann zu seinem eigentlichen Einsatzauftrag zurückzukehren.

Der Einsatzleiter Wasserrettung hat leider keine Genehmigung dafür, dass er auf sein Privat-Pkw eine Sondersignal aufbauen darf, so wie z.B. die Kommandanten der Feuerwehr oder das THW.

Herzlichen Dank Herr Rädler für das Interview und das sie uns damit einen Einblick in ihre Arbeit gegeben haben. Vielleicht findet sich ja aufgrund dieses Beitrags ein großzügiger Spender für ihr mobiles Sidescan-Gerät, das sie ja offensichtlich dringend brauchen.

 

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