Verdachts der vorsätzlichen Gefährdung des Naturschutzgebietes Rappenalptal – Staatsanwaltschaft Kempten erhebt Anklage

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Staatsanwaltschaft Kempten erhebt Anklage wegen Eingriffs im Naturschutzgebiet Rappenalptal gegen zwei Verantwortliche zweier Alpgenossenschaften zum Landgericht Kempten wegen des Verdachts der vorsätzlichen Gefährdung des südlich des Marktes Oberstdorf gelegenen Naturschutzgebietes Rappenalptal sowie der nachteiligen Veränderung des Rappenalpbaches gem. §§ 330 Abs. 1 S. 2 Nr. 1, 329 Abs. 3 Nr. 3, 324 Abs. 1 StGB.

Die beiden Alpgenossenschaften sind Grundstückseigentümerinnen der linken bzw. rechten Uferflächen am Oberlauf des Rappenalpbaches, welcher als Gebirgsbach mit naturnahem Wildflusssystem durch das Rappenalptal verläuft. Das Gebiet ist samt Gebirgsbach als Naturschutzgebiet nach dem Bundesnaturschutzgesetz besonders geschützt. Eine besondere Schutzbedürftigkeit des Gebirgsbaches besteht zudem auf Grund seiner Zuordnung zum FFH-Lebensraumtyp – Alpine Flüsse mit krautiger Ufervegetation – die den Erhalt und die Wiederherstellung einer ausgedehnten, weitestgehend unzerschnittenen, störungsarmen Berglandschaft der Allgäuer Hochalpenkette sowie dessen Wildflussökosystem bezweckt.

Einem 58-jährigen und 63-jährigen Alpmeister der betroffenen Alpgenossenschaften liegt zur Last, im September und Oktober 2022 über mehrere Wochen ohne entsprechende Genehmigung entgegen einer erfolgten Absprache des zuständigen Landratsamtes Oberallgäu gemeinschaftlich umfangreichste Baggerarbeiten am Oberlauf des Rappenalpbachs sowie den angrenzenden Uferflächen auf einer Länge von circa 1,6 km veranlasst zu haben. Auf Grund durchgeführter Aushub- und Aufschüttungsarbeiten sollen die Angeschuldigten eine starke Veränderung des Bachlaufes und des Uferbereichs vorgenommen haben, so dass der Schutzzweck des Naturschutzgebietes nachhaltig beeinträchtigt wurde.

Hintergrund für die von den Angeschuldigten veranlassten Veränderungen ist nach dem Ergebnis der Ermittlungen ein Starkregenereignis im August 2022 durch welches der Bach stark betroffen war und die angrenzenden Alpflächen teilweise meterhoch mit Kies und Geröll überschüttet worden waren. Auf Veranlassung eines der Angeschuldigten fand daher Ende August 2022 ein VorOrt-Termin statt, in welchem mit einem Vertreter des Landratsamts Oberallgäu der Umfang der aus behördlicher Sicht zulässigen Wiederherstellungsmaßnahmen im Rahmen der Gewässerunterhaltung besprochen wurden.

Es besteht der Verdacht, dass sich beide Angeschuldigten in der Folge bewusst über den mit dem Landratsamt besprochenen Umfang zulässiger Erhaltungsund Wiederherstellungsmaßnahmen hinweggesetzten und tatsächlich weitergehende Maßnahmen durchführen ließen.

Konkret wird den Angeschuldigten vorgeworfen entgegen der Absprache mit dem Landratsamt Oberallgäu durch Baggerarbeiten die Bachsohle des Gebirgsbachs gegenüber dem Vorzustand erheblich eingetieft und das ausgehobene Material an beiden Bereichen des Bachbettes bzw. Uferbereichs aufgeschüttet zu haben.

Sachverständig beraten geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass durch die von den Angeschuldigten veranlassten Ausgrabungs- und Aufschüttungsarbeiten die Breite des ursprünglichen Bachbettes des Rappenalpbaches um durchschnittlich die Hälfte eingeengt wurde. Weiter wurden die Flächen des kiesigen Bachbettes zwischen der linken und rechten Uferböschung stark reduziert, so dass keinerlei Ausuferungen des Bachs mehr möglich sind und die fließgewässertypische Eigendynamik des Gewässers, welche naturgemäß zu regelmäßigen Überflutungen des Ufergeländes führt, unterbunden wird. Durch die Schaffung eines kanalartigen begradigten Bachlaufes ist nur noch begrenzt die Bildung eines Hauptstroms im Gebirgsbach möglich, der eine Ausbildung von Verzweigungen des Bachlaufes und eine Bildung von Inselsituationen mit Nebenarmsystemen im Bachlauf ermöglicht. Durch die vorgenommenen Arbeiten wurde die für das Naturschutzgebiet charakteristische Eigenschaft des Gebirgsbachs Rappenalpbach im betroffenen Bereich vollständig beseitigt und die in diesem Bereich vorhanden Zuordnung der Fläche zum FFH-Gebiet als geschützter Lebensraum aufgehoben. Zudem wurde durch die veranlassten Arbeiten der Gebirgsbach in seinem hydromorphologischen und ökologischen Zustand als Gewässer nachhaltig verschlechtert.

Für eine Wiederherstellung des vorherigen Zustandes des Rappenalpbachs wird der vollständige Rückbau der Seitendämme und Uferaufschüttungen sowie eine Verbreiterung und Anhebung des Bachbettes auf das ursprüngliche Niveau erforderlich. Neben einem erheblichen finanziellen Aufwand muss nach sachverständiger Einschätzung mehrere Jahre zugewartet werden, bis eine vollständige Wiederbesiedlung des wiederhergestellten Bachbettes und der Ufer mit der für das Gebiet charakteristischen Pflanzen und Tieren erfolgen wird.

Das Landgericht Kempten wird nach Prüfung der Anklage über die Eröffnung des Hauptverfahrens entscheiden. Bis zur rechtskräftigen Verurteilung gilt für die Angeklagten die Unschuldsvermutung.

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