Mindelheim | Ersthelfer landet auf Anklagebank – Notfallsanitäter zeigt Ersthelfer an

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Im Juni 2022 kam es aufgrund von Starkregen auf der A96, rund um Mindelheim, zu mehreren Aquaplaningunfällen. Unter anderem verunglückte auch ein 24-jähriger Österreicher mit seinem hochmotorisierten BMW M4. An der Anschlussstelle Mindelheim, Fahrrichtung Lindau, verlor er die Kontrolle über sein Fahrzeug, prallte in die Mittelschutzleitplanke und schleuderte dann in den Grünstreifen zwischen Ein- und Ausfahrt. Dabei riss er noch eine Hinweistafel und andere Verkehrsschilder heraus, die auf die Fahrbahn flogen. (mehr hier)

Der Unfall wurde von einem 37-jährigen Gesundheits- und Krankenpfleger beobachtet, der gerade auf dem Weg zum Nachdienst in die Notaufnahme eines Ostallgäuer Krankenhauses war. Eigentlich wollte er die Autobahn in Richtung München befahren. Er setzte sofort den Notruf über 112 ab und teilte mit, dass er die Unfallstelle anfährt, um Hilfe zu leisten.

Er drehte noch auf der Autobahnbrücke und lief zu der Unfallstelle. Als Krankenpfleger und ausgebildeter Rettungssanitäter unterliegt er der „Garantenpflicht“ und ist zur Hilfeleistung verpflichtet.

Nach der ersten Kontaktaufnahme mit dem Fahrer des Unfallfahrers stellte sich heraus, dass noch weitere Personen im Fahrzeug sind. Ein weiterer Ersthelfer eilte währenddessen zur Unfallstelle. Der 37-Jährige setzt einen weiteren Notruf ab und ergänzt die Lage entsprechend beim Notrufers der ILS Donau-Iller. Von dort aus werden Rettungswagen, Notarzt und Feuerwehr alarmiert.

Nachdem die Patienten von dem weiteren Ersthelfer betreut wurden, entschied sich der Krankenpfleger die Unfallstelle vorsorglich besser abzusichern. Nachdem er nebenberuflich auch Blaulichtfotograf ist, führt er in seinem Auto eine gelbe Rundumkennleuchte und ein Heckwarnsystem mit sich. Er entschied sich sein Fahrzeug an der Ausfädelspur zur Sicherung der Unfallstelle zu stellen. Dazu musste er einen einige hundert Meter fahren, einen Radweg queren und dann an der Behelfsausfahrt wieder in Richtung Lindau auf die A96 auffahren. Dieser Vorgang wurde von der Besatzung eines Rettungswagens des BRK Mindelheim beobachtet.

Der Ersthelfer, Krankenpfleger und Blaulichtfotograf sicherte die Unfallstelle entsprechend, um den rückwärtigen Verkehr vor der Unfallstelle zu warnen. In den Ersten-Hilfe-Kursen für die Führerscheinprüfung lernt man folgendes Vorgehen:

Unfallstelle sichernErste-Hilfe leistenNotruf absetzen

An all diese gesetzlichen Vorgaben und die Erfüllung der Garantenpflicht hat sich der 37-Jährige gehalten.

Der Rettungswagen fuhr ebenfalls die Unfallstelle über die Behelfsausfahrt an, fuhr an dem sichernden Pkw vorbei und stellte sich in die Ausfahrtskurve in Richtung Mindelheim. Die Besatzung stieg aus und kümmerte sich umgehend um die Verletzten, die glücklicherweise nur leicht verletzt wurden. Der Ersthelfer und Blaulichtfotograf entschied sich dann, nachdem die Lage nun unter Kontrolle war seiner Nebentätigkeit nachzugehen und fertigte Fotos von dem Unfall. Dann rückte auch die Feuerwehr Türkheim an und sicherte die Unfallstelle mit ihren schweren Einsatzfahrzeugen.

Nachdem der Fahrer des Rettungswagens, der stellvertretende Leiter Rettungsdienst des BRK Memmingen-Unterallgäu, zu seinem Fahrzeug zurückkehrte bemerkte er den Fotografen und konnte nun auch den sichernden Pkw zuordnen. Er ging dann zu einer Polizistin und hat Anzeige erstattet. Er stellte in dem Raum, dass der 37-Jährige in verbal beleidigt hätte und er benutzte widerrechtlich die Behelfseinfahrt zur A96. Die Anzeige wurde von der Autobahnpolizei Memmingen entsprechend verfolgt. Die Staatsanwaltschaft Memmingen hat die Ermittlungen zur angeblichen Beleidigung umgehend eingestellt, jedoch die Einfahrt über die Behelfsausfahrt zur Anzeige gebracht.

Einige Wochen nach dem Vorfall erhielt der 37-Jährige einen Bußgeldbescheid über 120 Euro Geldbuße und die Eintragung eines Punktes im Verkehrszentralregister. Das erstaunte den Krankenpfleger dann doch etwas. Er legte Einspruch ein, erläuterte den Vorgang, die Notrufe, die Hilfeleistung etc. ausführlich gegenüber der Bußgeldstelle, die den Vorgang aber nicht einstellte, sondern an das Amtsgericht Memmingen zur Verhandlung weiterreichte.

Am Freitag, 28.07.2023, trafen sich dann der Angeklagte, die Polizistin und die beiden Zeugen vor dem Richterpult. Der 37-Jährige ließ sich ausführlich zu der Sache ein, konnte anhand seiner Bilder und von Google-Übersichtskarten den ganzen Ablauf der Richterin plausibel erklären. Dann wurde die Polizistin von der Richterin vernommen, die auch geprüft hatte, wer die Notrufe abgesetzt hatte und gab auch an sich diese im nach hinein angehört zu haben. Die Notrufe kamen vom 37-Jährigen, dies bestätigte und es gab auch noch einen weiteren von einer dritten Person.

Dann kam der stellvertretende Leiter Rettungsdienst, der den Rettungswagen gefahren hat, zu Wort. Er schilderte, dass er den Pkw des Angeklagten auf der Anfahrt zur Behelfsausfahrt gesehen hatte, der Abstand aufgrund der Geschwindigkeit sich verlängerte. Er nahm das Fahrzeug mit Gelblicht und Heckblitzern dann erst auf der Autobahn wieder wahr. Die Richterin fragte nach, ob der Pkw des Angeklagten die Unfallstelle gesichert hatte? Hier fand der Fahrer des Rettungswagens keine klare Antwort. Dann wurde noch der Beifahrer des ersten Zeugen vernommen. Dieser sagte aus, dass er das Fahrzeug auf der Anfahrt bemerkt hatte, dann aber im weiteren Verlauf, dem keine Beachtung mehr schenkte. Auch hier fragte die Richterin nach, ob das Fahrzeug die Unfallstelle sicherte. Ja, das Gelblicht und die Blitzer waren eingeschaltet. Danach durften die Zeugen das Gericht verlassen.

Die Richterin schlug ihre Akte zu und sagte, „ich werde das Verfahren einstellen“. Beim nächsten Male soll der Angeklagte die Beteiligten bitte gleich aufklären, welche Rolle er gespielt hat, dann kann man sich den ganzen Aufwand sparen.

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