München – Kempten | Falsch geparkt? 16 Verfahren nach Polizeigottesdienst im Januar

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„Weil sie nicht zum Gottesdienst laufen wollen, parken hochrangige Staatsdiener einfach vor der Münchner Frauenkirche. Damit sie kein Knöllchen bekommen, legen sie rote Kellen hinter die Windschutzscheiben. Das könnte jetzt doppelt Ärger geben“, so die Süddeutsche Zeitung in ihrer Freitagsausgabe. „Nach aktuellem Stand wurden 16 Verfahren wegen Verkehrsordnungswidrigkeiten eingeleitet“, sagte ein Sprecher des Präsidiums München am Freitag.

Am späten Nachmittag des 19.01.2023 wurde in der Münchner Frauenkirche ein Gottesdienst für die bayerische Polizei abgehalten. Im Anschluss gab es einen Stehimbiss im Kramelitersaal um die Ecke. Einige der Angereisten aus der Führungsetage der bayerischen Polizeipräsidien ließen sich so nah wie möglich an die Kirche und zum anschließenden Stehimbiss heranfahren. Die Fahrer der warten derweil vor Ort auf ihre Dienstherren. Auch die Kemptner Polizeipräsidentin Dr. Claudia Strößner nahm an der Veranstaltung teil und ist von der Angelegenheit betroffen, zumindest ihr Fahrer. Das bestätigte das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West am Freitagvormittag auf Anfrage.

Das darf auch die Polizei nicht ohne guten Grund, und nachdem die Abendzeitung die Sache publik gemacht hatte, kündigte ein Sprecher des Münchner Präsidiums an, die erfassten Verkehrsverstöße zu verfolgen: „Das wird polizeiintern natürlich nachbereitet.“

Nun könnte die Angelegenheit auch noch ein juristisches Nachspiel haben, denn wie die Staatsanwaltschaft München I der Süddeutschen Zeitung bestätigte, ist eine anonyme Strafanzeige bei ihr eingegangen. Dabei geht es um Amtsanmaßung sowie um Strafvereitelung. Die Amtsanmaßung richtet sich gegen Unbekannt und zielt auf die Fahrer von sieben jeweils mit Kennzeichen benannten Dienstwagen, weil diese rote Polizeikellen hinter den Windschutzscheiben platziert hatten – als sichtbares Zeichen, dass die Polizei im Einsatz ist. Dokumentiert wurde das mit entsprechenden Fotos.

Brisant ist vor allem der Vorwurf der Strafvereitelung, denn der geht gegen die Vorgesetzten der Fahrer – und die werden als Präsidenten oder Vizepräsidenten von regionalen Verbänden identifiziert. Namentlich genannt werden Landespolizeipräsident Michael Schwald und der Chef des Präsidiums Oberbayern Süd, Manfred Hauser. Deren Pflicht sei es – so heißt es in dem vierseitigen Schreiben, das der SZ vorliegt -, schon den Verdacht eines strafbaren Handelns der Staatsanwaltschaft mitzuteilen, was jedoch unterblieben sei. Auch Münchens Polizeipräsident Thomas Hampel wird der Strafvereitelung beschuldigt, weil er für An- und Abfahrt der Gottesdienstteilnehmer verantwortlich gewesen war und die mutmaßlichen Straftaten ebenfalls nicht gemeldet habe.

Von der Staatsanwaltschaft hieß es am Donnerstag, „der vorgetragene Sachverhalt wird nun geprüft“. Schwald und Hauser ließen mitteilen, dass sie bislang nur über den Eingang der Anzeige bei der Staatsanwaltschaft informiert seien und sich zu laufenden Ermittlungen nicht äußern könnten. Auch Hampel ließ um Verständnis bitten, „zu einem laufenden Verfahren der Staatsanwaltschaft München I keine Stellungnahme abgeben (zu) können“.

Nur Vollzugsbeamte im Einsatz dürfen die rote Kelle benutzen

Die Person, die den Verdacht der Straftaten angezeigt hat, kennt sich offensichtlich gut aus im Verwaltungs- und Beamtenrecht. Denn in dem Schreiben wird explizit darauf hingewiesen, dass Präsidenten, Vizepräsidenten und deren Fahrer in der Regel keine Vollzugsbeamten sind, die hoheitliche Aufgaben erfüllen und infolgedessen die rote Kelle nutzen dürften, um bei einem aktuellen Einsatz nicht erst einen Parkplatz suchen zu müssen. Von daher seien in jedem Fall Befugnisse überschritten worden, denn als Einsatz sei der Gottesdienstbesuch nicht plausibel zu erklären. Vermutlich seien die Wagen zumindest mit Wissen oder Billigung der Präsidenten verbotswidrig geparkt worden.

Auf den Umstand, dass es an der Frauenkirche keine Parkmöglichkeiten gibt, hatte Landespolizeipräsident Schwald in der Einladung ausdrücklich hingewiesen: „Wir bitten Sie daher, zur Anfahrt öffentliche Verkehrsmittel zu verwenden.“ Auswärtige Teilnehmer könnten Parkplätze „in geringer Zahl“ vor dem Innenministerium nutzen; von dort ist die Frauenkirche zu Fuß in etwa zehn Minuten zu erreichen. Ansonsten riet Schwald, die Dienstfahrzeuge bei der Bereitschaftspolizei in der Rosenheimer Straße abzustellen. Dass Schwald sich selbst nicht an seine Empfehlung hielt und seinen Wagen am Innenministerium stehen ließ, wo er ja auch sein Büro hat, ist zumindest ein Politikum.

Das Münchner Präsidium teilte am Donnerstag immerhin noch mit, dass „die Verfolgung der in Betracht kommenden Verkehrsordnungswidrigkeiten in die Wege geleitet“ worden sei. Aus Rosenheim, dem Sitz des Präsidiums Oberbayern Süd, hieß es, dass ein Verwarnungs- oder Bußgeld fürs Falschparken „natürlich bezahlt werden wird“, es sei bis dato aber nichts aus München gekommen. Erster Ansprechpartner fürs Bezahlen sei im Übrigen der Fahrer.

Quelle: Süddeutsche Zeitung