Landgericht Memmingen | Tierquälerei: Haftstrafen für die beiden Unterallgäuer Landwirte

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Wegen Tierquälerei bei mehreren Dutzend Rindern sind zwei Allgäuer Landwirte am Dienstag, 29.11.2022, vor dem Landgericht Memmingen zu Haftstrafen verurteilt worden. Einer der beiden Angeklagten, ein 25-Jähriger, wurde von der Strafkammer zu zwei Jahren und zehn Monaten Gefängnis verurteilt. Sein 68 Jahre alter Vater erhielt eine Haftstrafe von zwei Jahren auf Bewährung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, die Anwälte der beiden Angeklagten können noch Rechtsmittel einlegen.

Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die beiden Landwirte kranke Tiere in ihren Ställen nicht von gesunden getrennt und keinen Tierarzt gerufen hatten. Dadurch sollen die Rinder erheblich gelitten haben, einige mussten notgeschlachtet werden.

Die Staatsanwaltschaft Memmingen hatte zuvor zweieinhalb Jahre beziehungsweise zwei Jahre und zehn Monate Gefängnis für die beiden Männer gefordert. Die Verteidiger der beiden Angeklagten verwiesen auf die Geständnisse der beiden Angeklagten und sprachen sich für Haftstrafen unter zwei Jahren aus, die zur Bewährung ausgesetzt werden könnten.

Die Angeklagten waren mit ihrem Betrieb in Bad Grönenbach im Landkreis Unterallgäu 2019 beim sogenannten Allgäuer Tierschutz-Skandal in die Schlagzeilen geraten. Damals wurden die Ermittler auf mehrere Bauernhöfe aufmerksam, nachdem eine Tierschutzorganisation Videos veröffentlicht hatte, die Fälle von Tierquälerei aus einem Großbetrieb zeigen sollen.

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Das erste umfangreiche Verfahren im sogenannten Tierskandal vor der großen Strafkammer des Landgerichts Memmingen endete mit der Verurteilung der beiden Angeklagten Landwirte.

Der Vorsitzende Richter Christian Liebhart verkündete am Dienstag, um 11:15 Uhr, die Entscheidung der Kammer.

Der inzwischen 68 Jahre alte Johann Baptist H. wurde wegen quälerischer Misshandlung von Wirbeltieren durch Unterlassen in fünf Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.

Sein 25 Jahre alter Sohn Florian H. wurde aus demselben Grund, jedoch in zehn Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zehn Monaten verurteilt. Freiheitsstrafen bis zu zwei Jahren können zur Bewährung ausgesetzt werden. Von dieser Möglichkeit hat die Kammer bei Johann H. Gebrauch gemacht. Als eine von mehreren Bewährungsauflagen muss er 12.000 Euro an einen Gnadenhof bezahlen.

Gegen beide Angeklagte wurde ein fünfjähriges Tierhalteverbot ausgesprochen.

Der Vorsitzende sprach in seiner etwa einstündigen Urteilsbegründung von „verheerenden Bedingungen vor Ort“. Auf den völlig überfüllten Hofstellen, auf denen die Anzahl der zur Verfügung stehenden Liegeplätze in keinerlei Relation zur Anzahl der dort gehaltenen Tiere standen, stand der Kot bis zu einem halben Meter hoch. Trotz offensichtlicher Behandlungsbedürftigkeit der betroffenen Rinder und Kälber und wiederholter konkreter behördlicher Vorgaben zur Beseitigung der Missstände (Originalton des Richters:“ Ignoranz gegenüber behördlichen Vorgaben“), zogen die Angeklagten Tierärzte entweder gar nicht oder zu spät hinzu. Hierdurch erlitten die betroffenen Tiere länger andauernde erhebliche Schmerzen und mussten als Folge oftmals notgetötet werden.

Die unterschiedliche Strafhöhe resultiert in erster Linie aus der unterschiedlichen Anzahl von Fällen, für die die Angeklagten verurteilt wurden. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass ein Fall nicht einem betroffenen Tier entspricht, sondern regelmäßig jeweils mehrere Tiere betroffen waren.

Die Angeklagten haben sich im Laufe der Verhandlung eingelassen. Sie haben ihr Verhalten mit Betriebsblindheit und Überforderung begründet und erklärt, dass ihnen die schlimmen Zustände erst aufgrund der angefertigten Fotos bewusst geworden seien und es ihnen leid tue.

Im Lauf der 17-tägigen Hauptverhandlung, in der zahlreiche Zeugen und Sachverständigen vernommen wurden, wurden, mit der Zustimmung aller Beteiligten, weitere Tatvorwürfe, die Gegenstand des Verfahrens waren, wie zum Beispiel das Nichtabführen von Sozialversicherungsbeiträgen, eingestellt. Dies geschah, da nach Überzeugung der Kammer die dafür zu erwartenden Strafen neben den Strafen für die verbleibenden Tatvorwürfe (die Verstöße gegen das Tierschutzgesetz), nicht beträchtlich ins Gewicht fallen würden.

Gegen das Urteil können die Staatsanwaltschaft und die Angeklagten innerhalb einer Woche Revision einlegen. Der Bundesgerichtshof prüft dann das Verfahren auf Rechtsfehler. Das heißt die Beweisaufnahme wird nicht nochmals durchgeführt.

 

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