Die Beratungs- und Interventionsgruppe gegen Rechtsextremismus (BIG Rex) des Landeskriminalamtes Baden-Württemberg und der Staatsschutz des Polizeipräsidiums Ulm haben vor einigen Tagen in den Kreisen Ulm, Biberach, Göppingen und Alb-Donau bei 30 Personen Hausbesuche abgestattet.
Die Adressaten sind überwiegend Männer, die mit der rechten Szene sympathisieren, in dieser verkehren, in der Vergangenheit politisch rechts geprägte Veranstaltungen besuchten oder wegen entsprechender Straftaten bereits in Erscheinung getreten waren. Die begangenen Delikte erstreckten sich über Sachbeschädigungen, das Verwenden verfassungsfeindlicher Symbole bis hin zu Volksverhetzung. Mit der persönlichen Ansprache sollen Personen aus der rechten Szene vor der Begehung zukünftiger Straftaten bewahrt werden. Die Beamten ermunterten ihre Gesprächspartner zum Ausstieg aus der rechten Szene und boten für den Fall der oftmals langwierigen Umorientierung ihre aktive Hilfe an.
Die Angesprochenen waren zwischen 19 und 35 Jahren alt, die meisten allerdings Mitte bis Ende 20. Fast die Hälfte der kontaktierten Männer waren gesprächsbereit, mehr als ein Drittel der Angesprochenen vertritt jedoch weiterhin eine rechtsextreme Gesinnung oder räumt ein, in entsprechenden ideologisch gleichgesinnten Szenenkreisen zu verkehren. Einzelne hatten sich bereits selbstständig von der rechten Szene abgewandt.
Die Polizei klärte die überwiegend jungen Menschen in zahlreichen Gesprächen über Hintergründe und Gefahren des Rechtsextremismus und damit einhergehenden negative Auswirkungen sowohl im Privat- wie auch im Berufsleben auf. Ziel dieser Gespräche war es vor allem, den oft orientierungslosen jungen Menschen Alternativen und Möglichkeiten eines Ausstiegs aufzuzeigen. Die Teams beantworteten Fragen, wie das Abrutschen in den Rechtsextremismus verhindert werden kann, welche Wege es für Aussteiger gibt, oder auch welche Zukunftsperspektiven nach einem Ausstieg bestehen. Neben den Gesprächen ergab sich für die Polizei die Möglichkeit, Angehörige und auch den unmittelbaren Freundeskreis der Adressaten zu sensibilisieren.
In einigen Gesprächen konnte festgestellt werden, dass weder eine rechtsextreme Ideologie noch eine entsprechende Szenenzugehörigkeit das Motiv für Fehlverhalten waren. Vielmehr wollte man „Teil einer Gruppe“ oder „anerkannt“ sein. Oftmals spielte Alkoholkonsum eine Rolle. Politische Hintergründe dagegen sind erfahrungsgemäß oft nur plakatives Beiwerk und nicht die Hauptmotivation der in den rechten Sog geratenen jungen Menschen.
Im Rahmen ihrer Möglichkeiten wird die Polizei diesen Personenkreis auch weiterhin im Auge behalten.
BIG Rex ist unter der Telefonnummer 0711/5401-3600 oder unter
big-rex@polizei.bwl.de erreichbar.
Zusatzinformation BIG Rex: Die BIG Rex ist Teil des im Jahr 2001 durch das Innenministerium Baden- Württemberg unter Einbeziehung der Ministerien für Justiz, Kultus- und Soziales ins Leben gerufenen Programms „Ausstiegshilfen Rechtsextremismus“. Der Grundgedanke des Programms besteht darin, sowohl polizeilich bekannte Sympathisanten, wie auch Erst- und Mehrfachtäter durch die Landespolizei und das Landeskriminalamt (LKA) anzusprechen, um sie zum Ausstieg aus der rechten Szene zu motivieren und ggf. zu unterstützen. Die BIG Rex ist beim Landeskriminalamt Baden-Württemberg angesiedelt. Zu den Mitarbeitern zählen vornehmlich Polizeibeamte und eine Diplompädagogin.
Die BIG Rex arbeitet behördenübergreifend und ist nicht ermittelnd tätig. Im Mittelpunkt ihrer Tätigkeit steht ausschließlich die Unterstützung ausstiegswilliger Szeneangehöriger. Hierbei sollen Justizbehörden, Jugend-, Arbeits- und Sozialämter, Schulen und Kommunen mit der Polizei gemeinsam jedem Ausstiegswilligen individuelle, auf seine persönlichen Lebensumstände abgestimmte Hilfeleistungen bieten. Beispielsweise sollen umkehrbereite Rechtsextremisten bei der Arbeitsplatzsuche, der Bewältigung von Strafverfahren, der Wohnungssuche, der Schuldnerberatung, bei der Abwicklung von Behördengängen oder beim Schutz vor einer befürchteten Bedrohung durch ehemalige Gesinnungsgenossen unterstützt werden.
Seit Beginn des Programms Ausstiegshilfen Rechtsextremismus wurden von der Landespolizei und dem Landeskriminalamt weit über 2500 Personen der rechten Szene angesprochen. Zwischenzeitlich sind mit Hilfe der Polizei des Landes über 500 Personen aus der „rechten Szene“ ausgestiegen, davon annähernd 300 mit Unterstützung der BIG Rex des LKA.
Zusatzinformation Anonymisiertes Hinweissystem Seit dem 1. September 2012 hat das Landeskriminalamt Baden-Württemberg ein anonymes Hinweisaufnahmesystem (BKMS) eingeführt. Hinweise gegen Korruption, Wirtschaftskriminalität und rechtsextremistisch motivierter Kriminalität können hier anonym gemeldet und weitergeleitet werden. Der Datenverkehr über anonyme Postfächer, IP-Adressen wird nicht gespeichert. Hinweisgeber können über das System mir der Polizei in Kontakt treten – ihre Anonymität ist jederzeit gewährleistet. Zum System gelangt man über die Internetauftritte der Polizeidienststellen, des Landeskriminalamtes und des Innenministeriums. Das Landeskriminalamt bewertet die eingehenden Hinweise und kann über as anonyme Postfach bei Bedarf mit dem Hinweisgeber in einen Dialog treten. Notwendig kann dies beispielsweise sein, wenn der Hinweis noch vage ist oder ergänzende Informationen benötigt werden. Sollte sich ein Verdachtsfall konkretisieren, wird die örtlich zuständige Polizeidienststelle mit den weiteren Ermittlungen beauftragt.