Kempten/München – Der Bayerische Landtag und der Drogenfund beim Chef der Drogenfahndung

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Foto: Polizei
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Der Drogenfund beim ehemaligen Leiter des Kommissariats 4 (Rauschgift) der Kriminalpolizei Kempten, Armin N., hat die Polizei in ein seltsames Licht gerückt, hier vor allem das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West in Kempten/Allgäu. Mittlerweile ist der Fall für den Angeklagten abgeschlossen, er wurde zu sechs Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Doch für einige Politiker im Bayerischen Landtag ist das Kapitel noch nicht abgeschlossen. Vor allem Grüne und SPD wollen die Sache geklärt haben, und kommen damit ihrem öffentlichen Auftrag nach.

Bereits am 22.10.2014 musste der Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer zum Drogenfund bei der Bayerischen Polizei in Kempten/Allgäu Rede und Antwort stehen im Ausschuss für Kommunale Fragen, Innere Sicherheit und Sport des Bayerischen Landtags. Zu diesem Zeitpunkt war bereits Anklage durch die Staatsanwaltschaft München I gegen den ehemaligen Leiter der Drogenfahndung, Armin N., beim Landgericht Kempten/Allgäu erhoben worden, das Verfahren jedoch noch nicht abgeschlossen.

Wir, die Redaktion, haben hier eine Zusammenfassung aus der Anhörung für unsere Leser erstellt, da uns mittlerweile die Protokolle aus dem Bayerischen Landtag zugespielt worden sind. Wir wollen das Bild der Verhandlung in Kempten etwas abrunden und auch aufzeigen wie unsere Landtagsabgeordneten mit dem Vorfall umgehen.

Foto: Bayerisches Innenministerium
Foto: Bayerisches Innenministerium

Die Ermittlungen um den Fall Armin N. wurden vom Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) im Februar 2014 aufgenommen und Mitte September 2014 abgeschlossen. Mit Abschluss der Ermittlungen wurde der Staatsanwaltschaft München I ein Schlussbericht vorgelegt. In der Anhörung in München am 22.10.2014 wies der Landespolizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer darauf hin, dass er auf Grund des laufenden Strafverfahrens nicht zu allen Detailfragen sich äußern kann.

In der Nacht vom 14./15.02.2014 kam es in der gemeinsamen Wohnung des ehemaligen K4-Leiters, Armin N., und seiner Ehefrau zu einer gewalttätigen Auseinandersetzung, wobei der Angeschuldigte, seine Ehefrau in lebensbedrohlicher Weise würgte und zur Duldung sexueller Handlungen zwang.

Nachdem Armin N. von seiner Frau abgelassen hatte, fuhr er unter erheblichen Alkohol- und Medikamenteneinfluss mit seinem Pkw auf der B19 in Richtung Kempten und wurde in der Ortschaft Waltenhofen von der Polizei gestoppt und festgenommen. Im Zuge der anschließenden Durchsuchung seines Büros in der Kriminalpolizeiinspektion Kempten wurden insgesamt rund 1,8 Kilogramm Kokain aufgefunden, für deren Besitz kein dienstlicher Anlass oder eine sonstige Berechtigung erkennbar war.

Die kriminalpolizeilichen Ermittlungen wurden noch am 15.02.2014 dem BLKA übertragen. Die Generalstaatsanwaltschaft München übertrug die weitere Führung des Ermittlungsverfahrens der Staatsanwaltschaft München I.

Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West sprach am 16.02.2014 dem Angeschuldigten Chefermittler, Armin N., das Verbot der Führung von Dienstgeschäften (Suspendierung) aus. In der Folge erließ das Amtsgericht Kempten/Allgäu am 16.02.2014 einen Untersuchungshaftbefehl.

Aufgrund der durchgeführten Ermittlungen wurden dem Angeschuldigten von der Staatsanwaltschaft München I u.a. der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, gefährliche Körperverletzung, Bedrohung, Vergewaltigung und vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr vorgeworfen.

Gegenstand der Anklage war auch ein Vorfall, der sich bereits im Januar 2014 in der gemeinsamen Wohnung des Angeklagten und seiner Ehefrau zutrug. Dabei wurde die Ehefrau vom Verurteilten gewürgt. Er drohte dabei, sie umzubringen. Die Ehefrau stürzte auf der Flucht vor ihrem Ehemann vom Balkon aus dem ersten Stock und verletzte sich an der Wirbelsäule.

Dem Bayerischen Landeskriminalamt gelang es trotz umfangreicher Ermittlungen letztlich nicht, die Herkunft des im Büro des Verurteilten sichergestellten Kokains zu klären. Dabei haben die Ermittler im Rahmen ihrer Ermittlungstätigkeit u.a. in polizeilichen Systemen, in Aufzeichnungen der Staatsanwaltschaft Kempten/Allgäu seit dem Jahr 2000, bei den angrenzenden Staatsanwaltschaften sowie sogar in Untersuchungslaboren Deutschlands, der Schweiz, Österreichs, Italiens und Irlands hinsichtlich des Kokains gleicher Herkunft und Zusammensetzung erfolglos recherchiert.

Die Angaben von Armin N., das Kokain zu Schulungszwecken von der Staatsanwaltschaft Kempten erhalten zu haben, konnten durch die Ermittlungen damit weder be- noch widerlegt werden. Die Staatsanwaltschaft München I hält es nach den bisherigen Erkenntnissen für wahrscheinlich, dass Armin N. das Rauschgift vor längerer Zeit in dienstlicher Eigenschaft erhalten, es dann aber zu privaten Zwecken für sich behalten hat.

Der Landespolizeipräsident nimmt auch Stellung zu den in den Medien veröffentlichten Spekulationen, dass der ehemalige Chefermittler Kontakte zur Organisierten Kriminalität (OK) bzw. zur Mafia unterhielt. Nach umfangreichen Vernehmungen und Recherchen liegt das Ergebnis vor, dass ein Zusammenhang zu OK- bzw. Mafiastrukturen nicht bewiesen werden kann.

Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer betont, dass die bereits im Jahr 2013 erfolgte Ablösung des damaligen Dienststellenleiters, der die Organisierte Kriminalität (OK) im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West zuständigen Kriminalpolizeiinspektion Z (Zentralaufgaben), sowie die Suspendierung eines Ermittlungsbeamten dieser Dienststelle in keinem Zusammenhang mit dem Fall des ehemaligen K4-Leiters der Kriminalpolizei Kempten/Allgäu stand.

Auch der Hinweis, wonach der Verurteilte Armin N. Telekommunikationsüberwachungsmaßnahmen gegen einen anderen Beschuldigten beendet hätte, da er von diesem Kokain bezogen hätte, ging das BLKA nach. Im Ergebnis wurde festgestellt, dass von Armin N. keine Überwachungsmaßnahme beendet wurde.

In den Ermittlungen des BLKA wurde auch das Verhältnis zu einer Polizeibeamtin der Polizeiinspektion Kempten beleuchtet. Ihre DNA befand sich auf der Innenseite einer Verpackung zweier sichergestellten Rauschgiftpackungen, die zusammengenommen eine nicht geringe Menge an Kokain darstellen. Wie die Ermittler herausfanden, handelt es sich bei der genannten Beamtin um die ehemalige Lebensgefährtin des Verurteilten. Auch bei dieser Beamtin fanden Durchsuchungen statt. Die Polizeibeamtin schwieg während der Ermittlungen zu den Vorwürfen.

Auch diese Beamtin wurde durch das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West vom Dienst suspendiert und befindet sich seit 01. Juli 2014 nicht mehr im Dienst.

Die Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamtes ergaben ferner Bezüge zu einer weiteren Polizeibeamtin der Polizeiinspektion Kempten. Diese ist mit der ehemaligen Lebensgefährtin von Armin N. befreundet. Gegen diese Beamtin wird wegen des Verdachts der versuchten Strafvereitelung ermittelt. Eine abschließende Beurteilung in diesem Verfahren durch die Staatsanwaltschaft München I liegt noch nicht vor.

Der Tatvorwurf gegen die Beamtin hat sich jedoch soweit relativiert, dass nach Auskunft der Staatsanwaltschaft München I die ursprünglich mit Wirkung vom 07.07.2014 ausgesprochene Suspendierung zum 29.09.2014 aufgehoben werden konnte.

Der Landespolizeipräsident weist auf die umfassenden Ermittlungen durch das Bayerische Landeskriminalamt hin. Dabei wurden neben umfangreichen Vernehmungen unter anderem auch 60 aktuelle und inaktuelle Bankkonten bei 26 unterschiedlichen Kreditinstituten ausgewertet, diverse labortechnische Gutachten zu den Betäubungsmitteln und -stoffvergleichen sowie daktyloskopische und DNA-Gutachten in Auftrag gegeben, sichergestellte Mobiltelefone, Computer, eine Vielzahl von Datenträgern wie CD, DVD und USB-Sticks ausgewertet sowie polizeiliche und staatsanwaltschaftliche Akten von rund 40 Altverfahren zur Klärung möglicher Zusammenhänge überprüft. Insbesondere zur Herkunft des sichergestellten Kokains wurden umfangreiche Ermittlungen auch im Ausland aufgenommen, leider mit negativem Ergebnis.

Auch zur Frage von Versäumnissen in der Dienstaufsicht hat der Landespolizeipräsident in der Anhörung Stellung bezogen. Im Rahmen der Ermittlungen wurde bekannt, dass der ehemalige K 4-Leiter bereits seit einigen Jahren in verschiedener Intensität Alkohol, Medikamente und Betäubungsmittel konsumierte. Hierzu konnte Prof. Dr. Schmidberger mit Hinweis auf die Persönlichkeitsrechte in einer öffentlichen Sitzung keine detaillierten Angaben machen, so ist es im vorliegenden Protokoll vermerkt. Weder Vorgesetzte noch Mitarbeiter des Angeschuldigten gaben in ihren Vernehmungen an, Auffälligkeiten am Angeschuldigten festgestellt zu haben, die auf ein solches Konsumverhalten hingedeutet hätten. Nur ein paar wenige bemerkten im letzten halben Jahr vor der Festnahme beim Verurteilten Veränderungen, die sie aber nicht mit einem möglichen Rauschgiftmissbrauch in Verbindung brachten.

Im November 2009 wurden dem Polizeipräsidium Schwaben Süd/West Ehestreitigkeiten des Armin N. mit gegenseitigen Körperverletzungen bekannt, im Rahmen derer der Verurteilte unter erkennbarem Alkoholeinfluss stand. Es wurde ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet, dieses wurde jedoch nach § 170 (2) Strafprozessordnung (StPO) gegen Armin N. eingestellt, da die Ehefrau ihre Aussage relativierte. Aufgrund des Vorfalls veranlasste das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West eine polizeiärztliche Untersuchung, die im Januar 2010 stattfand. Der Beamte war zum Untersuchungszeitpunkt dienstfähig weiterhin uneingeschränkt polizeidienstfähig und für seine bisherige Tätigkeit gesundheitlich geeignet. Nach eigener Aussage des Verurteilten befand sich dieser zu diesem Zeitpunkt in ambulanter fachärztlicher Behandlung, deren Fortführung polizeiärztlicherseits empfohlen wurde. Nach Mitteilung des Polizeipräsidiums Schwaben Süd/West wurde der Beamte Armin N. während dieser Zeit intensiv von seinem damaligen Dienststellenleiter betreut. Auch hierbei hatten sich keine Hinweise auf Rauschgiftmissbrauch ergeben.

Der Landespolizeipräsident teilte in der Anhörung mit, dass aufgrund des Vorfalls in Kempten/Allgäu bei allen Polizeidienststellen Bayerns die Aufbewahrung von sogenannten „Drogenmusterkoffern“ oder „Drogenpräventionskoffern“, die für Drogenpräventionsveranstaltungen der Bayerischen Polizei benötigt werden, überprüft wurden. Diese Koffer unterliegen einer besonderen Verwahrung entweder in Asservatenräumen, in Tresoren oder sonstigen verschließbaren Behältnissen in der Regel mit Zugang nur durch einen eng begrenzten Personenkreis.

Soweit es sich um sichergestelltes Rauschgift handelt, erfolgt die Verwahrung gemäß der Dienstvorschrift für die Behandlung von Verwahrstücken bei staatlichen Polizeidienststellen (DVVstP) grundsätzlich in verschließbaren Räumen und Behältnissen. Die zur Verwahrung benutzten Räume sind von Angehörigen der jeweiligen Dienststelle zu beaufsichtigen oder in anderer Weise ausreichend zu sichern und einem eng begrenzten Personenkreis zugänglich. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass sich das Rauschgift nach erfolgter Sicherstellung bis zum Abschluss der erforderlichen ersten polizeilichen Anschlussmaßnahmen, wie z.B. Trocknung, Verwiegung, daktyloskopische Spurensicherung, DNA-Sicherung, etc., aus arbeitsökonomischen Gründen in der Verfügungsgewalt des jeweiligen polizeilichen Sachbearbeiters befindet und dieser eigenverantwortlich für eine entsprechend gesicherte Verwahrung zu sorgen. Nach Abschluss der erforderlichen polizeilichen Maßnahmen erfolgt die Übersendung des sichergestellten Rauschgifts als Asservat an die zuständige Staatsanwaltschaft. Diese ist für die Vernichtung des Rauschgifts zuständig. Entsprechende Regelungen hierzu finden sich in dem Leitfaden der bayerischen Staatsanwaltschaften zur Asservatenbehandlung.

 

Foto: Bayerische Staatskanzlei
Foto: Bayerische Staatskanzlei

Der Abgeordnete Prof. Dr. Peter Paul Gantzer (SPD) fühlt sich durch die Stellungnahme an eine Mischung zwischen „Tatort“ und „Miami Vice“ erinnert: Der ehemalige Leiter der Drogenfahndung Kempten habe jahrelang häusliche Gewalt ausgeübt, Kokain nicht feststellbarer Herkunft konsumiert, Kontakt zu Mafiosi und zu mindestens einem „Bandido“ (Rockerszene) gehabt; zwei Polizeibeamte, die im Kemptener Drogenmilieu ermittelt hätten, seien aus nicht nachvollziehbaren Gründen nach Neu-Ulm versetzt worden; auf dem Kokain hätten sich DNA-Spuren einer ehemaligen Gebliebten von Armin N. gefunden; ein leitender Oberstaatsanwalt habe vor geraumer Zeit Betäubungsmittel an die Polizei zu Schulungszwecken freigegeben und jetzt Selbstmord begangen. Zwar sei der betreffende damalige Erste Polizeihauptkommissar von seinen Vorgesetzten intensiv betreut worden. Die Verfahren wegen häuslicher Gewalt seien eingestellt worden, weil die Frau nichts mehr aussagen wollte. Hinzu komme, dass er Anfang des Jahres 2014 eine wirklich schwere Körperverletzung gegenüber seiner Ehefrau begangen habe, die zu einer operationspflichtigen Berstungsfraktur der Lendenwirbelsäule schwerster Art geführt habe. Nach Rückkehr aus dem Krankenhaus sei die Frau erneut Opfer einer Straftat geworden, die schließlich zu den Ermittlungen geführt habe. – Zudem habe dieser damalige K4-Leiter Kokain konsumiert – und niemand habe etwas gemerkt. Das sei ihm, Gantzer, nicht erklärlich; das allergrößte Versäumnis sei, dass die Vorgesetzten im Wege der Kumpanei nicht richtig reagiert hätten. Zudem sei der Betreffende bereits 2009 ärztlich untersucht worden, allerdings wohl nicht auf Alkohol- oder Drogenmissbrauch, obwohl bekannt gewesen sei, dass er seine Ehefrau in stark alkoholisiertem Zustand geschlagen habe. Die ungeklärte Herkunft von 1,8 Kilogramm Kokain in 16 Einzelmengen, wie aus der Anklageschrift hervorging, sei sehr unbefriedigend. Auch die Finanzierung der großen Auslandsreisen habe nicht ermittelt werden können; ob er gedealt habe oder nicht, sei ebenfalls nicht bekannt. Ungeklärt sei ferner der Selbstmord des Oberstaatsanwaltes. Zum Umgang mit beschlagtnahmten Rauschgift gebe es eine klare Dienstanweisung, Vernichtungsnachweise fehlten jedoch. Zeugen hätten berichtet, es sei ein Kuriosum gewesen, wie den Polizeibeamten Rauschgift angeblich zu Schulungszwecken übergeben worden sei.

Gantzer führt weiter fort – Der Beschuldigte habe intensive Kontakte in die Mafia-Szene gehabt. Auch über die Freundschaft zu dem Bandido sollte Aufklärung geschafft werden. – Das Gesamtbild dieses ehemaligen Polizeibeamten sei mehr als merkwürdig; wenn das weder dem Vorgesetzten noch einem Kollege aufgefallen sei, sei zu fragen, was im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West los sei und ob der Dienst dort ordnungsgemäß abgewickelt werde.

 

Foto: Bayerische Staatskanzlei
Foto: Bayerische Staatskanzlei

Die Abgeordnete Katharina Schulze (Grüne) sieht in dem Fall beim Polizeipräsidium Schwaben Süd/West noch etliche offene Fragen, die restlos aufgeklärt werden müssten. Unklar sei beispielsweise, warum der Verurteilte Chef des Drogendezernats hätte bleiben können, obwohl schon 2009 viele Vorwürfe gegen ihn erhoben worden seien und bekannt gewesen sei, dass einiges schief laufe. Beim Umgang mit Asservaten sei, wie sich jetzt herausstellt „jahrelang geschlampt“ worden; unklar sei, warum da niemand von weiter oben eingegriffen habe.

 

Foto: Bayerische Staatskanzlei
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Der Abgeordnete Manfred Ländner (CSU) schließt sich nach lückenloser Aufklärung des Skandals an. Der Bericht vom Landespolizeipräsidenten zeige die umfangreiche Ermittlungstätigkeit. Nach den ersten Vorkommnissen von häuslicher Gewalt sei der Angeschuldigte in fachärztlicher Behandlung gewesen; der Vorgesetzte habe den Polizeibeamten dienstlich begleitet. Die Erkennbarkeit von Kokain-Konsum sein bekanntlich schwierig – weder bei Christoph Daum noch Konstantin Wecker sei etwas aufgefallen. Ein Polizeibeamter genieße dieselben Rechte wie alle anderen auch. Zu fragen sei daher, ob der Staat grundsätzlich dazu übergehen wolle, Polizeibeamte, Lehrer, Ärzte zu durchleuchten und ob das in unserer freiheitlichen Gesellschaft gewollt sein könne. Ob ein Einzelfall geeignet sei, die Behandlung ganzer Gesellschaftsschichten zu ändern, sei zu fragen; hier sei Vorsicht angebracht. Hier komme man in Grenzbereiche der Dienstaufsicht und der gesellschaftlichen Überwachung. Ein Fehlverhalten der Dienstaufsicht sei bisher nicht erkennbar. Die Bayerische Polizei funktioniere, auch wenn Skandale vorkämen.

 

Foto: Bayerische Staatskanzlei
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Der Abgeordnete Dr. Paul Wengert (SPD) hält es wie Prof. Dr. Gantzer für äußert unbefriedigend, dass die Herkunft des konfiszierten Kokains bisher nicht geklärt werden konnte, sondern sich mit der Vermutung zufrieden geben müsse. In der Süddeutschen Zeitung vom 16.10.2014 werde berichtet, dass ein Beamter bestätigte, über den verstorbenen Leitenden Oberstaatsanwalt seien Drogen an die Kriminalpolizei Kempten übergeben worden, und dass der nunmehrige Verurteilte in einer Schulung für Richter und Referendare ungewöhnlich große Mengen Drogen vorgezeigt habe. Letzteres widerspreche einer Auskunft des Innenministeriums vom 25.04.2014 an ihn, Wengert, in der erwähnt werde, dass das Vorzeigen von Rauschmitteln in der Regel mit niedrigen Mengen im Gramm-Bereich erfolge. – Hierzu erbitte Wengert Aufklärung wie zu der Frage, ob das Bayerische Innenministerium dem Vorwurf der Süddeutschen Zeitung nachgegangen sei, dass die Staatsanwaltschaft Kempten/Allgäu bis 2004 bei der Vernichtung von beschlagnahmten Drogen geschlampt habe. Sowohl die Überwachung als auch die Dokumentation habe bei Weiten nicht im gebotenen Maße stattgefunden.

Auch die Auskunft im Hinblick auf die suspendierten bzw. versetzten Polizeibeamten stelle Wengert nicht vollständig zufrieden. Sie hätten nach der verbreiteten öffentlichen Meinung in der Drogenszene sehr erfolgreich gearbeitet. Unklar sei, warum sie nicht zurückversetzt worden seien. Das stehe im auffälligem Missverhältnis zu der nicht nachvollziehbaren Tatsache, dass Armin N. trotz der Ermittlungen, trotz fachärztlicher Behandlung und polizeiärztlicher Begutachtung 2009/10 auf seinem Dienstposten belassen worden sei. Er hätte auf einen anderen, vergleichbaren Posten umgesetzt werden können. Unklar sei ferner, welche Art die fachärztliche Behandlung und die intensive Betreuung durch den Vorgesetzten gewesen seien. Polizeibeamte hätten schließlich einen geschulten Blick für Drogensucht und hätten sehr wohl erkennen können, wie es um den nunmehrigen Verurteilten stehe. Fast alle offenen Fragen seien im Bericht aus dem Bayerischen Innenministerium zugunsten von Armin N. beantwortet worden.

 

Foto: Bayerische Staatskanzlei
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Der Abgeordnete Joachim Hanisch (Freie Wähler) stellt die Frage in welchen Umfeld sich der ehemalige K4-Leiter bewegt hat, ob er als Einzeltäter anzusehen sei, der durch Alkohol- und Rauschgiftkonsum und Eheschwierigkeiten diese Problematik verursacht habe, oder ob er Beziehungen zur Mafia gehabt habe. Im Zusammenhang mit der Frage nach seinem Umfeld sei auch der Hintergrund der Versetzung der beiden Polizeibeamten von Kempten nach Neu-Ulm klärungsbedürftig oder auch die Frage, warum der Betroffene so lange Leiter des Kommissariats 4 geblieben sei.

 

Foto: Bayerisches Innenministerium
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Landespolizeipräsident Prof. Dr. Schmidbauer (Innenministerium) verweist darauf, dass er hier in der öffentlichen Ausschusssitzung nur das sagen könne, was beweisbar sei, während Medien ohne Weiteres Spekulationen in die Welt setzen können. Die fachärztlichen Untersuchungen seien jedenfalls intensiv gewesen und die Behandlung sei wohl erfolgreich gewesen. – Nach der Rücknahme der Aussage der Ehefrau 2009 habe kein Anlass bestanden, den Polizeibeamten von seinem Dienstposten abzulösen. Man habe versucht, der Lage mit den vorhandenen Möglichkeiten auf den Grund zu gehen. Das Innenministerium werde sicherlich noch einmal prüfen, ob hier alle Möglichkeiten ausgeschöpft worden seien und was vielleicht im Rahmen der Dienstaufsicht versäumt worden sei, aber wohl erst nach Abschluss des Verfahrens.

Die kriminaltechnischen Möglichkeiten zur Klärung der Herkunft des Rauschgifts seien ausgeschöpft worden. Das Innenministerium überarbeitet die vorhandenen Dienstvorschriften kritisch. Die geltende Dienstvorschrift sei am 01.01.2002 in Kraft getreten. Die Staatsanwaltschaft habe inzwischen den Leitfaden erneuert. Das Innenministerium werde anknüpfend an diesen Leitfaden neue Regelungen bringen. Für die Asservatenverwaltung werde ein neues EDV-System eingeführt, das in diesem Leitfaden seinen Niederschlag finden werde.

Bei der Überprüfung der Medienspekulationen, denen zufolge Armin N. Einfluss auf die OK-Bekämpfung genommen habe, habe sich gezeigt, dass das nicht der Fall gewesen sei.

Im April 2013 sei bekannt geworden, dass ein Beamter der die Bekämpfung der Organisierten Kriminalität zuständigen Kriminalpolizeiinspektion Zentralaufgaben (Z) im Polizeipräsidium Schwaben Süd/West als Sachbearbeiter in einem OK-Verfahren ein sexuelles Verhältnis zu zwei Zeuginnen aufgenommen habe, nämlich der Freundin und Lebensgefährtin einer Zielperson der OK-Ermittlungen. Das habe der betreffende Sachbearbeiter weder gemeldet noch in das Verfahren sonst wie eingebracht. Gegen ihn sei wegen des Verdachts des Geheimnisverrates sowie des Verdachts der Nötigung einer Zeugin ein Ermittlungsverfahren beim Bayerischen Landeskriminalamt (BLKA) eingeleitet worden, nachdem von ihm der Satz gekommen sei, wenn die Freundin das der Polizei sage, drohe ihr Ärger. Dieser Polizeibeamte sei im April 2013 suspendiert worden. Das Verfahren sei mit Verfügung der Staatsanwaltschaft Kempten nach § 170 (2) StPO eingestellt worden, weil die strafrechtlichen Vorwürfe der Nötigung nicht hätten bewiesen werden können. – Das Disziplinarverfahren gegen den Polizeibeamten wegen dieses massiven Fehlverhaltens werde durch das Polizeipräsidium München fortgesetzt. Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen des BLKA sei aufgedeckt worden, dass der Leiter der Dienststelle bereits im Februar 2013 von diesem Verhältnis erfahren habe, ohne dies zu melden oder Konsequenzen zu ziehen. Als der Polizeibeamte im April suspendiert worden sei, habe er sich unwissend gestellt. Deswegen sei auch dieser Polizeibeamte von seinen Dienstposten abgelöst worden; auch gegen ihn lauf ein Disziplinarverfahren. – Die Medienspekulation, dass der Leiter der Rauschgiftbekämpfung in Kempten Einfluss genommen habe, und dass die anderen Kollegen von ihren Dienstposten entfernt worden seien, weil sie ihm im OK-Milieu zu nahe gekommen seien, träfen nicht zu. Die Vorwürfe würden im Rahmen des Disziplinarverfahrens vor der zuständigen Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts aufgearbeitet.

 

Foto: Bundeskriminalamt
Foto: Bundeskriminalamt

Ministerialrat Dr. Wolfgang Bär (Bayer. Justizministerium) nimmt Bezug auf die Äußerung von Prof. Dr. Gantzers, der Fall stehe in Verbindung mit dem Tod des Leitenden Oberstaatsanwaltes. Die Staatsanwaltschaft München I habe hier ermittelt und mitgeteilt, Erkenntnisse etwaigen strafbaren Handelns des ehemaligen Leiters der Staatsanwaltschaft Kempten/Allgäu hätten sich nicht ergeben.