Landkreis Unterallgäu | Flüchtlingsunterbringung: „Situation hat sich keineswegs entspannt“

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Landrat Alex Eder wendet sich mit offenem Brief an die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister

Die Situation der Flüchtlingsunterbringung bei uns im Landkreis ist nach wie vor keineswegs entspannt.“ Mit diesen Worten wendet sich der Unterallgäuer Landrat Alex Eder in einem offenen Brief an die Unterallgäuer Bürgermeisterinnen und Bürgermeister und ruft zur Unterstützung auf. Er bittet darum, weiterhin in den Gemeinden aktiv nach Grundstücken, Häusern und Wohnungen zu suchen, die sich zur Unterbringung von Flüchtlingen eignen.

Eder begrüßt in seinem Schreiben, dass die neue Bundesregierung an den Grenzen durchgreift und nennt das ein „wichtiges Zeichen, das ich mir nach meinem Brief an den damaligen Bundeskanzler Herrn Scholz im Sommer 2023 schon lange erhofft hatte“. Doch es werde noch dauern, bis sich die Maßnahmen auf kommunaler Ebene auswirken.

Die Zahl der Zuweisungen sei zwar im Vergleich zu 2023/2024 zurückgegangen – pro Woche kommen im Unterallgäu rund 20 Personen neu an. Doch der Druck, Personen unterzubringen, bleibe aus mehreren Gründen: Im Unterallgäu sind derzeit rund 600 Geflüchtete in reinen Notunterkünften untergebracht. „Sowohl wegen der dortigen Lebensumstände als auch wegen der laufenden Kosten müssen wir diese Notunterkünfte so schnell wie möglich auflösen“, so Eder. Hinzu komme eine hohe Zahl an Fehlbelegern – Personen also, die sich eigentlich selbst eine Wohnung suchen dürfen und auch sollen, aber keine finden und so in den Unterkünften bleiben. Die Vermittlung in eigenen Wohnraum wäre laut Eder enorm wichtig, um in den Asylunterkünften wieder freie Plätze zu bekommen.

Eder ruft die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister auf: „Wir müssen miteinander daran arbeiten, bei Ihnen in den einzelnen Gemeinden viele kleine dezentrale Unterbringungsmöglichkeiten für die Asylbewerber im Landkreis Unterallgäu zu finden.“ Und er bittet um Verständnis: Das Landratsamt müsse weiterhin alle geeigneten Unterkünfte anmieten, auch wenn das in manchen Gemeinden auf Widerstände stoße. Eder betont, das Landratsamt unterstütze auch flankierend bei der Integration: „Bitte lassen Sie uns weiterhin gemeinsam Lösungen finden!

 


Ein möglicher Anlass für diesen offenen Brief dürfte der Protest aus der Gemeinde Egg an der Günz sein

Dort haben Anwohner in einem Schreiben an den Landrat ihre Bedenken hinsichtlich der geplanten Anmietung eines Gebäudes geäußert. In diesem sollen bis zu 30 Flüchtlinge untergebracht werden. Nachfolgend der offene Brief:

Offener Brief an den Landrat des Landkreises Unterallgäu

Betrifft: Geplante Flüchtlingsunterkunft in Egg an der Günz – fehlende Transparenz, Überforderung der Gemeinde, fragwürdige Interessenlage
Sehr geehrter Herr Landrat,
mit großem Unverständnis und wachsender Sorge verfolgen wir die Entwicklungen rund um die geplante Umnutzung eines Einfamilienhauses in Egg an der Günz zur Flüchtlingsunterkunft für bis zu 30 Personen.
Bis heute wurden die betroffenen Anwohnerinnen und Anwohner weder vom Landkreis noch vom Bauträger informiert oder in irgendeiner Form einbezogen. Diese Form der Intransparenz ist nicht hinnehmbar – insbesondere bei einem Vorhaben, das erhebliche Auswirkungen auf das unmittelbare Wohnumfeld und die gesamte Gemeinde haben wird.
Unsere Bedenken im Einzelnen:
Keine Informationen zur Belegung: Weder zur Herkunft, Zusammensetzung noch zur geplanten Betreuung der unterzubringenden Personen gibt es bisher Auskünfte.
Überforderung der örtlichen Infrastruktur: Die Straße und die gemeindliche Versorgung sind für eine derartige Nutzungsintensität nicht ausgelegt.
Keine Bürgerbeteiligung: Die Bevölkerung wurde bisher vollkommen außen vor gelassen – ein Vorgehen, das das Vertrauen in Verwaltung und Planung massiv erschüttert.
Integration kaum realistisch: Eine menschenwürdige Unterbringung und echte Integration erscheinen unter diesen Umständen kaum möglich.
Standort ungeeignet: Die Unterkunft soll in unmittelbarer Nähe (ca. 50 m) zu einer katholischen Kirche, einem Kindergarten und einer Schule entstehen. Bereits jetzt gibt es keine freien Kindergartenplätze, und die Schulklassen sind an ihrer Kapazitätsgrenze. Eine zusätzliche Belastung ohne begleitende Maßnahmen ist nicht verantwortbar – weder für die betroffenen Einrichtungen noch für die Geflüchteten selbst.
Zustand des Gebäudes und Lageproblematik: Es handelt sich bei dem betroffenen Objekt um ein ehemaliges Einfamilienhaus mit aufgegebenem Dorfladen. Die bauliche Eignung des Gebäudes für die vorgesehene Nutzung ist zweifelhaft – insbesondere im Hinblick auf Brandschutz, Fluchtwege und sanitäre Kapazitäten. Darüber hinaus ist die geologische Situation problematisch: Der im Osten des Grundstücks gelegene Hang ist unseres Wissens nicht gesichert. Im Mai 2024 ereignete sich dort ein Hangrutsch, dessen Ursachen nicht abschließend geklärt sind. Eine dauerhafte Hangsicherung ist bislang nicht erkennbar erfolgt. Unter diesen Umständen sehen wir die Sicherheit und das Wohl der unterzubringenden Menschen akut gefährdet. Die Wahrung der Menschenwürde gebietet, dass Geflüchtete nicht unter potenziell gefährlichen und baulich ungeeigneten Bedingungen untergebracht werden.
Fehlende Nahversorgung: Im gesamten Ortsteil Egg gibt es derzeit keinerlei Einkaufsmöglichkeiten. Für eine größere Gruppe von Personen, die in ihrer Mobilität möglicherweise eingeschränkt ist, stellt dies eine erhebliche zusätzliche Hürde im Alltag dar – insbesondere, wenn keine begleitenden Maßnahmen zur Grundversorgung vorgesehen sind.
Besonders kritisch sehen wir den Umstand, dass bereits ein Investor feststeht und bauliche Maßnahmen begonnen wurden – noch bevor eine öffentliche Information oder Beteiligung stattgefunden hat. Dieser zeitliche Ablauf nährt den dringenden Verdacht, dass im Hintergrund bereits Absprachen getroffen wurden, ohne dass die Öffentlichkeit oder gar die Gemeinde eingebunden war.
Der Umfang der geplanten Belegung – 30 Personen in einem Gebäude, das ursprünglich für eine Familie konzipiert wurde – lässt zudem klar auf eine kommerzielle Nutzung mit dem Ziel der Profitmaximierung schließen. Die Zahl der untergebrachten Personen wird, die der bestehenden Anwohnerschaft am Kirchenweg deutlich übersteigen. Es entsteht der Eindruck, dass hier mit dem Leid geflüchteter Menschen finanzieller Gewinn erzielt werden soll – auf Kosten sowohl der Betroffenen als auch der aufnehmenden Dorfgemeinschaft.
Wir fordern daher dringend:
  • Eine sofortige und umfassende Aufklärung über das Vorhaben,
  • eine öffentliche Informationsveranstaltung unter Beteiligung aller relevanten Stellen (Landratsamt, Bauträger, Gemeinde),
  • und eine kritische Prüfung, ob das Projekt sowohl rechtlich als auch sozial verantwortbar ist.
Wir bitten um eine zeitnahe Rückmeldung und danken im Voraus für Ihre Stellungnahme.
Die Anwohner des Kirchenwegs 

 

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