Memmingen – Giftmord an Mutter

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Landgericht Memmingen | 01.02.2012 | 12-0276

LG MMAm 1. Februar 2012 musste sich Klaus N.* vor der großen Strafkammer des Landgerichts Memmingen dem Vorwurf des heimtückischen Mordes an seiner Mutter stellen.  Der Prozess mündete in seiner Verurteilung zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe. Dazu gab es auch keine Alternative. Soweit war alles klar. Was offenblieb war die Frage nach dem „Warum?“.  Die Frage konnte auch im Prozess nicht wirklich geklärt werden. Die psychiatrische Sachverständige konnte nur Berichten welche Störungen Klaus N. nicht hat. Aber der Reihe nach:
Klaus N. besuchte die Hauptschule, gab sich dort keine besondere Mühe, schaffte den Schulabschluss aber dennoch – wenngleich mit schlechten Zensuren. Schon früh verdiente er sich sein eigenes Geld. Vom ersten selbst verdienten kaufte er Alkohol. Nach verschiedenen Aushilfstätigkeiten hätte er gerne eine Lehre zum Schreiner gemacht – mit seinen schlechten Abschlussnoten gelang ihm das nicht. Schließlich bekam er eine Anstellung als Hilfsarbeiter einer Firma, die Rohre und Kabel verlegt. Die Kollegen sprechen gut von ihm. Er machte seine Arbeit, war immer pünktlich da. Sein Alkoholkonsum war allerdings ein Problem. Natürlich rochen seine Kollegen die Fahne. Offiziell gibt es ein totales Alkoholverbot am Arbeitsplatz. Erst eine Trunkenheitsfahrt mit einem Firmenfahrzeug führt zur Kündigung.

Seine Arbeitslosigkeit verheimlichte Klaus N. zu Hause. Er wohnte noch immer bei seinen Eltern. Verließ morgens zum Schein in Arbeitskleidung das Haus. Seinen alten Kollegen sahen ihn auf dem Fahrrad in Arbeitskleidung und dachten sich ihren Teil. Der Führerschein war bis zum 27. März 2011 weg. Er bemühe sich nicht um eine neue Arbeit. Arbeitslosengeld beantragte er auch nicht. Eigentlich war er ein guter Arbeiter gewesen. Selbst sein alter Arbeitgeber sah seine Kündigung letztendlich als voreilig an und hätte ihn gerne wieder beschäftigt. Aber dem entzog sich Klaus N. Er kümmerte sich um die pflegebedürftige Mutter.
Seine Mutter, 65 Jahre alt, hatte einen Schlaganfall erlitten. Sie war pflegebedürftig und Klaus N. kümmerte sich liebevoll um sie. Der Haushalt war perfekt sauber und ordentlich. Jedenfalls der Teil des Haushalts, der zu sehen war. In seinem eigenen Zimmer putzte Klaus N. nicht. Er hatte ohnehin kaum noch Kontakt zur Außenwelt. Seit Jahren hatte er bei sich nicht mehr gestaubsaugt. Unzählige leere Bierflaschen liegen in seinem Zimmer herum. Sein Bett ist stark verschmutzt. Der gestiegene Alkoholkonsum zeigt seine Wirkung – an manchen Tagen waren es mehr als 15 Halbe.
Als schließlich der Vater wegen eines offenen Beines ins Krankenhaus muss wird die Lage schwieriger. Jetzt ist Klaus N. mit seiner Mutter alleine. Er telefoniert mit Telefonsexanbietern. Das erste Gespräch dauerte fast eine Stunde. Die Telefonrechnung explodiert und führt zu Rückfragen – es geht um mehrere Hundert Euro. Angeblich soll eine Fehlbuchung schuld sein. Für das Bankkonto der Eltern hat Klaus N. keine Vollmacht. Das Konto überwacht seine Schwester für die gemeinsamen Eltern. Die Schwester verlangt Klärung. Ein gemeinsamer Termin bei der Bank soll es klären. Eigenes Geld hat Klaus N. schon lange nicht mehr.
Klaus N. denkt darüber nach, seine Mutter zu töten. Zunächst denkt er an eine Insulinspritze. Anfang April 2011 kommt morgens der mobile Pflegedienst – so wie jeden Morgen. Der Pflegedienst bleibt fünf Minuten – das genügt zur Medikamentierung der Mutter. Dann erst darf die Mutter Essen und Trinken. Klaus N. reicht ihr einen Becher Tee – „Hier, trink mal was!“. Das waren die Worte von Klaus N. Es war aber nicht nur Tee im Becher, sondern eine ätzende Lösung. Ein Schluck genügt und die Mutter beginnt ihren Todeskampf mit Schreien, Brechen und Röcheln. Klaus N. geht in die Küche und putzt. Alles sieht ordentlich aus. Nach einer halben Stunde schaut er wieder nach seiner Mutter. Sie ist noch nicht Tod. Sie wusste wohl dass ihr Sohn sie tötet. Klaus N. sieht sie im Bett röcheln, hält es nicht aus und läuft weg.
Klaus N. will zur Polizei. Dort fährt er auch hin. Mit seinem Fahrrad benötigt er dafür normaler Weise 50 Minuten. An diesem Tag benötigt Klaus N. Stunden. Immer wieder hält er an, um sich Bier zu kaufen. Als er schließlich bei der Polizeiinspektion Memmingen ankommt hat er bereits einen Blutalkoholwert an die 2 Promille. Bei der Polizei bemerken die Beamten an Klaus N. einen Alkoholgeruch. Aber ansonsten wirkt er klar und kontrolliert. An 2 Promille scheint er gut gewöhnt. Er zeigt keine Ausfallerscheinungen und erklärt den Polizeibeamten: „Ich habe versucht, meine Mutter umzubringen.“
Sofort alarmierte Notdienste finden die Mutter. Sie ist trotz ihrer unerträglichen Schmerzen teilweise noch bei Bewusstsein. Zum Sterben brauchte sie noch sieben weitere Wochen. Viel konnten ihr die Ärzte mit dem künstlichen Koma ersparen – den Tod nicht.
*Name geändert