Nicht zusehen, sondern handeln – das ist die wichtigste Botschaft der „Woche der Wiederbelebung“. Auf dem Memminger Marktplatz zeigten Anästhesie-Mitarbeitende des Klinikums Memmingen, wie einfach Laienreanimation sein kann und wie jede Minute zählt.
„Reanimation ist einfach. Man kann dabei nichts falsch machen – falsch ist nur, nichts zu tun“, betonte Dr. Michael Laupheimer, Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, operative Intensivmedizin und Schmerztherapie am Klinikum Memmingen. Er und sein Team richteten sich in diesem Jahr ausdrücklich auch an Kinder und Jugendliche, damit Basiswissen und Praxis früh verankert werden.
An mehreren Übungspuppen wurde das standardisierte Vorgehen demonstriert:
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Prüfen: Reagiert die Person? Atmet sie normal?
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Rufen: 112 wählen und umstehende Personen um Hilfe bitten.
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Drücken: Sofort mit der Herzdruckmassage beginnen – mindestens 100 Mal pro Minute fest auf den Brustkorb drücken, bis der Rettungsdienst übernimmt.
Der Aktionstag nahm die Hemmschwelle, selbst aktiv zu werden, und zeigte: Jede und jeder kann in einer Notsituation zum Lebensretter werden.
Zur Woche der Wiederbelebung
Rund um die bundesweite Woche der Wiederbelebung – sie liegt traditionell im September (2025: 22.–28.9.) – rückt eine einfache, aber lebensentscheidende Botschaft in den Fokus: Wer in den ersten Minuten handelt, rettet Leben. Die Kampagne „Ein Leben retten“ von DGAI und BDA steht seit 2012 unter der Schirmherrschaft des Bundesgesundheitsministeriums – und ihr Kern bleibt gleich: Prüfen. Rufen. Drücken.
Ersthelfende: das stärkste Glied der Rettungskette
2024 erlitten in Deutschland rund 136.000 Menschen außerhalb eines Krankenhauses einen plötzlichen Herz-Kreislauf-Stillstand – im Schnitt 370 pro Tag. Erfreulich: Die Laienreanimationsquote stieg weiter (Referenzgruppe: 55,4 %). Doch die Überlebensrate der reanimierten Patient:innen liegt weiterhin bei nur knapp 11 % – jede Minute ohne Hilfe verschlechtert die Chancen drastisch.
International belegt: Sofort begonnene Laienreanimation verdoppelt bis verdreifacht die Überlebenschance. Dispatch-Leitstellen sollen Anrufende aktiv zur Telefonreanimation (T‑CPR) anleiten – also Herzdruckmassage ohne Beatmung, bis professionelle Hilfe eintrifft.
Warum sofort drücken?
Herzstillstand bedeutet: Kein Blutfluss, kein Sauerstoff – vor allem Gehirn und Herz werden innerhalb von Sekunden geschädigt. Jede Verzögerung bis zur Defibrillation senkt die Überlebenswahrscheinlichkeit um etwa 10–12 % pro Minute; läuft gleichzeitig eine gute Herzdruckmassage, verläuft der Abfall deutlich flacher (3–5 % pro Minute). Kurz: Jede Sekunde zählt, jeder Druckstoß kauft Zeit.
„Lebensretter“-Apps: Wenn Hilfe schneller bei den Richtigen ankommt
Smartphone-basierte Ersthelfer‑Systeme vernetzen 112‑Leitstellen mit qualifizierten Freiwilligen in der Nähe. Geht in der Leitstelle ein Verdacht auf Herzstillstand ein, werden neben Rettungswagen und Notärztin zusätzlich Ersthelfende per App alarmiert – sie beginnen Minuten früher mit der Herzdruckmassage oder bringen einen AED (Defibrillator). Das Verkürzen der No‑Flow‑Zeit rettet messbar Leben.
Was steckt dahinter – Beispiele aus Deutschland:
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Region der Lebensretter: App‑System mit Leitstellenanbindung und intelligenter Aufgabenverteilung (inkl. AED‑Einbindung). Ziel: maximal schnelle Ersthelfer‑Ankunft.
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Mobile Retter: Netzwerk mit verpflichtender Einweisung vor Aktivierung; App alarmiert qualifizierte Ersthelfer:innen in der Nähe.
- KATRETTER (Berlin & weitere Regionen): Leitstellenalarmierung direkt auf Smartphones registrierter Freiwilliger; Navigation zum Einsatzort; drei Helfer:innen werden bevorzugt alarmiert, um sich abzulösen.
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corhelper (DRK): App alarmiert registrierte „Herzensretter“ in unmittelbarer Nähe und führt sie durch den Einsatz.
Dass solche Systeme wirken, zeigt u. a. der aktuelle Bericht zum Reanimationsregister: In 2 % der Fälle erfolgte der erste Schock bereits vor Eintreffen des Rettungsdienstes – ein klarer Hinweis auf die Wirksamkeit von Smartphone‑basierten Helfer‑vor‑Ort‑Systemen.
Prüfen. Rufen. Drücken. – so geht’s
1) PRÜFEN: Reagiert die Person nicht? Fehlt normale Atmung (Atemstillstand oder „schnappende“ Atmung)? → Herzstillstand annehmen.
2) RUFEN: 112 wählen (Lautsprecher einschalten). Lassen Sie sich von der Leitstelle per Telefonreanimation anleiten – empfohlen von den europäischen Leitlinien. Schicken Sie, wenn möglich, jemand los, um einen AED zu holen.
3) DRÜCKEN: Sofort beginnen – Mitte des Brustkorbs, 5–6 cm tief, 100–120‑mal pro Minute. Hände nicht absetzen, nach jeder Kompression vollständig entlasten. Nicht aufhören, bis Profis übernehmen oder die Person wieder normal atmet.
AED einsetzen: Sobald verfügbar, einschalten, Elektroden aufkleben, Ansagen folgen. Die Herzdruckmassage nur für Analyse/Schock kurz unterbrechen.
Typische Hürden – und wie Sie sie überwinden
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„Ich habe Angst, etwas falsch zu machen.“ Nichts zu tun ist das Schlimmste. Die 112‑Leitstelle führt Schritt für Schritt durch die Reanimation.
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„Was, wenn ich eine Rippe breche?“ Das kann passieren – ist aber kein Grund aufzuhören. Entscheidend ist, dass Blut wieder fließt; Knochen heilen, ein Gehirn ohne Sauerstoff nicht.
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„Bin ich rechtlich abgesichert?“ In Deutschland gilt die Pflicht zur Hilfeleistung (§ 323c StGB). Wer hilft, ist grundsätzlich geschützt; zivilrechtliche Haftung droht nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz. Für Helfende bestehen zudem Absicherungen über die gesetzliche Unfallversicherung.
Mitmachen – so werden Sie zum „Lebensretter“
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Kurs auffrischen: Ein Erste‑Hilfe‑Update schafft Sicherheit.
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Als App‑Ersthelfer:in registrieren: Prüfen Sie, welche Lösung in Ihrer Region aktiv ist (KATRETTER, Region der Lebensretter, Mobile Retter, corhelper). Manche Systeme verlangen eine kurze Unterweisung, andere genügen sich mit aktuellen Erste‑Hilfe‑Kenntnissen.
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Im Alltag aufmerksam sein: Wo hängen in Ihrer Umgebung AEDs? Im Notfall gezielt hinschicken!
Fazit
Ersthelfende entscheiden über Leben und Lebensqualität. Apps bringen Hilfe dorthin, wo sie ist: in die Nachbarschaft – und Minuten früher. Mit Prüfen. Rufen. Drücken. kann jede und jeder von uns die kritische Zeit überbrücken, bis der Defi schocken und der Rettungsdienst übernehmen kann. Und genau darum geht es in dieser Aktionswoche. Jetzt ist der beste Moment, sich vorzubereiten – für das Leben eines anderen Menschen.









