Es war der 23. Dezember in dem kleinen Dorf Winterhain. Der Schnee lag dick auf den Dächern, und die Straßenlaternen warfen ein goldenes Licht auf die funkelnde weiße Landschaft. Die Menschen waren geschäftig, trugen Pakete, Tannenbäume und Beutel voller Leckereien durch die Gassen. Doch während die meisten Dorfbewohner sich auf ein gemütliches Weihnachtsfest freuten, saß die alte Frau Greta einsam in ihrer kleinen Hütte am Waldrand. Ihr Holzvorrat war fast aufgebraucht, und sie fror in ihrer dünnen Wolldecke.
Am anderen Ende des Dorfes wohnten die Geschwister Mia und Jonas. Sie waren nicht reich, aber sie hatten ein warmes Haus, einen geschmückten Baum und Eltern, die liebevoll alles für ein schönes Fest vorbereitet hatten. An diesem Abend hörte Mia ihre Mutter sagen: „Wir sollten morgen früh noch etwas Holz holen. Es könnte jemand im Dorf geben, der Hilfe braucht.“
Mia sah Jonas fragend an. „Vielleicht sollten wir Greta besuchen“, sagte sie. „Ich habe gehört, dass sie oft allein ist.“ Jonas nickte. „Wir können ihr etwas Holz bringen und ein paar Kekse.“ Die beiden beschlossen, am nächsten Morgen loszuziehen.
Am Weihnachtstag machten sich Mia und Jonas mit ihrem alten Schlitten auf den Weg. Sie luden ihn voll mit Holzscheiten, die sie mit rotem Band zusammengebunden hatten. Dazu packten sie eine Dose mit selbstgebackenen Keksen und ein paar Äpfel. Der Weg durch den verschneiten Wald war mühsam, aber die Geschwister hielten durch.
Plötzlich hörten sie ein leises Wimmern. Als sie stehen blieben, entdeckten sie ein Rehkitz, das sich in einem Dornenbusch verfangen hatte. Seine kleinen Beine zitterten vor Angst. Mia kniete sich hin, während Jonas die Dornen vorsichtig zur Seite bog. Gemeinsam befreiten sie das Kitz, das dann glücklich in den Wald zurücksprang.
„Es hat vielleicht genauso Angst gehabt wie Greta allein in ihrer Hütte“, sagte Mia nachdenklich.
Als sie schließlich Greas Hütte erreichten, stieg Rauch aus dem Schornstein, aber es war klar, dass das Feuer bald erlöschen würde. Sie klopften an die Tür, und Greta öffnete vorsichtig. Als sie die Kinder sah, trat ein warmes Lächeln auf ihr Gesicht. „Was macht ihr hier, ihr Lieben?“ fragte sie.
„Wir wollten dir ein kleines Weihnachtsgeschenk bringen“, sagte Jonas und zeigte auf den Holzschlitten. „Wir haben Holz und ein paar Kekse mitgebracht.“
Greta war so gerührt, dass sie Tränen in den Augen hatte. „Ihr seid so gute Kinder“, sagte sie. „Kommt rein, esst mit mir. Es ist nicht viel, aber ich habe ein wenig Suppe auf dem Herd.“
Die drei saßen zusammen, erzählten Geschichten und lachten. Greta fühlte sich zum ersten Mal seit Jahren nicht mehr allein.
Als die Geschwister später nach Hause gingen, sahen sie im Schnee etwas Glänzendes. Es war ein kleiner Zweig mit einer Eiskristallblume. Sie schien wie von Zauberhand dort zu liegen, als hätte der Wald selbst ihnen ein Geschenk gemacht. Sie nahmen den Zweig mit nach Hause und stellten ihn als Erinnerung an diesen besonderen Tag neben den Weihnachtsbaum.
In Winterhain sprach man noch lange von den Geschwistern, die nicht nur Greta geholfen, sondern auch gezeigt hatten, wie wichtig es ist, aufeinander zu achten – nicht nur zu Weihnachten, sondern jeden Tag.