Sensation oder konnte man es absehen? | Jan Rothenbacher neuer Memminger Oberbürgermeister

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Ist es eine Sensation oder konnte man es erahnen, dass Jan Rothenbacher die Wahl zum Memminger Oberbürgermeister gewinnen könnte.

Schauen wir einmal sechs Jahre zurück. Markus Kennerknecht (SPD) verstarb in jungen Jahren, kurz nach seinem Amtsantritt. Die Memminger Parteien waren auf eine erneute Oberbürgermeisterwahl gar nicht vorbereitet. Die SPD musste in der Trauer schnell einen neuen Kandidaten suchen, viel Auswahl hatte sie dabei nicht. Die Wahl viel auf Dr. Friedrich Zeller. Die CSU hatte zwei Kandidaten ausgemacht und entschied sich dann über Nacht für Manfred Schilder. Sie schickten ihn als bekannten Memminger in den Wahlkampf. 2017 gewann Schilder die Wahl gegen Zeller mit 51,5% zum Oberbürgermeister. Die Memminger haben ihn als Übergangs-Oberbürgermeister gewählt. Schilder zog mit seiner CSU ins Rathaus ein, politisch gestärkt von Margareta Böckh und Klaus Holetschek. Schilder war seiner Partei verpflichtet. Die CSU ging mit gehobenem Haupt durchs Rathaus. Man hatte es endlich geschafft nicht nur im Stadtrat die Mehrheit zu besitzen, man hat nun auch das höchste Amt der Stadt inne.

Manfred Schilder (CSU) amtierender Oberbürgermeister von Memmingen

Die CSU und auch Manfred Schilder waren sich nach der Nominierung von Jan Rothenbacher sicher, es wird kein einfacher Wahlkampf. Ihnen war klar, dass die SPD um das hohe Amt im Memminger Rathaus kämpfen wird. Ein junger, frischer Kandidat, der unweit von Memmingen wohnt. Jan Rothenbacher wurde frühzeitig nominiert und auf die Belange von Memmingen eingeschworen, er wusste Bescheid.

Beobachter des Wahlkampfes haben sehr schnell erkannt, dass die Memminger CSU mit Manfred Schilder jedes Medium kostspielig bespielt. Jeder Termin wurde von Manfred Schilder besucht und Hände geschüttelt. Was auffiel, er war nie allein. Immer um ihn herum seine Bürgermeisterin Margareta Böckh oder/und Klaus Holetschek. Der Wahlkampf kostete dem noch Oberbürgermeister und seiner Partei nicht nur 40.000 Euro, sondern nach Berechnung von Insidern mindestens 60.000 Euro. Man holte einen bekannten Kabarettisten nach Memmingen und bespaßte die Bürger. Was man irgendwie vergessen hatte, Memmingen ist eigentlich schon sehr SPD geprägt. Oder man erkannte es, hatte aber kein Mittel gefunden, um Manfred Schilder näher, sympathischer und glaubwürdiger an den Bürger zu bringen.

Aber auch die SPD erkannte mit ihrem jungen Kandidaten Jan Rothenbacher ihre Chance. Rothenbacher ist ein Fachmann der Verwaltung. Er kennt Verwaltungsstrukturen und weiß um deren Aufbau und Funktion. Er war in der SPD politisch aktiv und hat seine Netzwerke. Rothenbacher hatte ein gutes Wahlkampfteam und man konnte ihn auch allein losziehen lassen. Er war hervorragend auf die Wahlkampfthemen vorbereitet. Man konnte mit ihm über das Klinikum, den Haushalt, wichtige Stadtprojekte, darunter auch das Rosenviertel, Vereine, Kultur, Integration und Visionen sprechen. Er war immer im Thema und konnte auch bei den Podiumsdiskussionen punkten. Schilder hatte das Wissen um die Stadt, da er sechs Jahre Oberbürgermeister war, aber es fehlten vielleicht ein wenig die Visionen für die Bürger, er konnte sie nicht erreichen.

Einige eingesessene Kommunalpolitiker konnten sich anfangs nicht vorstellen, dass irgendjemand Schilder vom Thron stoßen könnte, er ist doch ein Memminger, in jedem Verein, er ist doch nah am Bürger. War es denn wirklich so – anscheinend nicht. Vielleicht hat man Schilder einfach benutzt, um seine Ziele zu erreichen und hat ihm den Rückhalt vorgespielt. So muss es sich für Manfred Schilder wohl seit Sonntagabend anfühlen. Der Vorsprung von Jan Rothenbacher war immerhin 2.595 Stimmen, fast ein Drittel Mehrstimmen, als der Amtsinhaber. Das ist kein knappes Ergebnis, das ist ein überzeugender Sieg, den man anerkennen muss. Die SPD hat sich den Oberbürgermeister-Stuhl in Memmingen wieder zurückgeholt, mit einem überzeugenden Kandidaten.

Manfred Schilder hat sechs Jahre die Geschicke der Stadt geführt. Er wurde ins kalte Wasser geworfen 2017 und trat ein schweres Erbe an. Man darf jetzt im Rückblick nicht alles schlecht reden. Schilder musste viele schwierige Entscheidungen während Corona treffen und vertreten. Für vieles musste er zeichnen, was von seinen Ämtern veranlasst wurde. Der Oberbürgermeister muss halt als Chef den Kopf hinhalten. Schilder wusste, dass die Wahl schwierig wird, zuletzt hatte es in einem Gespräch eine Woche vor der Wahl zugegeben. Er hatte bis zuletzt gehofft, dass sein Wahlkampf einen Erfolg bringen wird. Aber so ist Demokratie – Stimmen werden abgegeben und dann ausgezählt. Nach der Auszählung gibt es meist einen Gewinner, der sich freut und einen oder mehrere Zweite/Dritte, die dann enttäuscht sind und sich dann mit der Situation zurechtfinden müssen.

Wir wünschen Jan Rothenbacher viel Kraft und Durchhaltevermögen bei den kommenden Herausforderungen und viel Spaß und Bürgernähe in den kommenden sechs Jahren.