Memmingens Partnerstadt Tschernihiw | Kein Trinkwasser, kein Strom, keine Heizung

-

Print Friendly, PDF & Email

Bürgermeister Vladyslav Atroshenko berichtet in einem Videogespräch mit OB Manfred Schilder von den Zerstörungen in Tschernihiw

Seit Anfang April ist Memmingens Partnerstadt Tschernihiw im Nordosten der Ukraine wieder mit der umliegenden Region verbunden. „Wir waren 20 Tage lang isoliert“, informierte Bürgermeister Vladyslav Atroshenko in einem Videogespräch mit Oberbürgermeister Manfred Schilder. „Die Lage in der Stadt ist katastrophal, die Infrastruktur komplett zerstört. Es gibt kein Trinkwasser, keinen Strom, keine Heizung“, beschrieb Bürgermeister Atroshenko die Lage. OB Manfred Schilder sagte die Unterstützung der Stadt Memmingen zu. „Unsere Hilfe kann angesichts des Ausmaßes der Zerstörung nur ein Tropfen auf dem heißen Stein sein. Aber wir stehen zu euch und wir helfen, wo wir können“, bekräftigte der Oberbürgermeister. 13 Lastwagen mit Hilfsgütern aus Memmingen seien derzeit auf dem Weg nach Tschernihiw. Zum ersten Mal seit Kriegsbeginn war wieder ein Videogespräch der Stadtoberhäupter möglich, zuletzt hatten sie sich am 23. Februar, einen Tag vor Kriegsausbruch, ausgetauscht.

Oberbürgermeister Manfred Schilder tauschte sich mit seinem Amtskollegen Vladyslav Atroshenko aus Tschernihiw zur aktuellen Lage in der ukrainischen Partnerstadt aus. Rechts im Bild Bürgermeisterin Margareta Böckh, links Dolmetscherin Anna Kolomiiets aus Tschernihiw und Dolmetscher Viktor Weiler. – Foto: Stadt Memmingen

Bürgermeister Atroshenko berichtete sichtlich angeschlagen von den Zerstörungen in Tschernihiw. „Unsere Stadt ist über 1300 Jahre alt, und jetzt ist sie zerstört“, berichtete er. Er erzählte von einem russischen Kampfflieger, der eine 500-Kilo-Bombe aus 250 bis 300 Metern Höhe auf das Stadtzentrum abgeworfen habe. „Der Himmel war klar, es gab keine Wolken, aus dieser Höhe sieht man, dass da unten Menschen sind. Unser Stadtzentrum wurde bewusst heftig bombardiert.“

Ein Großteil der Gebäude in der Stadt seien zerstört oder beschädigt. „Wenn auch neben einem Gebäude eine Bombe explodiert, gibt es eine heftige Erschütterung. Das ist wie ein kleines Erdbeben. Wir haben Fachleute, aber es ist schwer zu beurteilen, ob die Statik des Gebäudes dann noch intakt ist.“ Atroshenko erklärte, dass etwa ein Drittel der rund 300.000 Einwohner noch in der Stadt sei. „Was sollen wir jetzt tun? Man muss alle Straßen aufreißen, um Rohre und Leitungen zu reparieren. Alles ist zerstört.“ Im Oktober beginne die neue Heizperiode, bis dahin werde man es nicht schaffen, alle Leitungen wiederherzustellen, erklärte der Bürgermeister. „Zwei Tage war es jetzt relativ ruhig. Was sollen wir tun? Sollen wir mit dem Wiederaufbau anfangen und morgen beginnt der Beschuss wieder? Aber nicht anzufangen wäre auch falsch.“ Als er vor gut sechs Jahren das Bürgermeisteramt angetreten habe, hätte er nicht vorstellen können, dass er sich mit solchen Fragen werde beschäftigen müssen, erzählte Atroshenko. „Ich werde oft gefragt, wie die Nacht war. Aber das ist nicht wichtig. Niemanden hier interessiert, wie viele Minen oder Bomben gefallen sind. Es ist allein wichtig, was der Tag bringt, was morgen kommt. Die Zukunft ist wichtig.“