Verein will Geschichte des Kriegsgefangenenlagers Memmingen (Stalag VII B) erforschen

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Die Geschichte des Kriegsgefangenen-Stammlagers in Memmingen (Stalag VII B) soll 76 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg wissenschaftlich aufgearbeitet werden. Zu diesem Zweck wird sich noch in diesem Herbst der Verein „Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in Schwaben“ gründen, der hierzu ein wissenschaftliches Institut ins Leben rufen will. Dieses wird unter akademischer Leitung eng mit dem Lehrstuhl Neuere und Neueste Geschichte der Universität Augsburg zusammenarbeiten. Das Stalag VII B in Memmingen hatte den Einsatz von 50 000 Kriegsgefangenen in ganz Schwaben gesteuert.

Den Stand der Forschung zur Kriegsgefangenschaft in der NS-Diktatur sowie zu einigen der regionalen Facetten von Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit wird der in Gründung befindliche Verein auf einer Online-Tagung am Prof. Dr. Dietmar Süß, Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Augsburg am Freitag, 22. Oktober, von 16 bis 19 Uhr vorstellen. Dort sollen auch Möglichkeiten zur Mitarbeit im Projekt vorgestellt werden.

Das Online-Symposium wird moderiert von Prof. Dr. Dietmar Süß, Lehrstuhlinhaber für Neuere und Neueste Geschichte, Universität Augsburg sowie der Lehrbeauftragten Dr. Edith Raim. Vorträge befassen sich mit dem „Kriegsgefangenenwesen der Wehrmacht“ (Dr. Rüdiger Overmans, Freiburg), den „Sowjetischen Kriegsgefangenen in Konzentrationslagern“ (Dr. Reinhard Otto, Lemgo), der „Zwangsarbeit in Stadt und Kreis Neu-Ulm“ (Peter Stöferle, NeuUlm) und mit der „Rüstung & Zwangsarbeit: Die Beispiele MAN und das Stalag VII B“ (Dr. Sven Feyer, Radeberg). Anmeldung zu der Online-Tagung: info@kriegsgefangenschaftschwaben.org

Das Kriegsgefangenenlager Stalag VII B war im August 1940 in Memmingen eingerichtet worden. Der Komplex sollte bis in die letzten Kriegstage Bestand haben. Die Gesamtzahl aller dort Internierten dürfte unter Berücksichtigung der Fluktuation von 1940 bis 1945 bei mehr als 50 000 Menschen gelegen haben. Am Tag der Befreiung, dem 26. April 1945, lag die Belegungszahl bei 25 557 Gefangenen. Doch nur der geringe Teil dieser Menschen, kaum mehr als 10 Prozent, war auch im Lager selbst untergebracht. Das Hauptaugenmerk der Lagerleitung lag auf der Planung und Organisation des Einsatzes der Gefangenen in sogenannten Arbeitskommandos außerhalb des Lagers. Hunderte dieser Kommandos waren über ganz Schwaben verteilt. Es ist von regelmäßig über 20 000 Gefangenen an 800 Einsatzstellen auszugehen.

Vorliegende Untersuchungen, die sich bundesweit mit dem Thema der Kriegsgefangenen beschäftigen, behandeln meist ausschließlich die Eigenheiten der Lagergelände. Im besten Falle dokumentieren sie Namen und Herkunft der Gefangenen. Hinzu kommt, dass der Fokus auf den Millionen ermordeter sowjetischer Kriegsgefangener lag. Andere Nationalitäten bleiben häufig unbearbeitet. Was aber vor allem fehlt, sind Untersuchungen zum Arbeitsalltag und der Arbeitsorganisation der Kriegsgefangenen in den außenliegenden Arbeitskommandos. Das Interesse hört allzu oft am Stacheldraht des Lagergeländes auf, obwohl das Oberkommando der Wehrmacht (OKW) selbst festlegte: „Nicht das Lager, sondern das Arbeitskommando ist für den Kriegsgefangenen als Daueraufenthalt bestimmt“.

Der in Gründung befindliche Verein „Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in Schwaben“ will mit der Einrichtung eines wissenschaftlichen Instituts diese Lücke in der historischen Forschung schließen. Die Gegebenheiten in den Außenkommandos sind bis heute nicht ausreichend erforscht; es ist nur wenig über die Abläufe der erzwungenen Arbeit an den Einsatzstellen bekannt.

Dabei gehörten Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter während der gesamten Kriegsjahre zum Alltag in den Betrieben und auch im Straßenbild der deutschen Städte. Deren Bewohner waren zum Teil offen mit der Existenz von Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit konfrontiert. Andreas Eberhardt von der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ (Berlin) bemerkt, dass Zwangsarbeit so alltäglich gewesen sei, dass sie bis heute nicht als nationalsozialistisches Verbrechen bewusstgeworden ist.

Eine Projektgruppe hat die Bildung des Vereins „Kriegsgefangenschaft und Zwangsarbeit in Schwaben e.V.“ seit Mitte 2020 vorbereitet. Initiatoren waren Helmut Wolfseher, Memmingen, und Dr. Reinhard Otto, Lemgo, der sich später aus der Projektarbeit zurückziehen musste. Die Arbeit wurde von Dr. Hans-Wolfgang Bayer (Kulturamt Memmingen), Christoph Engelhard (Stadtarchiv Memmingen), Christoph Lang (Bezirksheimatpfleger Schwaben), PD Dr. Edith Raim (Universität Augsburg), Dr Rüdiger Overmans (Militärhistoriker Freiburg) und Prof. Dr. Dietmar Süß (Universität Augsburg) fortgesetzt. Die Gründungsversammlung des Vereins findet am 11. November in der Stadthalle Memmingen statt.

Weitere Informationen: http://www.kriegsgefangenschaft-schwaben.org/

 

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