Nebelhorn | Tourengeher bringt sich in Lebensgefahr – Ein Pistenraupenfahrer berichet

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Foto: Ingo Hofer

Blick aus der Pistenwalze:

Wer sieht den Tourengeher?

Am Mittwoch Abend/Nacht war ich mit dem Pistenteam Nebelhorn im Skigebiet Nebelhorn im Allgäu unterwegs. Während es im Tal leichten Wind und leichten Schneefall hatte, sah es am Gipfel komplett anders aus – Schneesturm!
Christian und ich machten uns auf den Weg Richtung Seealpe. Im Scheinwerferlicht sahen wir fast nur Flocken und die Scheibenheizung bekam den Schnee an vielen Stellen fast nicht von der Kabine abgeschmolzen. Glücklicherweise ist Christian Profi und kennt das Gelände in- und auswendig. Wir orientieren uns an Schneepfosten und immer wieder kamen wir an Stellen, wo sich der Schnee meterhoch ablegte. Beeindruckend wie er die Walze geschickt lenkte und den vielen Schnee den Hang hinunter schob. Vorne am Schneeschild türmte sich der Schnee bis weit über den Schieber, dazu der viele Wind – #Whiteout!
Mir fehlten die Worte und ich vertraute Christian. Stück für Stück schob er die Serpentinen des Sommerwanderwegs frei, gerade mal eine Pistenwalzenbreite, teilweise fuhren wir vorwärts und rückwärts weil in den Kehren der Serpentinen zu wenig Platz war. Kurze Zeit später sprang Christian auf und drehte den manuellen Scheinwerfer – da, ein Tourengeher. Ich dachte mir: Aha, also ich seh nichts …
Nach wenigen Metern fahrt sah ich ihn dann auch und ich dachte mir: „Scheiße ist das gefährlich“. Auf einmal standen die vielen Beiträge die man im Internet so liest in einen völlig anderen Licht. Ein Aha-Effekt par excellence. Unfassbar. Als ich Christian darauf ansprach, meinte er nur: „Hoffentlich übersehe ich niemals einen Tourengeher“ – es wäre fatal.
Wir kamen an ein Steilstück und mussten uns nun mit dem Stahlseil an einen Fixpunkt einhängen. Cool – jetzt fahren wir mit Winde, dachte ich mir. Also ob wir uns niemals eingehängt hätten, fuhr Christian weiter talwärts – minutenlang. Nach mehreren Minuten konnte ich nicht mehr still halten:

„Sag mal Christian, wie lange ist denn das Windenseil?“

Er lächelte, drehte sich um uns sagte: 1000m auf dieser Raupe, manche haben aber auch 1.400 Meter Seil auf der Winde!

Aha-Erlebnis Teil II. Ich erinnerte mich gleich an einen Einsatz, welchen ich vor einigen Jahren in der Leitstelle (Notruf 112) steuerte – leider mit tödlichem Ausgang. Mir war klar das es gefährlich ist, wenn Walzen mit Winde arbeiten. Ich wusste auch das sich das Seil in den Schnee eingräbt und somit nicht mehr sichtbar ist – ebenso auch das das Seil auf einmal aus dem Schnee herausspicken kann und dann den Effekt einer Messerklinge hat, aber ich dachte immer das man das dann schon mitbekommt wenn eine Pistenraupe im Hang ist. Niemals hätte ich daran gedacht, wenn ich keine Pistenraupe sehe oder diese ganz weit unten im Tal ist.

Rotes Viereck – Ein Tourengeher – es ist nur die Stirnlampe zu sehen.

Auch wenn ich selbst nicht der Mensch bin der Nachts in Skigebieten unterwegs ist, ich habe hier wirklich was dazugelernt. In diesem Fall handelt es sich nicht um eine mediale Dramatisierung, sondern um eine wirklich gegenwärtige Gefahr. Von der Lawinengefahr durch Sprengungen oder dem Abschieben der Pisten will ich erst gar nicht reden… in der Summe ist es einfach sehr gefährlich und ich verstehe die Sorgen der Betreiber wenn sich Tourengänger oder Rodler nachts auf den Pisten herumtreiben.

Text & Foto: Ingo Hofer