Der russische Angriff auf das Theater in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol war nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein Kriegsverbrechen.

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Der russische Angriff auf das Theater in der ukrainischen Hafenstadt Mariupol war nach Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Amnesty International ein Kriegsverbrechen. Einem am Donnerstag veröffentlichten Amnesty-Bericht zufolge nahm die russische Armee das Theater Mitte März „aller Wahrscheinlichkeit nach“ wissentlich ins Visier, obwohl bekannt war, dass dort hunderte Zivilisten Schutz gesucht hatten.
Der Angriff sei höchstwahrscheinlich durch ein russisches Kampfflugzeug erfolgt, das zwei 500-Kilo-Bomben auf das Theater abgeworfen habe, berichtete Amnesty unter Berufung auf Gespräche mit Überlebenden und digitales Datenmaterial. „Allem Anschein nach“ habe das russische Militär „vorsätzlich ukrainische Zivilpersonen ins Visier“ genommen, sagte Julia Duchrow von Amnesty International Deutschland.
Der Internationale Strafgerichtshof müsse den Angriff als Kriegsverbrechen behandeln und untersuchen. Alle Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, betonte Duchrow.
Das als Zufluchtsort und zur Verteilung von Essen, Trinkwasser und Medikamenten genutzte Theater sei „eindeutig als ziviles Objekt erkennbar“ gewesen, erklärte Amnesty weiter. Zudem hätten Bewohner zu beiden Seiten des Gebäudes in riesigen Buchstaben das russische Wort für „Kinder“ auf den Boden geschrieben. Dies sollte für russische Piloten und auf Satellitenaufnahmen „deutlich zu sehen gewesen sein“. Dennoch sei das Theater am Morgen des 16. März angegriffen worden.
Die Art des Angriffs auf das Theater sowie „das Fehlen eines potenziell legitimen militärischen Ziels in der Nähe“ deuten laut Amnesty „stark darauf hin, dass das Theater das beabsichtigte Ziel war“. Damit handele es sich um einen vorsätzlichen Angriff auf ein ziviles Ziel und mithin um ein Kriegsverbrechen. Mindestens zwölf Menschen seien durch den Angriff getötet und zahlreiche weitere schwer verletzt worden.
Für den Bericht führte Amnesty nach eigenen Angaben zwischen März und Juni Gespräche mit 52 Überlebenden und Zeugen des Angriffs und von dessen Folgen, von denen sich 28 zum Angriffszeitpunkt im oder nahe dem Theater befanden. Die Experten werteten zudem Satellitenaufnahmen und Foto- und Videomaterial von Überlebenden und Zeugen aus.
Der Angriff auf das Theater im März hatte international für Erschütterung gesorgt. UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet hatte ihn als „eines der tödlichsten und symbolhaftesten Beispiele für das Leid von Zivilisten“ in der südukrainischen Hafenstadt bezeichnet.
gt/ju

© Agence France-Presse