Enthüllungen aus Xinjiang werfen Schlaglicht auf „Umerziehungslager“ für Uiguren

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Die Enthüllung tausender Polizeifotos und offizieller Dokumente aus der Region Xinjiang hat am Dienstag erneut ein Schlaglicht auf die massenhafte Internierung muslimischer Uiguren in China geworfen. Die Veröffentlichungen eines internationalen Medienkonsortiums erfolgten während eines Besuchs von UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet in Xinjiang. Berlin sprach von „schockierenden Berichten“ und forderte von Peking „eine transparente Aufklärung der Vorwürfe“.
Die Regierung in Peking wird von Menschenrechtsorganisationen beschuldigt, mehr als eine Million Uiguren und andere muslimische Minderheiten in der Region im äußersten Westen des Landes in „Umerziehungslagern“ interniert zu haben. Peking werden unter anderem Zwangssterilisierungen und Zwangsarbeit vorgeworfen. Peking weist die Vorwürfe als „Lüge des Jahrhunderts“ zurück.
Fotos, Reden und Behördenweisungen bewiesen, dass es sich bei den Lagern nicht wie von der chinesischen Regierung behauptet um „berufliche Fortbildungseinrichtungen“ handele, berichteten der an der internationalen Recherche beteiligte Bayerische Rundfunk und der „Spiegel“. 
In dem Datensatz findet sich eine bislang unbekannte Rede des ehemaligen Parteichefs der Region Xinjiang, Chen Quanguo, aus dem Jahr 2017, in der es heißt, jeder Gefangene, der auch nur versuche, ein paar Schritte weit zu entkommen, sei „zu erschießen“.
Auf mehr als 2800 Polizeifotos sind Insassen zu sehen, darunter auch Minderjährige. Ein Foto zeige zudem einen Häftling in einem sogenannten Tigerstuhl – einer Foltervorrichtung, bei der die Beine überdehnt werden, berichteten die deutschen Medien. 
Der Datensatz aus Polizeifotos und internen Dokumenten wurde dem deutschen Anthropologen Adrian Zenz von jemandem zugespielt, der offizielle Datenbanken in Xinjiang hackte. Zenz ist in den USA ein bekannter China-Forscher, der schon früh auf die mutmaßlichen Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang hinwies und 2021 von Peking mit Sanktionen belegt wurde. Er teilte die Daten mit insgesamt 14 westlichen Medien.
Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Grüne) sprach am Dienstag in einer Videokonferenz mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi „die schockierenden Berichte und neuen Dokumentationen über schwerste Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang an“ und forderte Peking zur Aufklärung auf..
Bundesfinanzminister und FDP-Chef Christian Lindner nannte die Bilder „Bilder aus China schockierend“. Dem „Handelsblatt“ sagte er, chinesische Offizielle müssten bei allen Gelegenheiten auf die Menschenrechtslage angesprochen werden. „Samtpfötigkeit aufgrund unserer wirtschaftlichen Interessen darf es nicht geben“, sagte Lindner.
UN-Menschenrechtskommissarin Bachelet wollte am Dienstag und Mittwoch die Städte Urumqi und Kashgar in Xinjiang besuchen. Bei ihrem Treffen mit Wang am Montag äußerte dieser „die Hoffnung, dass diese Reise die Verständigung und Zusammenarbeit verbessert und Falschinformationen klarstellt“, wie sein Ministerium mitteilte. 
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, Bachelet habe „China wegen seiner wichtigen Errungenschaften bei der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung und der Förderung des Schutzes von Menschenrechten gratuliert“. 
Kritisch hatten sich vor der Reise unter anderem die USA geäußert. Die US-Regierung äußerte sich „tief besorgt“, dass die UNO vorab keine Garantien aushandelte, was Bachelet sehen und wen sie treffen darf. „Wir erwarten nicht, dass die Volksrepublik China den notwendigen Zugang gewähren wird, der erforderlich ist, um eine vollständige, nicht manipulierte Bewertung der Menschenrechtslage in Xinjiang vornehmen zu können“, sagte der Sprecher des US-Außenministeriums, Ned Price.
Auch Menschenrechtsorganisationen befürchten ein von Peking inszeniertes Besuchsprogramm. Bachelets Besuch werde „ein ständiger Kampf gegen die Bemühungen der chinesischen Regierung sein, die Wahrheit zu vertuschen“, erklärte die Generalsekretärin von Amnesty International, Agnès Callamard.
ck/ju

© Agence France-Presse