Zwei Warnschüsse binnen acht Tagen

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Auf die AfD kommen unruhige Zeiten zu – womöglich noch unruhiger als die Zeiten, die hinter ihr liegen. Zwei schlechte Wahlergebnisse binnen acht Tagen setzen die Partei unter Handlungsdruck. In Schleswig-Holstein flog sie aus dem Landtag, in Nordrhein-Westfalen schaffte sie am Sonntag nur knapp den Wiedereinzug. Die Krise der Rechtsaußen-Partei verschärft sich. 
Zoff und Zank – das Kernproblem
Die parteiinterne Lust am Streit ist zum Markenzeichen der AfD geworden. Sie ficht leidenschaftliche Flügelkämpfe über die politische Richtung aus. Führende AfD-Vertreter pflegen persönliche Animositäten. Eine Zerreißprobe droht der AfD im Juni, wenn der Bundesparteitag eine neue Führungsspitze bestimmen soll. Kräfte um den thüringischen AfD-Politiker Björn Höcke wollen die Partei auf einen noch radikaleren Kurs führen.
AfD-Bundeschef Tino Chrupalla ist nach einer Reihe von Wahlschlappen in der Defensive. Die Partei brauche „eine große Initiative nach dem Parteitag“, sagte er am NRW-Wahlabend. Ob die Partei ihm dafür noch die Kraft zutraut, wird die Delegiertenversammlung zeigen.
Schmale Wählerbasis 
Ein Blick auf die Zahlen aus Nordrhein-Westfalen gibt genaueren Aufschluss über die Schwierigkeiten der AfD. Die Partei hat klar ein Frauenproblem: Unter Männern erzielte sie laut Infratest dimap in NRW sieben Prozent, bei Frauen nur vier Prozent. Unter Angestellten, Selbstständigen und Rentnern war der Rückhalt für die AfD schwach. Ihre Stimmen kamen in NRW fast nur aus der Arbeiterschaft, wo sie auf 17 Prozent kam. 
Weitere wichtige Erkenntnis: Die Attraktivität der AfD für Protestwähler nimmt ab. Bei der NRW-Wahl am Sonntag bezeichneten sich nur noch 48 Prozent der AfD-Wähler als Protestwähler – bei früheren Wahlen lag dieser Anteil deutlich höher. Das heißt, die AfD hat inzwischen viele Wähler, die vor ihrer Wahlentscheidung genauer auf die Vorgänge in der Partei schauen – und ihr bei Missfallen die Stimme verweigern. 
Mangel an zugkräftigen Themen 
Das klassische AfD-Mobilisierungsthema, die Zuwanderung, spielt derzeit kaum eine Rolle. Zugkräftigen thematischen Ersatz hat die AfD nicht gefunden. In der Pandemie-Politik hat die Anbiederung an Corona-Leugner und Impfgegner einen Teil der Wählerschaft verschreckt. 
Und in der Russland-Politik kann die AfD kein glaubwürdiges Angebot machen: Jahrelang hat sie sich vom Kreml hofieren lassen. In NRW sagten nur elf Prozent in der Infratest-Umfrage, sie fänden es gut, dass die AfD Verständnis auch für Russland zeige. 77 Prozent attestierten der AfD hingegen, sie grenze sich nicht klar genug gegen rechtsextreme Positionen ab.
Spaltung zwischen Ost und West 
Möglicherweise bewahrheitet sich die böse Prophezeiung, die der ehemalige AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen seiner Partei anlässlich seines Austritts mit auf den Weg gab: Die AfD habe allenfalls eine Zukunft als ostdeutsche Regionalpartei, sagte er. In den Landtagen der fünf ostdeutschen Bundesländer ist die AfD durchweg zweitstärkste Partei mit zweistelligen Ergebnissen, in vielen westdeutschen Ländern bewegt sie sich mittlerweile um die Fünf-Prozent-Marke. 
Bundespolitisch wird die AfD durch diese Ost-West-Spaltung geschwächt. Es müsse in den kommenden Tagen in der AfD darüber gesprochen werden, „inwieweit wir eine Initiative West brauchen“, sagte Parteichef Chrupalla am Wahlabend.
Wie geht es nun mit der AfD weiter? Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann gab am Wahlabend eine ratlose Antwort auf diese Frage: „Es wird sich zeigen, was sich herausstellt.“
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© Agence France-Presse