Finnisches Gericht spricht Ex-Rebellenführer der Kriegsverbrechen in Liberia frei

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Ein finnisches Gericht hat einen früheren Rebellenführer aus Sierra-Leone des Vorwurfs der Kriegsverbrechen im benachbarten Liberia freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft habe nicht mit „hinreichender Sicherheit“ bewiesen, dass Gibril Massaquoi während des liberianischen Bürgerkriegs die ihm zur Last gelegten Verbrechen wie Vergewaltigungen, Morde und die Rekrutierung von Kindersoldaten begangen habe, urteilte das Gericht der finnischen Provinz Pirkanmaa am Freitag. 
Der 52-jährige Massaquoi lebte seit 2008 in Finnland. Dort wurde er im März 2020 festgenommen, nachdem eine Menschenrechtsgruppe gegen ihn mobil gemacht hatte. Sie warf dem ehemaligen ranghohen Kommandeur von Sierra-Leones Rebellenarmee Revolutionäre Vereinigte Front (RUF) unter anderem Vergewaltigung, Mord, Folter, Versklavung und den Einsatz von Kindersoldaten in den späten Jahren des Bürgerkriegs vor. Der Anführer der RUF, Foday Sankoh, stand dem ehemaligen liberianischen Warlord und späteren Präsidenten Charles Taylor nahe.
Massaquois Verteidigung wies während des Prozesses auf eine Reihe von Ungereimtheiten und Widersprüchen in Zeugenaussagen über die Gräueltaten hin. Sie argumentierte zudem, dass er sich zur Tatzeit nicht in Liberia aufgehalten habe – unter anderem, weil er in Sierra Leone unter UN-Hausarrest stand – und dass er das Land zuletzt im Juni 2001 besucht habe. 
Das Gericht hielt es nun für möglich, dass Massaquoi nicht der von den Zeugen beschriebene Täter war. Die Staatsanwaltschaft hat nach eigenen Angaben noch nicht entschieden, ob sie gegen das Urteil in Berufung gehen wird.
In einer beispiellosen Aktion war das finnische Gericht zwischen Februar und April des vergangenen Jahres und erneut im September nach Monrovia gereist, um Dutzende von Zeugen anzuhören und die Orte zu besuchen, an denen sich die Gräueltaten auf Massaquois Befehl hin abgespielt haben sollen. Es waren die ersten Gerichtsanhörungen zu Kriegsverbrechen auf liberianischem Boden überhaupt.
Während der beiden Bürgerkriege in Liberia zwischen 1989 und 1996 sowie zwischen 1999 und 2003 waren etwa 250.000 Menschen getötet worden. Nur wenige Menschen mussten sich für die Kriegsverbrechen in Liberia bisher vor Gericht verantworten – darunter niemand in dem westafrikanischen Land selbst.
Massaquoi hatte 2003 vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag in einem Prozess um Verbrechen während des Bürgerkriegs in Sierra Leone ausgesagt. Im Gegenzug für seine Aussage erhielt der ehemalige RUF-Kommandeur Immunität für seine Rolle in dem dortigen Konflikt. Für die Verbrechen, derer er im Nachbarland Liberia beschuldigt wurde, galt die Straffreiheit aber nicht.
ans/isd

© Agence France-Presse