Präsidenten-Stichwahl in Frankreich entscheidet über künftigen Kurs des Landes

-

Print Friendly, PDF & Email

Emmanuel Macron oder Marine Le Pen? In einer Richtungswahl haben die Franzosen am Sonntag ihr neues Staatsoberhaupt sowie den künftigen Kurs ihres Landes bestimmt.  Knapp 49 Millionen Wähler waren aufgerufen, in der Stichwahl zwischen dem amtierenden Präsidenten Macron und seiner rechtspopulistischen Herausforderin Le Pen zu entscheiden. Vieles hängt nach Einschätzung von Beobachtern von der Höhe der Wahlbeteiligung ab. Der Ausgang dürfte auch Folgen für die Zukunft der EU haben.
Der 44-jährige Macron und seine Frau Brigitte gingen in Le Touquet am Ärmelkanal zur Wahl, wo sie ein Ferienhaus besitzen. Die 53-jährige Le Pen gab in ihrer nordfranzösischen Hochburg Henin-Beaumont ihre Stimme ab. Beide Kandidaten suchten dabei noch einmal das Gespräch mit Anhängern und Wählern. 
Die Wahlbeteiligung betrug um 17.00 Uhr laut Innenministerium 63,23 Prozent und war damit mehr als zwei Prozentpunkte niedriger als vor fünf Jahren (65,30 Prozent) zur selben Uhrzeit. Sie war zudem fast zwei Punkte niedriger als in der ersten Wahlrunde am 10. April.
Die Enthaltung dürfte nach Schätzungen von vier Meinungsforschungsinstituten bei 28 Prozent liegen und damit um 2,5 Prozentpunkte höher als 2017. Nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre war mit einer hohen Enthaltung gerechnet worden, zumal derzeit Schulferien sind.  
In den letzten Umfragen kam Macron auf 56,5 Prozent und lag damit rund zehn Prozentpunkte vor Le Pen. Er ist jedoch weit von seinem Ergebnis von 2017 entfernt, als beide Kandidaten schon einmal gegeneinander angetreten waren. Damals siegte Macron mit 66,1 Prozent zu 33,9 Prozent und wurde mit 39 Jahren der jüngste Präsident der Fünften Republik.
Beobachter warnten, dass eine hohe Enthaltung den Abstand zwischen Macron und Le Pen verringern und damit zu einem „echten Risiko“ für den liberalen Amtsinhaber werden dürfte. 
Macron und seine Verbündeten wiesen immer wieder darauf hin, dass die vielen Wähler, die 2016 in Erwartung eines klaren Ergebnisses in Großbritannien und den USA zu Hause geblieben waren, erst den Brexit und die Wahl von Donald Trump an die US-Staatsspitze ermöglicht hatten. 
Sowohl für Frankreich als auch für Europa steht viel auf dem Spiel. Macron verspricht Reformen und eine stärkere EU-Integration, Le Pen will zahlreiche Ausländer abschieben und die Verfassung ändern, um Franzosen Vorrang bei Jobs und Sozialwohnungen einzuräumen – zudem plädiert sie für ein Europa der Nationalstaaten. Sollte sie siegen, könnte das in der EU ein ähnliches Erdbeben auslösen wie der Brexit.
Die 43-jährige Laetitia in einem bürgerlichen Viertel von Marseille bedauerte, dass leere Wahlumschläge nicht gezählt werden. Sie habe zwar gewählt, „weil es wichtig ist“, jedoch ohne Überzeugung. 
Im Dorf Klang im Département Moselle, wo im ersten Wahlgang fast 42 Prozent für Le Pen gestimmt hatten, sagte der 57-jährige ehemalige Fahrzeugführer Dominique Iacuzzo zu den beiden Kandidaten: „Im einen Fall weiß man, was einen erwartet, im anderen nicht.“
Vieles dürfte bei dieser Wahl auch davon abhängen, wie sich die Anhänger des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon entscheiden, der im ersten Wahlgang nur knapp den Einzug in die Stichwahl verpasst hatte. Bei vielen von ihnen ist Macron so unbeliebt, dass sie nach eigenen Angaben lieber leere oder ungültige Stimmzettel abgeben oder gar nicht wählen wollten. 
Mélenchon selbst hatte seine Anhänger nach der ersten Runde zwar aufgefordert, Le Pen „keine einzige Stimme zu geben“; gleichzeitig aber rief er sie bewusst nicht dazu auf, für Macron zu stimmen.
Die Wahllokale bleiben bis 19.00 Uhr geöffnet, in Großstädten bis 20.00 Uhr. In den französischen Überseegebieten wurde bereits am Samstag gewählt. Erste Hochrechnungen werden ab 20.00 Uhr erwartet.
Macron wäre im Fall einer Wiederwahl der erste Präsident seit Jacques Chirac im Jahr 2002, der eine zweite Amtszeit antritt. Falls er gewinnt, wird er voraussichtlich auf dem Champ de Mars am Fuße des Eiffelturms seine Siegesrede halten. 
ck/dja

© Agence France-Presse