Bei einer propalästinensischen Demonstration in Berlin zum sogenannten Nakba-Tag – dem Gedenktag an die Vertreibung hunderttausender Palästinenser im Jahr 1948 – kam es zu einem Vorfall, der bundesweit für Aufmerksamkeit sorgte. Ein Polizist soll dabei schwer verletzt worden sein, nachdem er angeblich von Teilnehmern der Demonstration in die Menge gezogen und dort getreten worden sei. Der Fall wurde sogar im Bundestag thematisiert.
Eine Analyse des Geschehens durch die Berliner Rechercheagentur Forensis wirft jedoch Fragen zur ursprünglichen Darstellung auf. Die Agentur wertete Videomaterial aus, das ihr zugespielt wurde und das auch der Süddeutschen Zeitung sowie dem NDR vorliegt. Die Aufnahmen zeichnen ein anderes Bild des Vorfalls als zunächst kommuniziert.
Gerade in solchen Situationen zeigt sich, wie unverzichtbar unabhängige Berichterstattung vor Ort ist. Nur wenn Journalistinnen und Journalisten – ob mit Kamera, Mikrofon oder Notizblock – ungehindert ihrer Arbeit nachgehen können, lassen sich Aussagen überprüfen und Ereignisse rekonstruieren. Pressefreiheit ist keine Selbstverständlichkeit, sondern ein durch das Grundgesetz geschütztes Grundrecht. Es wird durch die Landespressegesetze konkretisiert und muss aktiv verteidigt und unterstützt werden.
Denn wer zuerst eine Version der Geschichte veröffentlicht, prägt oftmals die öffentliche Wahrnehmung. Korrekturen oder neue Erkenntnisse finden später oft kaum noch Gehör. Umso wichtiger ist eine freie, vielfältige Medienlandschaft, die auch unbequeme Fragen stellt – und dabei nicht selten einen anderen Blick auf Ereignisse wirft, als ihn offizielle Stellen darstellen.
Forensis ist ein gemeinnütziger Verein mit Sitz in Berlin, der sich auf die forensische Aufarbeitung von Gewaltvorfällen spezialisiert hat. Das interdisziplinäre Team nutzt unter anderem Videoanalysen, akustisches Material, 3D-Modelle und Karten, um komplexe Ereignisse zu rekonstruieren. Ziel ist es, belastbare Beweise für Gerichte, parlamentarische Untersuchungen oder internationale Menschenrechtsforen bereitzustellen.
Die Organisation ist Teil des Netzwerks Forensic Architecture (FA), das sich weltweit mit der Aufklärung mutmaßlicher Menschenrechtsverletzungen und staatlicher Gewalt beschäftigt. FA wurde für seine Arbeit mehrfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Alternativen Nobelpreis. Ein Schwerpunkt der Organisation liegt auf der Dokumentation von Gewalt gegen Palästinenser. Der Gründer von FA, der israelische Architekturprofessor Eyal Weizman, betonte kürzlich in einem Interview, dass die Arbeit des Netzwerks nicht neutral sei – man verbünde sich bewusst mit gefährdeten Gruppen und Befreiungsbewegungen.
Weitere Details zur Analyse und zur Methodik von Forensis finden sich in der vollständigen Recherche, die online verfügbar ist.
Der Beitrag der Süddeutschen Zeitung mit den entsprechenden Analysen









