Das Allgäu wurde im Sommer 2019 durch mehrere Tierskandale auf landwirtschaftlichen Großbetrieben aufgerüttelt. Die deutschlandweite Berichterstattung in Onlinemagazinen, Zeitungen und Fernsehen hat für viel Aufsehen gesorgt. Es wurde heimlich gefilmtes Videomaterial aus den Stallungen eines landwirtschaftlichen Betriebes gezeigt, das massive Verstöße gegen den Tierschutz aufzeigte. Grund genug, für die Staatsanwaltschaft Memmingen Ermittlungen aufzunehmen.
In der Folge wurden mehrere landwirtschaftliche Betriebe eines Familienunternehmens mehrfach mit einem Großaufgebot von Staatsanwälten, Kripobeamten, Veterinären u.a. durchsucht und die Tierschutzverstöße dokumentiert, Unterlagen sichergestellt, Bildaufnahmen gefertigt. Einige Tier mussten bei den Durchsuchungen notgetötet werden, so schlecht war ihr Gesundheitszustand. Auch die betreuenden Tierärzte bekamen Besuch von Kripo und Staatsanwaltschaft.
Am Dienstag, 20.09.2022, um 9.30 Uhr, beginnt nun der Prozess gegen einen heute 68-jährigen Landwirt und einem weiteren 25-Jährigen vor der 1. Strafkammer des Landgerichts Memmingen. Bisher hat die Kammer 14 Verhandlungstage angesetzt.
Die erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Memmingen geht dabei von folgendem Tatverdacht aus:
Die beiden Angeschuldigten, Vater (68) und Sohn (25), unterhielten im Jahr 2019 drei Hofstellen in den Landkreisen Unterallgäu, Oberallgäu sowie in der Stadt Kempten (Allgäu), in denen sie Rinderhaltung betrieben. Sie sollen dabei im relevanten Tatzeitraum zwischen Juli und November 2019 im Hinblick auf 54 Rinder gegen §17 Tierschutzgesetz (TierSchG) verstoßen zu haben, wobei den Angeschuldigten insbesondere zur Last liegt, nicht dafür gesorgt zu haben, dass erkrankten Tieren die erforderliche tierärztliche Behandlung zukam. Nach §17 Tierschutzgesetz macht sich strafbar, wer einem Wirbeltier länger anhaltende oder sich wiederholende erhebliche Schmerzen oder Leiden zufügt. Das Gesetz sieht dabei für jeden einzelnen Verstoß Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren vor.
Der Anklageerhebung gingen umfangreiche Ermittlungen voraus. So wurden gegen die beiden Angeschuldigten sowohl im August als auch im November 2019 Durchsuchungsbeschlüsse vollzogen. Überdies wurden zur Feststellung der Auswirkungen der den Angeschuldigten zur Last liegenden Handlungen auf die verfahrensgegenständlichen Rinder Sachverständigengutachten des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL), des Landratsamtes Unterallgäu und des Landratsamtes Oberallgäu eingeholt.
Gegen beide Angeschuldigte wurde im Laufe des Ermittlungsverfahrens durch das Amtsgericht Neu-Ulm jeweils ein vorläufiges Halte- und Betreuungsverbot für Rinder erlassen.