„Cybertrading“: Georgien und Israel unterstützen ZCB bei Schlag gegen weltweit agierende Organisation

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Nach intensiven Ermittlungen der Zentralstelle Cybercrime Bayern (ZCB) wurden bereits am Dienstag, 19.10.2021, umfangreiche strafprozessuale Maßnahmen gegen Mitglieder einer Tätergruppierung vollzogen, denen zur Last gelegt wird, seit 2015 vor allem aus Georgien und Israel heraus Personen in einer Vielzahl von Staaten in Form des sog. „Cybertrading“ um Millionenbeträge betrogen zu haben. Unter Beteiligung von drei Staatsanwälten der ZCB und 18 bayerischen Polizeibeamten wurden in Georgien insgesamt sieben, in Israel vier Haftbefehle erfolgreich vollzogen. Zudem wurden in den beiden Staaten insgesamt 15 Objekte durchsucht.

Am Dienstag konnten in Tiflis (Georgien) und im Großraum Tel Aviv (Israel) gemeinsam mit den lokalen Behörden insgesamt acht Männer und drei Frauen im Alter zwischen 27 und 47 Jahren festgenommen werden. Ihnen wird zur Last gelegt, zur Führungsgruppe einer kriminellen Organisation gehört zu haben, die weltweit Personen vortäuschte, bei Online-Plattformen gewinnbringend Gelder anlegen zu können. Tatsächlich sollen die Beschuldigten aber allein das Ziel verfolgt haben, die Gelder der arglosen Anleger für sich zu vereinnahmen. Die Gesamtschäden sind derzeit noch nicht sicher abschätzbar, dürften sich aber mindestens auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag belaufen.

Seinen Ausgangspunkt nahm das Verfahren in Weiden in der Oberpfalz, als ein Anleger im Oktober 2018 Opfer der Anlageplattform GetFinancial geworden war und dies angezeigt hatte. Aufgrund umfangreicher und zeitaufwändiger Ermittlungen im In- und Ausland gelang es der ZCB gemeinsam mit der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Oberpfalz, die Beschuldigten zu identifizieren und ihre Aufenthaltsorte festzustellen. In Georgien betrieb die Gruppierung mehrere Callcenter, die im Laufe der Ermittlungen lokalisiert werden konnten.

Parallel konnten Verbindungen zu weiteren betrügerischen Plattformen hergestellt werden, gegen die bereits durch weitere Polizeidienststellen in Bayern ermittelt wurde, insbesondere zur Plattform ProCapitalMarkets bei der Kriminalpolizeiinspektion mit Zentralaufgaben Schwaben Süd/West und zur Plattform MyCoinBanking in München.

Die ZCB, die in Bayern für die Bekämpfung des Kriminalitätsphänomens „Cybertrading“ zentral zuständig ist, führte die bereits anhängigen Verfahren zu den unterschiedlichen Plattformen zusammen und nahm aufgrund der Spurenlage mithilfe von Eurojust, der Agentur der Europäischen Union für justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen, Kontakt zu den zuständigen Ermittlungsbehörden in Georgien und Israel auf, um die Ermittlungen im Ausland voranzutreiben und das gemeinsame Vorgehen zu koordinieren.

Die im In- und Ausland zusammengetragenen Beweismittel rechtfertigten bereits im Vorfeld der nunmehr durchgeführten Maßnahmen den Erlass von Haftbefehlen durch das Amtsgericht Bamberg. Zugleich erwirkte die Generalstaatsanwaltschaft in Tiflis weitere Haftbefehle gegen in Georgien wohnhafte georgische Staatsangehörige.

Am 19.10.2021 konnten sodann im Rahmen eines akribisch vorbereiteten Action Days in Israel und Georgien 4 israelische, 6 georgische und 1 russische Staatsangehörige festgenommen werden. Zudem kam es zur zeitgleichen Durchsuchung von 15 Objekten, in Georgien u.a. eines noch aktiven Callcenters sowie eines IT-Dienstleisters. Hierbei wurde umfangreiches Beweismaterial in Form von Datenträgern und Dokumenten sichergestellt. Ferner wurden mehr als 30 Zeugen und Beschuldigte zu den Taten vernommen.

An den Maßnahmen nahmen 3 Staatsanwälte der ZCB sowie 18 Beamte der Polizeipräsidien Oberpfalz, Schwaben Süd/West, München und Oberfranken teil.

Die ersten Ergebnisse der zahlreichen operativen Maßnahmen bestätigen den dringenden Verdacht, dass die Tätergruppierung in den vergangenen Jahren die Plattformen TradeSolid, SolidCFD, IntegraOption, FXIntegra, TechOption, GetFinancial, TradeGF, ProCapitalMarkets, BitCapitalMarkets, NordCapitalMarkets, MyCoinBanking, GainFinTech, FXPace, AccepTrade, ProfitsTrade, CoinsBanking, TradeLegal und FXLaws betrieb. Mindestens zwei weitere Plattformen, die unter einer bereits beantragten Lizenz der zypriotischen Finanzregulierungsbehörde CySEC betrieben werden sollten, waren von der Gruppierung schon fertiggestellt und für den aktiven Betrieb vorbereitet worden.

Die ZCB wird die israelischen Behörden nun um die Auslieferung der vier Festgenommenen sowie die Behörden in Georgien um die Auslieferung einer der dort festgenommenen Personen ersuchen. Über Maßnahmen gegen weitere Beschuldigte wird – auch auf Grundlage der Ergebnisse der nunmehr durchgeführten Maßnahmen – zu gegebenem Zeitpunkt zu entscheiden sein.

Der Erfolg des „Action Days“ ist maßgeblich auf die hervorragende Kooperation mit den internationalen Partnern und die Unterstützung durch Eurojust zurückzuführen. Mit dem erfolgreichen gemeinsamen Zugriff unter Führung der ZCB erweist sich das Verfahren bereits jetzt als Beispiel für gelungene und effektive grenzüberschreitende Zusammenarbeit.

Hintergrund

Die Bekämpfung des Kriminalitätsphänomens „Cybertrading“ steht bereits seit längerem im Fokus der Staatsanwältinnen und Staatsanwälte der ZCB. Zuletzt im Juli 2021 veranlasste die ZCB in einem anderen Verfahrenskomplex, der sich gegen eine weitere Tätergruppierung richtet, Festnahmen und Durchsuchungen durch die bulgarischen Behörden in Sofia. Die jetzigen Maßnahmen stehen damit – ebenso wenig wie mit weiteren Action Days in den Staaten Serbien, Bulgarien, Kosovo und Ukraine seit April 2020 – in keinem Zusammenhang. Sie verdeutlichen, dass sich unterschiedliche Gruppierungen der internationalen organisierten Kriminalität diesem lukrativen illegalen Geschäftsmodell verschrieben haben.

Der Tatablauf des betrügerischen Cybertradings gestaltet sich in seiner Grundstruktur regelmäßig gleich. Die Täter spiegeln den potenziellen Kunden vor, digitale Plattformen für den Handel mit unterschiedlichsten Finanzinstrumenten (bis zu deren Untersagung vor allem binäre Optionen, nunmehr insbesondere CFDs, Forex, Kryptowährungen) zur Verfügung zu stellen. Eine Investition bzw. eine Platzierung von Optionen sowie ein Vorhalten von Anlegergeldern zur Rückzahlung bzw. zur Gewinnausschüttung finden in Wahrheit nicht statt. Die eingezahlten Gelder werden zu keinem Zeitpunkt einer Kapitalanlage zugeführt, die für den Kunden sichtbare Handelsplattform ist ebenso wie das angebliche Kundenkonto eine reine Täuschung. In einer Vielzahl von Fällen kommt es nach einzelnen missglückten angeblichen Trades zu einem Totalverlust des eingesetzten Kapitals.

Von dem Deliktsphänomen, das der internationalen organisierten Cyber-Kriminalität zuzurechnen ist, sind allein in Deutschland zehntausende Anleger betroffen. In zahlreichen anderen europäischen Ländern finden sich unzählige weitere Geschädigte. Das Dunkelfeld ist beträchtlich, da vielen Anlegern das (vermeintlich) hohe Verlustrisiko der gewählten Investmentart bekannt ist und sie irrtümlich davon ausgehen, dass sich eben dieses Risiko verwirklicht hat.

Die komplexen und aufwändigen Ermittlungen der ZCB und der beteiligten Polizeidienststellen dauern an. Weitere Einzelheiten zum Stand des Verfahrens können, um die fortdauernden europaweiten Ermittlungen nicht zu gefährden, derzeit nicht bekannt gegeben werden.

Seit dem 1. Januar 2015 besteht bei der Generalstaatsanwaltschaft Bamberg die Zentralstelle Cybercrime Bayern. Diese Zentralstelle ist bayernweit zuständig für die Bearbeitung herausgehobener Ermittlungsverfahren im Bereich der Cyberkriminalität. Sie ermittelt in Zusammenarbeit mit den entsprechenden Spezialisten der Landes- und Bundespolizei, des Bundeskriminalamts, des Zollfahndungsdienstes und mit internationalen Partnern, z.B. bei Angriffen auf bedeutende Wirtschaftszweige oder bei Verfahren aus dem Bereich der organisierten Cyberkriminalität.

Auch dann, wenn bei Verfahren der Allgemeinkriminalität ein hoher Ermittlungsaufwand im Bereich der Computer- und Informationstechnik abzuarbeiten ist, werden die Staatsanwälte der Zentralstelle tätig. Die bearbeiteten Fälle sind vielfältig. Sie reichen von Hackerangriffen über Fälle des Vorkasse-Betrugs im Internet, z. B. durch professionelle sog. Fake-Shops, und Fälle von Ransomware bis hin zum Handel mit Waffen, Drogen und Falschgeld im Darknet. Zudem ist die Zentralstelle Cybercrime Bayern für herausgehobene Fälle der Wirtschaftscyberkriminalität zuständig.

Derzeit sind 18 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte und vier IT-Forensikerinnen und IT-Forensiker bei der Zentralstelle Cybercrime Bayern tätig.