Im Zeitalter von Handy, Outdoor-Apps, digitalen Karten und ständig verfügbarem Internet
sowie GPS-Funktionen, scheint es technisch gesehen auf den ersten Blick schier
unmöglich, dass sich Wanderer verirren, vom Weg abkommen oder mit Blick auf die
vielfältig beschriebenen Tourenvorschläge inkl. Schwierigkeitsbewertungen falsche und
für sie ungeeignete Routen auswählen. Und doch nehmen genau diese
Fehlentscheidungen die letzten Jahre stark zu. Allein im Bereich der Bergwacht
Oberstdorf sind seit Mitte September ca. 15 Einsätze auf mangelnde Tourenplanung und
Unkenntnis der Wanderer zurückzuführen.
Über das „Warum“ und die Problematik im Umgang mit den modernen Informations- und
Navigationssystemen wurde ausführlich in der renommierten Fachzeitschrift
„bergundsteigen“ in der Sommerausgabe 2024 Folge 127 berichtet. Auch benachbarte
Rettungsorganisationen aus Österreich melden seit Jahren steigende Zahlen an
Einsätzen durch Erschöpfte, Verstiegene, falsch ausgerüstete oder unerfahrene
Bergsteiger und Wanderer.
Viele Fälle, auch speziell die im folgenden aufgelisteten Einsätzen der letzten Monate,
haben gemein, dass die Wanderer grundsätzlich gut ausgerüstet waren, was die
Navigation anbelangt, jedoch die Rückschlüsse daraus nicht zielführend waren und das
persönliche Wissen und Können überfordert wurde.
Diverse Apps, GPS-Geräte, teils Papierkarten, Auszüge aus Internetbeschreibungen und
Führerliteratur waren oftmals vorhanden. Die Handhabung und die Kenntnisse im
Umgang mit den Orientierungsmitteln sowie die Fähigkeit der Bewertung von digitalem
Kartenmaterial war jedoch größtenteils nicht gegeben. Dies zeigte sich nicht nur während
der Touren und der unmittelbaren Wegfindung, sondern bereits im Vorfeld bei der
Tourenauswahl.
So mussten Mitte September zwei unabhängige Pärchen im Bereich des Krumbacher
Höhenweges aus brusthohem Schnee gerettet werden. Ein weiteres Beispiel sind zwei
junge Wanderer, diese wollten wenige Tage später im Bereich Gaißfuß eine vermeintliche
Abkürzung durch wegloses Gelände nehmen. Die zwei wurden zum einen von der Dunkelheit und zum anderen von steilen Felsabbrüchen „überrascht“. Eine andere Dame
wollte über den Schattenberggrat zur Bergstation der Nebelhornbahn aufsteigen, dieser
Grat erfordert dringend Schwindelfreiheit und sehr gute Trittsicherheit, von einem
„normalen“ Weg kann nicht gesprochen werden. Die Frau wurde schließlich weit entfernt
der ursprünglichen Route, komplett unterkühlt und durchnässt an einer Hütte im Bereich
des Seealpsees aufgefunden.
Speziell die Einsätze mit der Meldung „von plötzlicher Dunkelheit überrascht“ nehmen zu.
Hierbei kann sicherlich keiner App oder Wegbeschreibung in einem Internetforum die
Verantwortung beigemessen werden, sondern lediglich der individuellen persönlichen
Fähigkeit eine Wanderung zu planen und Gegebenheiten wie das Wetter, die Jahreszeit
und persönliche Erfahrung ehrlich zu berücksichtigen.
Neben diesen Einsätzen werden die Bergretter aber auch noch mit teils schier
unglaublichen Einsätzen konfrontiert und belastet. So geschehen Ende September, als
gegen 23.00 Uhr der Hilferuf zweier Damen vom Bereich des Gaisalpsee einging. Die
beiden Damen waren mit der Absicht zu Biwakieren am Nachmittag in strömendem Regen
zum See aufgestiegen. Als die Bergretter mitten in der Nacht bei den beiden völlig
durchnässten und frierenden Frauen ankamen konnten sie keinerlei geeignete
Ausrüstung für ein Biwak in den Bergen, geschweige denn bei Regen vorfinden.
Mitte Oktober, ebenfalls bei widrigstem Wetter starrten die Bergretter verwundert auf die
Einsatzmeldung, im Bereich der „Seewände“, unterhalb des Seealpsee würden Vater und
Sohn mit ihren E-Bikes Hilfe benötigen. Hierzu kann festgestellt werden, dass der
gesamte Bereich rund um das Nebelhorn grundsätzlich nicht unbedingt geeignet ist für
das Mountainbiken, im speziellen Bereich der Seewände, gibt es jedoch keinerlei Wege
und die steilen Grasflanken führen über Felsabbrüche Richtung Tal, aufgestellte
Warntafeln mit Totenköpfen verdeutlichen hier die Gefahr.
Wie waren die beiden ortsunkundigen Urlauber nun aber auf die Idee dieser Biketour
gekommen? Final kann dies nicht beantwortet werden, jedoch wurde in einem
Onlineportal ein zu dieser Zeit bereits offiziell verborgener Track entdeckt, auf welchen
die Beiden ebenfalls gestoßen waren. Die Route führte über die extrem steile Bergstraße
zur Station Höfatsblick und danach über den Zeigersattel zum Seealpsee und weiter über
den äußerst ausgesetzten Gleitweg ins Oytal und zurück nach Oberstdorf.
Die Liste zu solch vermeidbaren und unnötigen Einsätzen könnte allein im Bereich um
Oberstdorf noch recht lange weitergeführt werden, wichtiger jedoch scheint uns die
Botschaft welche anhand dieser Beispiele, und ohne Verurteilung der einzelnen
Personen, durch diese Vorfälle aufgezeigt werden kann.
Die Planung einer Unternehmung in den Bergen sollte umsichtig, sprich den eigenen
Fähigkeiten und Kompetenzen entsprechend, sowie unter Berücksichtigung der
vorherrschenden Verhältnisse (Schnee/Tageszeit/Temperatur/etc.) durchgeführt werden.
Maßgeblich sind hierbei eine vernünftige Selbsteinschätzung und die Bereitschaft sich
insbesondere als Neuling im Gebirge, langsam an die Materie heranzutasten.
Sollte auch die Fitness für lange Unternehmungen im Herbst vorhanden sein, so gilt es
beispielsweiße neben der schieren Länge einer Unternehmung ebenso mögliche
gefrorene Bachläufe, Schnee wie auch geschlossene Hütten und natürlich die frühe
Dunkelheit mit zu berücksichtigen. Seitens der Alpenvereine, Gemeinden in
Bergsportregionen und Bergschulen gibt es seit Jahren diverse Angebote, welche
Neulingen in diesen Themengebieten Unterstützungen bieten.
Zusammengefasst werden kann dieses Thema wie auch im anfangs erwähnten Bericht in
„bergundsteigen“ unter dem Begriff der Verantwortung. Verantwortung für sich Selbst,
Verantwortung für die eigene Familie, die Begleiter, die Angehörigen daheim. Aber
natürlich auch im Rahmen der Verantwortung der Ressourcenschonung der Bergrettung,
der Flugrettung und deren Angehörigen.
All diese Mütter, Väter, Partner und Kinder von Irgendjemandem helfen, egal ob
ehrenamtlich oder berufsbedingt, gerne Menschen in Notsituationen. Noch viel lieber ist
ihnen jedoch, wenn sie nicht zu vermeidbaren Einsätzen aufgrund von
Selbstüberschätzung oder falscher Tourenplanung aus ihrem Alltag gerissen werden.