Erst Pflichtsieg, dann Party – und jetzt die große Prüfung

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Das WM-Jahr begann mit einem standesgemäßen Sieg und einer nächtlichen Geburtstagsfeier für den Kapitän. Wie weit es mit der Aufbruchstimmung wirklich her ist, zeigt erst der Härtetest gegen die Niederlande.
Sinsheim/Frankfurt (SID) Als die Nationalspieler nachts um halb zwei ins Teamquartier zurückkehrten, drückte Hansi Flick ein Auge zu und strich den Zapfenstreich. Schließlich war Kapitän Manuel Neuer gerade 36 Jahre alt geworden – und der Geburtstag sollte gefeiert werden. Nach dem gelungenen Start ins WM-Jahr sowieso.
„Aber sicher doch!“, sagte DFB-Direktor Oliver Bierhoff am Sonntagmorgen mit müden Augen bei Bild-TV: „Da haben wir traditionsgemäß ein Lied gesungen und ihm gratuliert. Das war ein schöner Ausklang, aber auch eine kurze Nacht.“ Wohlweislich hatte Flick das lockere Regenerationstraining in Frankfurt erst für den frühen Sonntagnachmittag angesetzt.
Ab Montag sollen Körper und Kopf der Spieler aber wieder auf Hochtouren laufen, denn der erste große Härtetest in Flicks bislang makelloser Amtszeit (acht Spiele, acht Siege) steht bevor. Über den Klassiker am Dienstag (20.45 Uhr/ARD) in den Niederlanden wolle er aber „noch nicht sprechen“, sagte der Bundestrainer bestimmt, „wir tun gut daran, dieses Spiel nochmal wirken zu lassen und zu analysieren.“
Denn aus dem 2:0 (2:0) in Sinsheim gegen weitestgehend überforderte Israelis nahm Flick nicht nur positive Erkenntnisse mit. Der „kleine Arroganzanfall“ (ZDF-Experte Per Mertesacker) des ansonsten tadellosen Debütanten Nico Schlotterbeck, der in der Schlussminute einen völlig unnötigen Foulelfmeter verursachte, soll allen eine Warnung sein. „So etwas in einer Weltmeisterschaft in der 90. Minute“, betonte Flick, „das kann tödlich sein.“
Auch in Sachen Chancenauswertung sowie Abstimmung in Angriff und Abwehr hatte Flick etwas zu bemängeln. Kein Wunder: Neben abwesenden Leistungsträgern wie Joshua Kimmich verzichtete er in der Startelf auch auf die sonst gesetzten Thomas Müller, Leroy Sane und Neuer. Im ersten Länderspiel des Jahres durften sich stattdessen Profis aus der zweiten Reihe für ein WM-Ticket bewerben.
Neben Schlotterbeck, der laut Flick bis zu seinem Fauxpas ein „sehr, sehr gutes Spiel“ gemacht hatte, punkteten der offensivstarke David Raum, Elfmeter-„Killer“ Kevin Trapp und mit Abstrichen Rückkehrer Julian Weigl. Der PSG-Edelreservist Julian Draxler konnte dagegen nicht für sich werben, er dürfte nur bei einem Vereinswechsel eine WM-Chance haben – und das weiß das einstige „Jahrhunderttalent“ auch: „Ich brauche den Rhythmus.“
Das trifft ebenso auf Timo Werner zu, der nach schweren Monaten beim FC Chelsea im DFB-Team zumindest seinen Torriecher wiedergefunden hat. Das 2:0 (45.+1) war bereits sein sechstes Tor im sechsten Spiel unter Flick. 
Deutlich mehr ins Spiel eingebunden war Werners Klubkollege Kai Havertz, der nicht nur mit dem Führungstor (36.) auf sich aufmerksam machte. Weil Flick gegen die Niederlande wohl seine beste Elf aufbieten wird, könnte Havertz wie zuletzt im Verein als zentraler Stürmer beginnen und Werner auf der Bank Platz nehmen. „Es gibt mehrere Optionen“, sagte Flick ausweichend. 
Als zusätzliche Alternative auf der Doppel-Sechs hat sich Jamal Musiala empfohlen. Das Ausnahmetalent durfte in der zweiten Halbzeit aus einer etwas defensiveren Position das Spiel ankurbeln, was ihm wie zuletzt bei Bayern München sehr gut gelang. „Wenn er auf diesem Niveau spielt“, schwärmte der Bundestrainer, „ist er für jede Mannschaft eine Bereicherung.“
Ein absoluter Gewinn für das DFB-Team ist zweifelsohne Standard-Experte Mads Buttgereit. Seit er Flick assistiert, entwickelt das Team wieder deutlich mehr Gefahr nach ruhenden Bällen – so auch gegen Israel: Ecke Raum, Tor Havertz. Freistoß Ilkay Gündogan, Tor Werner. „Acht Spiele, sechs Standardtore – das lässt sich schon sehen“, sagte Flick. 
Das DFB-Team fühlt sich bereit für das „Derby“ gegen Holland, wie Müller den Klassiker nannte. Mit einem Sieg könne man „die Aufbruchstimmung, die jetzt in und um die Nationalmannschaft herrscht, sogar noch verstärken“, meinte Havertz.
Und dann gäbe es auch wieder etwas zu feiern.
SID js mm rd

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